bb)Fragerecht des Arbeitnehmers
95
Zulässig sind Fragen, die mit dem angestrebten Arbeitsplatz im Zusammenhang stehen und für die auszuübende Tätigkeit von Bedeutung sind. Das vorvertragliche Anbahnungsverhältnis (auf Basis von § 311 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB) gibt dem Arbeitgeber ein Fragerecht und bürdet dem Bewerber eine Offenbarungspflicht auf. Das Tarifrecht der TVöD enthält hierzu keine Regelungen.
96
Im Hinblick auf das Fragerecht gilt, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, Fragen zu stellen, die im Zusammenhang mit dem angestrebten Arbeitsplatz stehen und für die Ausübung der Tätigkeit von Bedeutung sind. Dabei müssen die Fragen auch zulässig sein.
97
Zulässige Fragen:
Zulässig sind Fragen an deren wahrheitsgemäßer Beantwortung ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse besteht, sodass dieses Interesse das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG geschützte informationelle Selbstbestimmungsrecht des Bewerbers überwiegt.
98
Unzulässige Fragen:
Frage nach bestehender oder geplanter Schwangerschaft,
Fragen nach der Familienplanung (auch versteckt in allgemeinen Fragen nach dem Familienstand),
Fragen nach sexueller Orientierung,
Fragen nach Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit, nach Religionszugehörigkeit.
99
Bedingt zulässige Fragen:
Um solche Fragen handelt es sich, wenn die zu besetzende Stelle und die zu leistende Arbeit es erforderlich machen, dass der Arbeitgeber von weiteren Umständen Kenntnis hat:
Fragen nach Vorstrafen (nur zulässig, wenn für die Tätigkeit von Bedeutung – Fragen nach Sexualdelikten bei Erziehern, Fragen nach Vermögensstraftaten bei Tätigkeiten, die den Umgang mit öffentlichen Geldern haben).Dabei ist aber zu beachten, dass bei Verurteilungen, die im Bundeszentralregister getilgt sind, ein Stellenbewerber auf die pauschale Frage nach dem Vorliegen von Vorstrafen auch dann nicht wahrheitsgemäß antworten muss, wenn er sich um eine Stelle im Justizvollzugsdienst bewirbt.[34]
Im öffentlichen Dienst wird regelmäßig die Vorlage eines amtlichen Führungszeugnisses verlangt.
Fragen nach Erkrankungen (zulässig, wenn für die Ausübung der Tätigkeit von Bedeutung, bspw. Frage nach ansteckenden Krankheiten).
Nach § 3 Abs. 4 TVöD ist der Arbeitgeber berechtigt, eine ärztliche Einstellungsuntersuchung zu verlangen, um zu ermitteln, ob der Bewerber physisch wie auch psychisch den Anforderungen der zu besetzenden Stelle gewachsen ist.
Fragen nach Schwerbehinderteneigenschaft (zulässig, wenn es darum geht, Hindernisse für die Tätigkeit zu beseitigen; zulässig, wenn es um generelle Eignung für eine bestimmte Tätigkeit geht, die durch den gesundheitlichen Zustand ausgeschlossen sein könnte – in solchen Fällen kann schon von einer Offenbarungspflicht ausgegangen werden).
100
Der Bewerber ist verpflichtet zulässige Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Tut er dies nicht, so besteht die Möglichkeit der Anfechtung des Arbeitsvertragesdurch den Arbeitgeber wegen arglistiger Täuschungnach § 123 BGB (s. dazu unten II 2 b Rechtsmängel des Arbeitsvertrages).
101
Über das Fragerecht hinausgehend besteht in bestimmten Fällen auch eine Offenbarungspflicht des Bewerbers. Dies bezieht sich auf diejenigen Umstände, über die der Arbeitgeber zwingend Kenntnis haben muss, weil sie die generelle Eignung des Bewerbers, die vorgesehene Tätigkeit wahrzunehmen, betreffen. Hier ist der Bewerber von sich aus verpflichtet, den Arbeitgeber zu informieren.
102
Verschweigt ein Bewerber solche Umstände, so kann darin eine arglistige Täuschung durch Verschweigen liegen, die ebenfalls zur Anfechtung nach § 123 BGB berechtigt (s. dazu unten II 2 b Rechtsmängel des Arbeitsvertrages).
dd)Konkrete Entscheidung und Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers
103
Bei der Anwendung des Art. 33 Abs. 2 GG steht dem öffentlichen Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraumzu, der nur beschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Überprüft wird die Entscheidung darauf, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten wurden. Diesbezüglich hat der Bewerber im öffentlichen Dienst einen Bewerbungsverfahrensanspruch.
104
Bewerbungsverfahrensanspruch: Der Bewerber hat einen Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfreie Entscheidung über seine Bewerbung. Bei einem Verstoß gegen diese Vorgaben kann der zu Unrecht übergangene Bewerber verlangen, dass über seine Bewerbung neu entschieden wird. Diesen Bewerbungsverfahrensanspruch kann der unterlegene Bewerber im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage durchsetzen.[35]
105
Zu beachten ist zudem, dass sobald die Entscheidung für einen bestimmten Bewerber getroffen wurde, das personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsverfahreneinzuleiten ist. Nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG hat der Personalrat bei der Einstellung von Arbeitnehmern mitzubestimmen.
Rechtsfolge mangelhafter Mitbestimmung (das gilt etwa für den Fall, dass ein Mitbestimmungsverfahren aus Bequemlichkeit nicht eingeleitet wurde) ist grds. die Unwirksamkeit dieser Maßnahme. Dies wird auf § 69 Abs. 1 BPersVG zurückgeführt. Da aber im Kontext der Einstellung auf diese Weise der Arbeitnehmer allein die aus dem Fehlverhalten des Arbeitgebers folgende Nachteile zu tragen hätte, bleibt nach der Rechtsprechung des BAG[36] der Arbeitsvertrag voll wirksam. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer jedoch nicht beschäftigen, solange die Zustimmung des Personalrates nicht vorliegt.
5.Benachteiligungsverbote
106
Aus den obigen Ausführungen im Hinblick auf die Anbahnung des Arbeitsverhältnisses wurde bereits deutlich, dass die Frage nach möglichen Benachteiligungen, Diskriminierungen nicht nur aber insbesondere auch im öffentlichen Dienst von besonderer Bedeutung ist.
107
Besondere Bedeutung hierfür hat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches die Verhinderung von Benachteiligungen und Diskriminierungen zum Inhalt hat.
108
Wegen der besonders starken Bindung des öffentlichen Dienstes an die Regelungen des AGG sind die zusätzlichen Verpflichtungen der (öffentlichen) Arbeitgeber, die sich aus diesem Gesetz ergeben, genauer zu beleuchten. Die Grundzüge des Antidiskriminierungsrechts sind dabei sowohl im Studium aber ganz besonders auch in der Praxis von großer Bedeutung, so bspw. in der täglichen Praxis der Personalarbeit. Zu beachten sind sie dabei sowohl im Kontext der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses, bei Vertragsabschluss als auch im Rahmen der Durchführung des Arbeitsverhältnisses und deren Beendigung.
b)Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
109
Diskriminierung ist eine alle Gesellschaftssysteme mehr und minder begleitende Erscheinung, die umfassend den gesamten Lebens- und Schicksalsbereich der Menschen im Verhältnis zueinander bestimmen kann.
Im Kontext der Ausführungen sind die Begriffe Diskriminierung und Benachteiligung deckungsgleich. Das AGG verwendet anstelle des Begriffs der Diskriminierung den der Benachteiligung. Unterschiede ergeben sich dadurch für die Praxis nicht.
110
Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Teils sind sie rein emotionalen Ursprungs, teils liegen sie im jeweiligen Rechtssystem begründet. Mitunter ist beides hierfür verantwortlich. In den modernen entwickelten Gesellschaften/Staaten besteht durchweg Klarheit, dass es für Diskriminierung keinerlei rational einsichtige Gründe gibt.
Читать дальше