[44]
Vgl. Despeux ZStW 112 (2000), 22.
[45]
Dazu Kanrei Matsuyama University Law Review 2003, 85; Yamanaka AIDS-Skandal; Takayama Produktgefahren, S. 76 f.
[46]
Vgl. dazu Samson StV 1991, 182; Hassemer Produktverantwortung; Schwartz Produkthaftung, S. 154 ff., Hamm in: FS Schiller, S. 270 ff. („Modestrafrecht“), einerseits; Schmid in: FS Keller, S. 647 ff.; Vogel GA 1990, 241; Hilgendorf Produzentenhaftung; Kuhlen JZ 1994, 142; Hoyer GA 1996, 160; Vogel in: FS Lorenz, S. 77 ff.; Colussi Produzentenkriminalität, S. 80 ff.; Bloy in: FS Maiwald, S. 35 ff.; Gimbernat Ordeig Beiträge, S. 203 ff., andererseits.
[47]
Gless/Janal JR 2016, 561 (562 ff.); v. Bodungen/Hoffmann NZV 2016, 449 ff., 503 ff.; Valerius Sorgfaltspflichten, S. 11; Hilgendorf Dilemma, S. 164; Schuster DAR 2019, 6 ff.; Sandherr NZV 2019, 1 (3 ff.); Steinert SVR 2019, 5 ff.
[48]
Schirmer JZ 2016, 660. Grundlegend zur zivilrechtlichen Produkthaftung für autonome Systeme Wagner AcP 217 (2017), 707 ff.
2. Teil Verbraucherschutz› 1. Kapitel Strafrechtliche Produkthaftung› C. Einzelfragen der strafrechtlichen Produkthaftung
C. Einzelfragen der strafrechtlichen Produkthaftung
I. Die wichtigsten Tatbestände einer strafrechtlichen Produkthaftung
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Strafrechtlich interessiert das Inverkehrbringen von Produkten vor allem wegen der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben.[1] Nebenstrafrechtliche Tatbestände erfassen ein pflichtwidriges Inverkehrbringen bestimmter Gegenständeschon dann, wenn es lediglich mit (abstrakten) Gefahrenfür diese Rechtsgüter verbunden ist.[2] Mit dem (1998 an die Stelle von §§ 319, 320 StGB a.F. getretenen) Tatbestand der gemeingefährlichen Vergiftung (§ 314 StGB) enthält auch das StGB einen abstrakten Gefährdungstatbestand mit einem spezifischen Bezug zur Produkthaftung.[3] Wegen seiner wenig zufriedenstellenden Fassung wird verschiedentlich die Einführung eines allgemeiner gefassten abstrakten Gefährdungstatbestandes gefordert, der das Inverkehrbringen (oder -belassen) gefährlicher Produkte unter Strafe stellt.[4] Im Zentrum des Interesses an strafrechtlicher Produkthaftung stehen jedoch die Verletzungsdelikte der vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Tötung(§§ 212, 222 StGB) und Körperverletzung(§§ 223, 229 StGB). In besonders krassen Fällen ist auch eine Anwendung von § 211 StGB, etwa wegen vorsätzlicher Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln, denkbar. Diese Tatbestände haben einen gemeinsamen Kern. Er besteht nach heute dominierender Auffassung darin, dass der tatbestandsmäßige Erfolg (Tod oder Körperverletzung) durch ein unerlaubt gefährliches Verhalten objektiv zurechenbar verursacht wurde.
II. Überblick über die wichtigsten Strafbarkeitsvoraussetzungen der strafrechtlichen Produkthaftung
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Im Einzelnen setzt eine strafrechtliche Produkthaftung wegen Körperverletzung oder Tötungdemgemäß Folgendes voraus:
– |
Ein Verhalten einer natürlichen Person, das entweder in einem aktiven Tunoder in einem Unterlassenbestehen kann. Eine durch Unterlassen begangene Tötung oder Körperverletzung erfordert gem. § 13 Abs. 1 StGB, dass derjenige, der ein ihm mögliches Tun unterlassen hat, rechtlich dafür einzustehen hatte, dass es nicht zu einer Tötung oder Körperverletzung kam (Erfordernis der Garantenstellung). Die zusätzliche Voraussetzung, die § 13 Abs. 1 StGB nennt (das Unterlassen muss der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen), spielt dagegen bei den reinen Erfolgsdelikten der §§ 212, 222, 223, 229 StGB keine Rolle.[5] |
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Die grundsätzlich unerlaubte Gefährlichkeit oder Pflichtwidrigkeit des Verhaltens. Sie muss im Zeitpunkt des Verhaltens gegeben sein, ist also ex ante zu bestimmen. Dogmatisch ist diese Strafbarkeitsvoraussetzung vielfach strittig.[6] Hier wird sie als gemeinsame Voraussetzung des tatbestandsmäßigen Verhaltens beim Vorsatz- und beim Fahrlässigkeitsdelikt aufgefasst. Die (im Ergebnis sehr bedeutsame) Konkretisierung der rechtlich missbilligten Gefahrschaffung für den Bereich der strafrechtlichen Produkthaftung wird durch diese dogmatische Einordnung nicht präjudiziert. |
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Die Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolgesdurch das Verhalten. Die Kausalität zwischen aktivem Tun und Erfolg ermittelt die Rechtsprechung traditionsgemäß nach der conditio sine qua non-Formel. Hiernach ist ein Tun kausal für einen Erfolg, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass auch der Erfolg entfiele.[7] Ein Unterlassen wird dementsprechend dann als quasi-kausal betrachtet, wenn die unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.[8] |
– |
Die objektive Zurechenbarkeit der Erfolgsverursachung.[9] Im Erfolg muss sich demgemäß das spezifische Risiko des Verhaltens realisiert haben.[10] Zusätzlich muss beim aktiven Tun der Erfolgseintritt gerade auf der Pflichtwidrigkeit des Handelns beruhen.[11] |
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Beim Vorsatzdeliktmuss zu den genannten Haftungsvoraussetzungen die vorsätzliche Tatbegehung, d.h. im Bereich der Produkthaftung i.d.R. ein Handeln mit dolus eventualis, hinzutreten. Weiterhin muss das Verhalten rechtswidrig und schuldhaft erfolgen.
In der Folge werden, unter besonderer Berücksichtigung der grundlegenden Lederspray-Entscheidung des BGH[12], die wichtigsten produkthaftungsspezifischen Besonderheitendargestellt, die sich bei der Feststellung der genannten Voraussetzungen einer Strafhaftung aus Tötungs- und Körperverletzungsdelikten ergeben.
III. Die unternehmensbezogene Betrachtungsweise
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Ist der Hersteller eines Produkts eine natürliche Person, so kann er selbst sich strafbar machen. Regelmäßig wird aber der Produktherstellerein Unternehmensein. Dann kommt eine strafrechtliche Produkthaftung nur für die einzelnen Unternehmensmitarbeiterin Frage. Es stellt sich dann das Problem, wie die Stellung des Einzelnen in der Organisation strafrechtlich zu berücksichtigen ist. In der neueren Judikatur des BGH zur strafrechtlichen Produkthaftung[13] hat sich insofern eine zweistufige Betrachtungsweise herausgebildet, die hier als unternehmensbezogene Betrachtungsweise bezeichnet wird.[14]
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Sie ist dadurch charakterisiert, dass die strafrechtliche Beurteilungder einzelnen Haftungsvoraussetzungen in zwei Schrittenerfolgt. Der erste bezieht sich auf das Unternehmen selbst. Hierbei geht es darum, ob das Verhalten des Herstellerunternehmens ein Tun oder ein Unterlassen darstellt, pflichtwidrig erfolgte, die Verletzung von Personen verursachte etc. Im zweiten Schritt, wo der Hersteller keine natürliche Person ist, wird das Verhalten des einzelnen Mitarbeiters beurteilt. Ihm wird dabei das für das Unternehmen erzielte Ergebnis zugerechnet, soweit das mit seiner Stellung in der Organisation und ihrer differenzierten Verantwortungsstruktur verträglich ist. Das führt dazu, dass das Strafrecht vor allem die verantwortlichen Entscheidungsträger und allenfalls in zweiter Linie diejenigen ins Auge fasst, die als untergeordnete Mitglieder des Unternehmens tätig werden.[15] Diese unternehmensbezogene Betrachtungsweise liegt auch der folgenden Darstellung einzelner Strafbarkeitsvoraussetzungen zugrunde. Sie wird dabei konkretisiert und verdeutlicht werden.
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