Umfeld 1: Zwei Sprachen zu Hause, eine weitere Sprache in der Umgebung (BarnesBarnes, Julia 2011, ChevalierChevalier, Sarah 2015, KazzaziKazzazi, Kerstin 2011, MontanariMontanari, Simona 2009a, b, 2010, 2011, QuayQuay, Suzanne 2001, 2008, 2011b)
Umfeld 2: Zwei Sprachen zu Hause, eine weitere Sprache im institutionellenInstitution Kontext
Umfeld 3: Zwei Sprachen in der Umgebung, eine weitere Sprache in der Familie
Umfeld 4: Drei Sprachen in der Umgebung
Die in der vorliegenden Studie untersuchten Kinder sind entweder in einer rein monolingualen (Spanien, Deutschland, Frankreich) oder in einer bilingualen (Spanien) Umgebung aufgewachsen. Bei keinem der Kinder waren alle drei Sprachen in der Umgebung präsent.
Das erste Umfeld wird von ArnbergArnberg, Lenore (1987) untersucht und ist in der Literatur das häufigste. ArnbergArnberg, Lenore (1987) beschreibt eine Familie in Schweden, in der die Mutter FinnischFinnisch und der Vater KurdischKurdisch mit den Kindern (Alter: vier und sechs Jahre) spricht. Die FamilienspracheFamiliensprache, also die Sprache, welche gewählt wird, wenn die Eltern zusammen sind, ist das Schwedische. Es ist gleichzeitig auch die Umgebungssprache. HardingHarding, Edith & RileyRiley, Philip (2003:115ff.) berichten über eine in Frankreich ansässige bilinguale (Französisch-Deutsch) Familie, die für fünf Jahre nach Brasilien umzieht, wo beide Kinder (Alter bei Interview durch die Eltern: zwei und vier Jahre) geboren werden. Beide Fälle beschreibt HoffmannHoffmann, Charlotte (2001:4) als Beispiele für „transient trilingualism“, da den Kindern eine Sprache im Laufe ihrer Entwicklung „verlorengeht“. Dies ist entweder deshalb der Fall, weil ein Elternteil von der Familie entfernt arbeitet und somit auch seine Muttersprache nicht präsent ist oder weil die Familie die UmgebungsspracheUmgebungssprache wechselt, welche nicht von den Eltern muttersprachlich unterstützt wird.
HoffmannHoffmann, Charlotte (1985, 1991) untersucht zwei trilingual aufwachsende Kinder über einen Zeitraum von sieben Jahren. Die involvierten Sprachen sind Spanisch (Sprache des Vaters und FamilienspracheFamiliensprache), Deutsch (Sprache der Mutter) und Englisch (UmgebungsspracheUmgebungssprache). Deutsch und Spanisch sind die zwei Sprachen zu Hause, das Englische ist die Umgebungssprache und wird erst ab einem Alter von zwei Jahren erworben. OksaarOksaar, Els (1977) berichtet über den Erwerb der Sprachen EstnischEstnisch, SchwedischSchwedisch und Deutsch. Der Erwerb der dritten Sprache (Deutsch) begann im Alter von zirka vier Jahren, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Spracherwerb in den beiden Erstsprachen weit fortgeschritten war. HelotHelot, Christine (1988) untersucht zwei Familien mit je zwei Kindern (13;2/8;7 und 9;0/7;0 Jahre, Altersangabe in Jahr;Monat) in Dublin, welche Französisch (Sprache der Mutter), Englisch und IrischIrisch (Sprachen des Vaters) erwerben. Beide Familien sehen die dreisprachige Erziehung ihrer Kinder als gelungen an, wobei ganz besonders eine Familie bezüglich des erforderlichen Aufwandes einer trilingualen Erziehung ihrer Kinder die Auffassung vertrat, dass „raising children trilingually does not command any particular effort once the choice has been made, based on valid motives, such as the desire to pass on one’s own language to one’s children“ (HelotHelot, Christine 1988:284). Die Studien stehen für die weit verbreitete Ansicht, dass die Sprachkompetenz der Kinder abhängig davon ist, wie die Sprachen im kindlichen Umfeld gebraucht werden. Sie enthalten wenige Informationen zur grammatischen Entwicklung (vgl. auch HoffmannHoffmann, Charlotte 1992). Viele der in der Literatur genannten Kinder sind nach de Houwerde Houwer, Annick (1990) nicht simultansimultan trilingual, da die dritte Sprache nicht bereits von Geburt an im kindlichen Umfeld vorhanden war. Wie schon bei den anderen genannten Studien zeigen die diskutierten Beispiele der Kinder zwei Sprachen in Interaktion, nicht alle drei. Hier tut sich ein Forschungsschwerpunkt auf, der im Zusammenhang mit bilingualen Kindern oft diskutiert wird, nämlich bis wann es sich um Erstspracherwerb handelt bzw. ab wann vom Zweitspracherwerb auszugehen ist.
MontanariMontanari, Simona (2013) berichtet über ein mit den drei Sprachen TagalogTagalog (Sprache der Mutter), Spanisch (Sprache des Vaters) und Englisch (Umgebungssprache und Sprache der neun Jahre älteren Schwester) aufwachsendes Kind (Kathryn) in Los Angeles. Die Datenbasis setzt sich aus Tagebuchaufzeichnungen und 16 neunzigminütigen Sprachaufnahmen (spontane Interaktion) im Alter von zirka 1;4 bis 2;1 zusammen. Sie analysiert die lexikalischelexikalisch, phonologischephonologisch und syntaktischesyntaktisch Entwicklung des Mädchens und kommt zu dem Ergebnis, dass sehr wenige Beeinflussungen stattfinden, die Sprachen also von Beginn an getrennt werden. Zu diesem Ergebnis kommt auch ChevalierChevalier, Sarah (2015), die zwei dreisprachige Kinder (Englisch, Französisch, SchweizerdeutschSchweizerdeutsch) in der Schweiz untersucht, jeweils in einsprachiger (deutscher bzw. französischer) Umgebung. Die Studie von KazzaziKazzazi, Kerstin (2011) über zwei mit FarsiFarsi (Sprache des Vaters), Deutsch (eine der Sprachen der bilingualen Mutter, die sie aber in der Interaktion mit ihren Kindern kaum benutzt, vgl. Kazzazi 2011:68) und Englisch (die andere Sprache der Mutter, die sie in der Interaktion mit ihren Kindern gebraucht) in Deutschland aufwachsende Kinder darf ebenso als Beleg für eine sehr frühe Sprachentrennung interpretiert werden. HoffmannHoffmann, Charlotte & WiddicombeWiddicombe, Susan (1999) untersuchen einen von Geburt an trilingual aufwachsenden Jungen (Englisch-ItalienischItalienisch-Französisch) im Alter von 4;4 und stellen fest, dass gemischtsprachliche Äußerungen mit allen drei Sprachen sehr selten sind (vgl. WiddicombeWiddicombe, Susan 1997). Von 174 Mischungen mit der BasisspracheBasissprache Englisch (Sprache der Mutter) und den Sprachen Französisch (UmgebungsspracheUmgebungssprache) oder Italienisch (Sprache des Vaters) enthalten nur 12 Beispiele Sprachmaterial aus allen drei Sprachen, z. B.: I’m going to leave some ATTREZZI to to to RÉPARER LA MAISON (vgl. HoffmannHoffmann, Charlotte 1999:20).
Mit Blick auf die grammatische Entwicklung ist MontanarisMontanari, Simona Studie weltweit die ausführlichste, weshalb sie hier genauer vorgestellt werden soll. MontanariMontanari, Simona (2010, 2013) geht der Frage nach, ob die trilinguale Kathryn bereits in den ersten Aufnahmen über drei getrennte Lexika verfügt. Hierzu werden die ÜbersetzungsäquivalenteÜbersetzungsäquivalent in einem Zeitraum von 1;4 bis 2;0 angesehen. Diese Methode ist aus der Bilinguismusforschung hinreichend bekannt und beispielsweise bei VolterraVolterra, Virginia & TaeschnerTaeschner, Traute (1978) und HolowkaHolowka, Siobhan, Brosseau-LapréBrosseau-Lapré, Françoise & PetittoPetitto, Laura-Ann (2002) nachzulesen (vgl. DeucharDeuchar, Margaret & QuayQuay, Suzanne 2000:53). Übersetzungsäquivalente sind bei Mehrsprachigen, was Synonyme bei Einsprachigen darstellen. Im Durchschnitt hatten 26,4% von Kathryns Wörtern im Zeitraum von 1;4 bis 2;0 ein phonetisch distinktes Übersetzungsäquivalent in einer ihrer Sprachen (auch Dublette genannt, z.B. frío/maginaw „kalt“) oder in ihren beiden Sprachen (auch Triplette genannt, z.B. perro/aso/dog „Hund“). Die durchschnittliche Anzahl von DublettenDublette bzw. TriplettenTriplette unter den ersten 50 Wörtern betrug 28, also ein Drittel. Hiermit ist die von GeneseeGenesee, Fred & NicoladisNicoladis, Elena (2009) genannte Anzahl von 20 %-25% an ÜbersetzungsäquivalentenÜbersetzungsäquivalent als Evidenz für die Differenzierung von mehreren Lexika erreicht und es darf ab dem Alter von 1;6/1;7 bei Kathryn von einer Trennung der Lexika ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang muss allerdings erwähnt werden, dass die ersten TriplettenTriplette erst ab einem Alter von 1;7 auftraten und insgesamt bis 2;0 nur 10 solcher TriplettenTriplette verzeichnet wurden. Die geringe Anzahl an TriplettenTriplette wird damit begründet, dass der Wortschatz des Tagalog zu 40 % aus englischen und spanischen Lehnwörtern besteht. MontanariMontanari, Simona kommt auf der Basis von Kathryns Erwerbsdaten zu dem Schluss, dass Evidenz für die Trennung von drei Lexika von Beginn an vorhanden ist: „productive trilingualism might be more easily attained when cognate languages are at play because lexical development in one language might bootstrap lexical development in the other“ (MontanariMontanari, Simona 2013:73).
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