a) Besteuerung der „steuerjuristischen Person“
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Das Bundessteuergesetzbuch (BStGB) unterwirft natürliche Personen und sogenannte steuerjuristische Personen der Einkommensteuer, § 42 BStGB.[47] Steuerjuristische Personen sind alle wirtschaftlich selbständige Organismen, an denen mehrere Personen beteiligt sind, § 12 BStGB. Damit unterfallen sowohl Personen- als auch Kapitalgesellschaften dem Topos steuerjuristische Person. Die Gewinne einer steuerjuristischen Person werden – unabhängig von einer Entnahme bzw. Ausschüttung – abschließend bei ihr besteuert. Vermögenstransfers an den Anteilseigner, also Entnahmen bzw. Gewinnausschüttungen, sind steuerfrei; Beteiligungsaufwendungen dürfen im Gegenzug nicht abgezogen werden, § 52 BStGB.
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Gewinne einer steuerjuristischen Person können mit Verlusten des Anteilseigners (teilweise) verrechnet werden, § 49 Abs. 2 BStGB. Umgekehrt können Verluste einer steuerjuristischen Person mit den positiven Einkünften des Anteilseigners nur verrechnet werden, wenn der Anteilseigner eine natürliche Person ist und er für die Verbindlichkeiten der steuerjuristischen Person gesellschaftsrechtlich unbeschränkt haftet, § 49 Abs. 3 BStGB.
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Die Veräußerung der Beteiligung an einer steuerjuristischen Person ist steuerbar. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns wird vermutet, dass Veräußerungskosten in Höhe von 90 % des Veräußerungspreises angefallen sind, § 53 Abs. 1 und 2 BStGB. Veräußerungsverluste können nur mit Veräußerungsgewinnen desselben Kalenderjahres ausgeglichen werden, § 53 Abs. 3 BStGB. Diese Regelungen gelten für die Veräußerung eines Einzelunternehmens entsprechend, § 53 Abs. 4 BStGB.
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Sowohl für die Gewinne der steuerjuristischen Person als auch für das Einkommen natürlicher Personen, zu dem auch die Gewinne eines Einzelunternehmers zählen, gilt ein einheitlicher Steuertarif in Höhe von 25 %. Natürlichen Personen werden Freibeträge gewährt.[48]
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Das Bundessteuergesetzbuch stellt eine rechtsformneutrale Besteuerung von Personen- und Kaitalgesellschaften sicher; lediglich die Einkünfte des Einzelunternehmers unterliegen einem anderen Regime als das Einkommen der steuerjuristischen Personen.[49] Die Umsetzung des Konzepts liegt jedoch in weiter Ferne, da der einheitliche Steuertarif für alle Steuerpflichtigen und die Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen und -entnahmen politisch nicht durchsetzbar erscheint. Zudem engt der zwingende Gleichlauf des Tarifs für natürliche und steuerjuristische Personen den politischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ein, da eine (steuerwettbewerbspolitisch ggf. gewünschte) Senkung des Tarifs für unternehmerische Gewinne mit der Senkung des Steuertarifs für natürliche Personen und damit beträchtlichen Steuermindereinnahmen einhergeht.
b) Allgemeine Unternehmensteuer
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Nach dem Modell einer allgemeinen Unternehmensteuer wird die Körperschaftsteuer zu einer allgemeinen Unternehmensteuer (Unternehmensteuergesetz – UntStG) ausgebaut, indem Personengesellschaften[50] und Einzelunternehmen in ihren Anwendungsbereich einbezogen werden, § 1 UntStG.[51] Für Einzelunternehmer und Personengesellschaften, an denen höchstens fünf (ausschließlich) natürliche Personen beteiligt sind, gilt dies jedoch nur, wenn sie eine Mindestgewinnschwelle von 120.000 € in drei aufeinander folgenden Wirtschaftsjahren überschreiten; es steht ihnen jedoch frei, zur Unternehmensteuer zu optieren, § 3 UntStG (sog. Kleinunternehmerregelung).[52]
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Der Entwurf des Unternehmensteuergesetzes schlägt ausdrücklich keinen bestimmten Steuersatz vor, da es sich hierbei um eine politische Entscheidung handle, § 5 UntStG.
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Eine Verrechnung des Ergebnisses des Unternehmens mit den übrigen Einkünften des (Mit-)Unternehmers bzw. Anteilseigners ist grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Verlustverrechnung ist hingegen möglich, wenn ein Kleinunternehmen nicht zur Unternehmensteuer optiert (§ 3 UntStG) oder wenn ein Beteiligter für Verbindlichkeiten des Unternehmens von einem Dritten persönlich in Anspruch genommen wird und die Leistung des Beteiligten an den Dritten der Abwendung der Insolvenz des Unternehmens dient, § 11 Abs. 4 UntStG. Darüber hinaus können Einzelunternehmer Verluste bis zur Höhe ihrer Einlagen von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abziehen, § 11 Abs. 5 UntStG.
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Entnahmen von Einzelunternehmern oder natürlichen Personen, die an einer Personengesellschaft beteiligt sind, mindern den Gewinn des Unternehmens bis zu einem Betrag von Höhe von 120.000 € je Wirtschaftsjahr, § 8 UntStG (sog. transparente Entnahme). Der entnommene Betrag wird bei der natürlichen Person als Einkommen erfasst.
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Im Übrigen mindern Entnahmen bzw. Ausschüttungen die Bemessungsgrundlage der Unternehmensteuer nicht. Die Vermögenstransfers unterliegen der Besteuerung beim Inhaber bzw. Anteilseigner. Die unternehmensteuerrechtliche Vorbelastung wird durch ein Teileinkünfteverfahren berücksichtigt, sodass die Gesamtsteuerbelastung dem Einkommensteuerspitzensatz entspricht, § 19 Abs. 2 EStG-E. Ist der Beteiligte mit höchstens 10 % am Unternehmen beteiligt, findet eine Abgeltungsteuer Anwendung, §§ 39, 53 EStG-E; eine Option zur Veranlagung und dem Teileinkünfteverfahren ist möglich.
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Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an unternehmensteuerpflichtigen Unternehmen unterliegen der Einkommensteuer, § 20 Abs. 2 EStG-E. Auch insofern ist eine (nicht bezifferte) teilweise Steuerfreistellung vorgesehen, § 20 Abs. 4 EStG-E.[53]
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Das von der Stiftung Marktwirtschaft vorgeschlagene Konzept führt – mit Abstrichen wegen der Kleinunternehmerregelung und der sog. transparenten Entnahme – zu einer weitgehenden Rechtsformneutralität der Besteuerung. Im Vergleich zum (revolutionären) Modell des Bundessteuergesetzbuchs fügt es sich besser in das bestehende Ertragsteuerrecht ein. Die Abkopplung des Unternehmensteuertarifs vom Einkommensteuertarif ermöglicht es dem Gesetzgeber, flexibel im internationalen Steuerwettbewerb (bzw. Steuersatzwettbewerb) zu agieren. Gleichwohl hat der Vorschlag nur geringe Aussichten auf Umsetzung, was nicht zuletzt an der vorgeschlagenen Reform der Kommunalfinanzen liegt.[54]
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Der Gegenentwurf zum Konzept der allgemeinen Unternehmensteuer ist die sog. Teilhabersteuer.[55] Nach diesem Modell werden sämtliche Unternehmensgewinne den Anteilseignern zugerechnet und bei ihnen der (progressiven) Einkommensteuer unterworfen. Das de lege lata für Personenunternehmen geltende Transparenzprinzip wird zur allgemeinen Regel der Unternehmensbesteuerung. Das Modell führt zu einer rechtsformunabhängigen Besteuerung und macht die Körperschaftsteuer obsolet.
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Es bestehen gewichtige rechtliche Bedenken gegen eine Teilhabersteuer. Die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft werden besteuert, obwohl ihnen (noch) kein Gewinn zugeflossen ist. Wenn sie Minderheitsgesellschafter sind, können sie eine Gewinnausschüttung regelmäßig nicht durchsetzen, sodass es zu einer Besteuerung ohne einen Zuwachs an (realisierter) wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit kommt.[56] Außerdem bestehen erhebliche praktische Schwierigkeiten der Ergebniszurechnung bei Kapitalgesellschaften, deren Anteile frei veräußerlich sind; das gilt insbesondere für börsennotierte Aktiengesellschaften.[57]
3. Aktuelle Reformüberlegungen
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Unter dem Eindruck jüngster Steuersatzsenkungen zahlreicher europäischer Staaten[58] und der US-Steuerreform im Jahr 2018[59] sind unternehmensteuerliche Reformvorschläge jüngst wieder auf der politischen Tagesordnung gelandet.[60]
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So wird unter Rückgriff auf legislative Vorarbeiten,[61] erstmalig für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2021 beginnen, Personengesellschaften eine Option zur Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz eingeräumt. Ein solches Optionsrecht kann ein taugliches Mittel sein, um größere Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung zu erreichen. Bei der gesetzlichen Ausgestaltung müssen jedoch zahlreiche Aspekte bedacht werden. Zu nennen sind hier nur die Fragen, ob und wie lange die Personenunternehmen an die Ausübung ihres Optionsrechts gebunden sind, ob die Option eines Personenunternehmens einen einstimmigen Beschluss der Gesellschafter voraussetzt, wie der Übergang vom Transparenz- zum Trennungsprinzip steuerlich gewürdigt wird, wie das Sonderbetriebsvermögen behandelt wird und wie die Personenunternehmen erbschaftsteuerlich eingeordnet werden (Einzelheiten siehe Rn. 911 ff.).[62]
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