Bevor wir zu einer detaillierten Darstellung der jeweiligen Elizitationstests kommen, sollen drei Bestandteile des Aufbaus vorgestellt werden, die allen Tests gemeinsam sind: ÜbungselementeÜbungselement (engl. practice items ), DistraktorenDistraktor (engl. distractors ) und TestitemsTestitem (engl. test items ). Die ÜbungselementeÜbungselement dienen dazu, dem Kind vor Beginn der eigentlichen Testung die Möglichkeit zu geben das Spiel einmal auszuprobieren. So kann der Testleiter erkennen, ob das Kind das Spiel verstanden hat. Die DistraktorenDistraktor und die Testelemente werden im Verlauf des Tests vermischt. Dies soll verhindern, dass sich bei den Teilnehmern ein Gewöhnungseffekt einstellt und sie bei jedem Testitem auf dasselbe Lösungsschema zurückgreifen. Die folgenden Unterkapitel befassen sich dementsprechend nur mit dem jeweiligen Grammatiktest.
2.3.2.1 Verbstellung im Deutschen: Crazy-House-Test
Das Deutsche zeichnet sich im Vergleich zu den romanischen Sprachen durch eine größere Vielfalt der Wortstellung, im Besonderen der Stellung des finitenfinit Verbs aus.
Das Deutsche ist eine V2-Sprache. Das finitefinit Verb erscheint im HauptsatzHauptsatz nach der ersten KonstituenteKonstituente. Im Nebensatz steht das finitefinit Verb satzfinal.
Ziel des spielerischen Tests zur deutschen Wortstellung war es, den Kindern einen Satz zu entlocken, der ein finitesfinit Verb in V2-PositionV2-Position enthält. In der Literatur zu einsprachig deutschen Kindern wird immer wieder beobachtet, dass sich der Erwerb des Deutschen durch eine frühe Phase auszeichnet, in der Kinder das finitefinit Verb in HauptsätzenHauptsatz satzfinal positionieren, so wie es im Zielsystem in Nebensätzen grammatisch wäre. Die Beispiele in (29) kommen von einem Kind, das monolingual deutsch in Deutschland aufwächst und in vierzehntägigem Abstand beobachtet wurde.
29. |
a. |
Geschenke bringt (2;2,25) |
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b. |
Da oben hört (2;2,25) (=gehört) |
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c. |
Hemd ankriegt (2;2,25) |
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d. |
Beule hat (2;3,21) |
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e. |
Wasser nass is (2;4,4) |
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f. |
Weinemann ru[d]e hat (=Rute) (2;4,4) |
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g. |
Eisnbahn aus is (2;4,18) (=Eisenbahn) |
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h. |
De wohl rauf will (2;6) |
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i. |
Esel reiten kann (2;4,18) |
Der ElizitationstestElizitationstest zu der Position finiterfinit Verben besteht aus einem Spiel, bei dem die mehrsprachigen Kinder ein Haus mit fünf Fenstern vorgelegt bekommen (vgl. Abbildung 2.8). Hinter jedem Fenster versteckt sich ein Tier, das eine untypische Handlung vollzieht. Die teilnehmenden Kinder sollten ein Subjekt, ein Verb und ein Objekt äußern.
Abb. 2.8:
Crazy-House-Test: Verbstellung im Deutschen
In Abbildung (2.8) befindet sich zusätzlich ein Maulwurf. Maulwürfe sind bekannt dafür, kleine Augen zu haben und schlecht sehen zu können. Das teilnehmende Kind sollte dem Maulwurf dabei helfen, die verrückten Sachen zu beschreiben, die die Tierbande im Haus macht. Dabei öffnet das Kind jedes Fenster einzeln in einer von ihm selbst bestimmten Reihenfolge (was gleichzeitig den positiven Effekt hat, dass die Items in zufälliger Reihenfolge bearbeitet werden) und erzählt dem Maulwurf, was zu sehen war. Der Erwachsene hat hierfür den folgenden Satz gebraucht:
30. |
Kannst du dem Maulwurf sagen, was im Haus passiert? |
31. |
a. |
Der Affe backt einen Schuh |
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b. |
Die Maus isst einen Blumenstrauß |
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c. |
Der Bär küsst einen Ball |
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d. |
Der Hund putzt das Auto (mit einer riesigen Zahnbürste) |
Die Ergebnisse des Grammatiktests werden in Kapitel 6 vorgestellt.
Wie monolingual deutsche Kinder dafür bekannt sind, das finitefinit Verb anfänglich in die satzfinale Position zu stellen, so platzieren monolingual französische und spanische Kinder während früher Erwerbsphasen das Subjekt postverbal. Auf die Testung zu diesem grammatischen Bereich werden wir im Folgenden eingehen.
2.3.2.2 Position des Subjekts im Französischen und Spanischen
Die Forscherinnen DéprezDéprez, Vivian & PiercePierce, Amy (1993) waren die ersten, die für monolingual französische Kinder eine Phase sogenannter postverbaler Subjekte beobachtet haben. Solche Subjekte zeigen die Beispiele in (32).
32. |
a. |
Lit maman (Nathalie, 2;0,1) |
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b. |
Pleure clown (Daniel, 1;8,3) |
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c. |
Assis la poupée (Nathalie, 2;2,1) |
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d. |
Dormir là Michel (Philippe, 2;2,1) |
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e. |
Veut encore Adrian du pain (Grégoire, 2;1,3) |
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f. |
Pousses toi sandales (Daniel, 1;8,3) |
Im Französischen müssen die Subjekte in (32) am Satzanfang stehen.
Das Französische ist eine SVO-SpracheSVO-Sprache. Das Subjekt steht in der Regel am Satzanfang vor dem finitenfinit Verb.
Um dieses Phänomen bei mehrsprachigen Kindern untersuchen zu können, wurde ein ProduktionstestProduktionstest entwickelt. Das Spiel beinhaltete vier nacheinander gezeigte Abbildungen, bei denen das Kind beschreiben sollte, was es auf den Bildern sieht. Alle elizitierten Verben waren intransitiv. Die elizitierten Subjekt-Verb-Kombinationen werden in (33) aufgeführt. Die Abbildung (2.9) zeigt das Testitem (33b).
33. |
a. |
clown – pleurer |
|
b. |
garçon – dormir |
|
c. |
fille – sauter |
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d. |
papi – rire |
Abb. 2.9:
Französischer Test: Postverbale Subjekte
Für jedes der Bilder hat der Erwachsene die folgende Frage gestellt:
34. |
Dans cette image, qu’est-ce qui se passe? |
Im Französischen sind Konstruktionen wie in (32) ungrammatisch. Im Gegensatz dazu existieren im Spanischen sowohl präpränominal- als auch postverbale Subjekte. Die Referenzmöglichkeiten eines präpränominal- bzw. postverbalen Subjekts sind jedoch unterschiedlich und sollen in Tests mit mehrsprachigen Kindern untersucht werden. Stark vereinfacht können wir Folgendes für das Spanische festhalten:
Präverbale Subjekte kodieren im Spanischen alte, bekannte Informationen.
Postverbale Subjekte hingegen kodieren neue Informationen.
Da viele Kinder zusätzlich zum Spanischen das Französische erwerben, ist es interessant zu untersuchen, ob sie die unterschiedlichen Systeme der beiden romanischen Sprachen erkennen und wann sie dies tun. Die Aufgabe betraf also das Verstehen spanischer präpränominal- und postverbaler Subjekte. Für das Spiel wurde die Thematik des Zirkusses genutzt. Hierbei wurden vier Kartenpaare entworfen. Jedes Paar zeigt zwei typische Zirkusfiguren, wie aus der Abbildung (2.10) deutlich wird.
Abb. 2.10:
Spanischer Test: Postverbale Subjekte
Auf einer der Karten war eine Gruppe mit gleichen Tieren (hier: Bären), auf der anderen zwei unterschiedliche Tiergruppen (hier: Bären und Löwen) zu sehen. Die Kartenpaare wurden so entworfen, da das Spanische einen Unterschied bzgl. des möglichen Referenten in Abhängigkeit von der Position des Subjekts macht. Dies zeigt sich im Nebensatz, wo das Subjekt zwei unterschiedliche Referenzmöglichkeiten hat. Um dies aufzeigen zu können, wenden wir uns dem Testsatz (35) zu, der zu der Abbildung (2.10) geäußert wurde.
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