Wenn ich erzähle, wie gut es mir geht, fragen mich manche, ob ich in der Remissionsphase sei. Dann verneine ich das, denn ich glaube, dass es bei mir zur völligen Genesung kommt. Das neueste MRT zeigt keine neuen Herde, und mein Arzt gestattete die Absetzung von Betaferon .
Sally B., Lansing, Michigan
Die Schwere der Symptome geht bei vielen Autoimmunerkrankungen zurück, nicht nur bei MS, sondern auch bei zahlreichen anderen chronischen Erkrankungen wie affektiven Störungen, Adipositas, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Das Prinzip ist einfach: Geht es den Zellen gut, geht es auch dem Körper gut.
Schauen wir uns zum Beispiel die bereits angesprochene Theorie von Dr. Zamboni an. Selbst wenn eine Cerebrospinalvenen-Insuffizienz mit MS zu tun hat, kommt es nicht ohne Grund zu einer Verstopfung der Venen oder Arterien: Es ist der Versuch, den durch äußere Faktoren verursachten Schaden, der zur Verengung der Venen geführt hat, zu reparieren und zu heilen. Wissenschaftler haben 38 verschiedene Schritte identifiziert, zu denen es kommt, wenn sich ursprünglich gesunde Blutgefäße dermaßen verengen. 7Zu diesen äußeren Faktoren zählen beispielsweise:
1.Toxine wie Schwermetalle, Pestizide und Lösungsmittel 8
2.Unterschwellige chronische Infektionen wie Chlamydien (Bakterien) und das Eptstein-Barr-Virus 9
3.Unterversorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen, Antioxidanzien und essenziellen Fettsäuren (Mikronährstoffen) 10
4.Nahrungsmittelallergien und- empfindlichkeiten 11
5.Hormonschwankungen 12
6.Schlafstörungen 13
Kann man – dieses Wissen vorausgesetzt – dann wirklich noch sagen, die einzige Behandlungsmöglichkeit zur Weitung verengter Blutgefäße sei eine Angioplastie oder andere operative Maßnahmen? Es sind alles dieselben Faktoren, die zu einer Funktionsstörung in den Mitochondrien führen und die man beeinflussen kann, wenn man die Umweltbedingungen verändert: Ernährung, Entgiftung, Bewegung, Meiden von Allergenen – all diesen Faktoren wird im Wahls-Programm ohne Medikamente und ohne operative Eingriffe Rechnung getragen.
Warum sollte man besagte Arterien mit einer Ballonangioplastie oder einem Bypass behandeln, wenn eine veränderte Lebensweise dieselbe Wirkung haben kann, ohne dass man die Risiken einer Operation eingehen muss – insbesondere, wenn diese Maßnahmen oft viele Male wiederholt werden müssen? Warum sollen wir operativ gegen die Müdigkeit vorgehen, wenn ich bei meinen Patientinnen und Patienten beobachte, dass das Erste, was ihnen nach Beginn des Wahls-Programms auffällt, eine Abnahme der Müdigkeit ist? Sie berichten oft, dass es innerhalb von drei Monaten, manchmal auch innerhalb von Wochen oder sogar Tagen dazu kommt.
Jedes Mal, wenn das Blutgefäß mit dem Stent oder Ballon manipuliert wird, kommt es zu mikroskopischen Schäden. Unsere Immunzellen verursachen bei deren Reparatur eine Entzündung, und diese ist in der Lage, das Blutgefäß wieder zu verschließen. Es besteht auch die Möglichkeit einer unabsichtlichen Schädigung des Blutgefäßes, durch einen Riss zum Beispiel, von einem potenziellen Operationsfehler ganz zu schweigen.
Das „Rezept“ der funktionellen Medizin – meine bevorzugte Therapie als Ärztin und Patientin – ist, den Lebensstil umfassend darauf auszurichten, dass die Blutgefäße heilen können und alle Verengungen wieder durchlässig werden, egal ob sie nun eine spezielle „Ursache“ der Multiplen Sklerose sind oder nicht. (Ich halte es für wahrscheinlicher, dass es sich dabei nur um ein weiteres Symptom eines unverhältnismäßigen Angriffs der Immunzellen auf den Körper, in diesem Fall auf die Blutgefäße, handelt.)
Leben ist eine Aneinanderreihung selbstregulierender chemischer Reaktionen. Haben Sie also dafür gesorgt, dass alle chemischen Prozesse in Ihren Zellen optimal ablaufen, wird oft in erstaunlicher Weise ein Selbstheilungsmechanismus in Gang gesetzt, auch wenn Wissenschaftler nicht ganz genau verstehen, was überhaupt schief gelaufen ist. Auch die funktionelle Medizin ist auf der Suche der zugrunde liegenden Ursache, sie richtet ihre Aufmerksamkeit aber nicht so sehr auf Bezeichnungen und Kategorisierungen, da das zu einer Verengung des Blickes auf die tatsächlich ablaufenden Vorgänge führen kann.
Was bedeutet das für Sie?
Je weiter die Wissenschaft fortschreitet und je mehr die Wissenschaftler chronische Krankheiten auf der zellulären Ebene von biochemischen Prozessen betrachten, desto häufiger stellen sie fest, dass es Gemeinsamkeiten zwischen chronischen Erkrankungen gibt, insbesondere den „roten Faden“, der sich durch das ganze Spektrum der Autoimmunerkrankungen zieht. Welche Erkrankung man sich auch immer anschaut, auf zellulärer Ebene wird sichtbar, dass eine mitochondriale Überlastung zur übermäßigen Bildung von freien Radikalen und zu Schäden an den Zellen, den Organen und am Körper führt, wodurch sich die betreffende Erkrankung verschlechtert, und dass unsere Immunzellen zu viele Entzündungsherde schaffen, die den Zellen, den Organen und dem Körper ebenfalls Schaden zufügen. 14
Im Studium wurde mir beigebracht, Diagnosen auf der Grundlage der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und der Laborergebnisse zu stellen. Ich habe gelernt, viele Krankheiten zu unterscheiden, die von Wissenschaftlern, die sich mit Zellbiologie und Biochemie beschäftigen, jetzt als unterschiedliche Manifestationen ein und derselben Krankheit erkannt werden. Ausgedehnte Entzündungsherde sind zum Beispiel ein Faktor bei vielen, wenn nicht allen psychiatrischen Störungen. 15Ausgedehnte Entzündungsherde sind auch ein Faktor bei Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Schlaganfällen und Krebs. 16Unzureichende Mengen von Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidanzien im Blut erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch vorzeitig einer der zehn Hauptursachen von Tod und Invalidität zum Opfer fällt. 17Ein relativ niedriger Vitaminspiegel erhöht das Risiko, an Krebs zu erkranken, schnell zu altern und mehrere Stadien chronischer Erkrankungen zu durchlaufen, weil Hunderte von Schritten in unseren biologischen Abläufen gestört werden. 18Bluthochdruck, Arteriosklerose und Herzkrankheiten spiegeln alle das Bild von überlasteten Mitochondrien, zu vielen Entzündungsherden und Immunzellen, die die Blutgefäße angreifen – und nun vermuten viele Wissenschaftler, dass all diese Erkrankungen eine autoimmune Komponente haben. 19
Außerdem wurden genau diese Probleme sowie eine Überfrachtung mit Toxinen bei Adipositas, metabolischem Syndrom, polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS, eine tendenziell steigende Ursache für die weibliche Unfruchtbarkeit), Hirsutismus (übermäßige Gesichtsbehaarung bei Frauen), erektiler Dysfunktion, Schlafapnoe und Leberverfettung beobachtet. 20Man könnte gar den Verdacht haben, dass es überhaupt keine individuellen Krankheiten gibt! Ich wiederhole: Wir leiden alle an derselben chronischen Krankheit – nämlich defekten biochemischen Prozessen und einer aus dem Lot geratenen Kommunikation zwischen unseren Zellen. All das wiederum führt zur Bildung von zu vielen Entzündungsherden und zur Überlastung der Mitochondrien, hauptsächlich infolge unserer Lebensweise.
Aus diesem Bild erschließt sich mir eine sehr einfache Botschaft: Sie haben Ihre Gesundheit und Vitalität selbst in der Hand. Sie müssen nicht Medizin studiert haben, um feststellen zu können, dass es an der Zeit ist, in Ihrem Körper auf zellulärer Ebene Veränderungen vorzunehmen. Ganz egal, welche Einzelheiten wir aus dem Bild herausarbeiten, wenn wir versuchen eine Krankheit zu diagnostizieren und sie von einer anderen abzugrenzen, wahr bleibt, wie schon erwähnt, dass die Funktionsstörung auf der mitochondrialen und zellulären Ebene mit fehlerhaft ablaufenden biochemischen Prozessen beginnt. Wenn wir sie hier stoppen, kann der Körper genesen. Wenn wir darüber hinaus noch sicherstellen, dass die Zellen alle benötigten Bausteine bekommen, werden sie bei ihrer Arbeit weniger Fehler machen. Denn unsere Zellen sind ein komplexes Netz selbstregulierender chemischer Reaktionen. Wenn wir uns so ernähren und so leben, wie es unserer DNS entspricht, werden unsere Zellen den Körper zu einem gesunden Ganzen zusammensetzen. Tun wir das nicht und enthalten wir unseren Zellen die benötigten Bausteine vor, sind Probleme vorprogrammiert. Wir leben, weil unsere Zellen zur Selbstkorrektur fähige chemische Fabriken sind. Ihre Aufgabe ist es, Ihren Zellen diese Arbeit zu erleichtern – und nicht sie zu behindern.
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