10
Zu beachten ist schließlich, dass die genannten Vorgaben des Art. 2 Abs. 1 Rb 2003/568/JI – wenn und soweit man sie überhaupt für verbindlich hält – nicht nur den Gesetzgeber binden, sondern Gerichte und Staatsanwaltschaften ggf. schon heute verpflichtet sind, § 299 StGB rahmenbeschlusskonformauszulegen.[66]
[1]
Zur Frage, inwieweit auch die Amtsträgerkorruption dem Bereich der Wirtschaftskriminalität zuzuweisen ist, vgl. Schönherr Vorteilsgewährung und Bestechung als Wirtschaftsstraftaten, S. 62 ff., 89 ff. Der strafrechtliche Schutz vor unlauterer Einflussnahme wird komplettiert durch die §§ 108b und 108e StGB (Wählerbestechung bzw. Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern [zur Neuregelung Willems CCZ 2015, 29 ff.; T. Zimmermann Unrecht der Korruption, S. 601 ff. und monographisch Busch Ist die strafwürdige Beeinflussung und Beeinflussbarkeit vom Bundestagsabgeordneten durch § 108e StGB hinreichend geregelt?, Diss. iur. Hamburg 2016 sowie Peters Korruption in Volksvertretungen, Diss. iur. München 2016]), § 48 WStG (Vorteilsannahme und Bestechlichkeit durch Offiziere, Unteroffiziere und teilw. Mannschaften) sowie § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, der die aktive Vorteilsgewährung an Betriebsratsmitglieder mit Strafe bedroht (zu diesem Tatbestand im Überblick Schemmel/Slowinski BB 2009, 830 ff.). Einschlägige Ordnungswidrigkeitentatbestände finden sich etwa in § 152 GenG und § 23 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SchVerschrG.
[2]
Vgl. zu den Folgen zunehmender Privatisierung öffentlicher Aufgaben für das Strafrecht Bernsmann StV 2005, 685 ff. m.w.N.; weiterhin S. Bauer HRRS 2011, 410 ff. (zur Amtsträgereigenschaft von PPP-Mitarbeitern); zu Begriff und Modellen der „PPP“ s. Noltensmeier Public Private Partnership, S. 22 ff.; auch dies. StV 2006, 132 f. und Saliger in: FS Puppe, 2011, S. 933, 934 ff. m.w.N. Ausführlich zur rechtspraktischen Seite der „PPP“ Meyer-Hofmann Public Private Partnership – Gestaltung von Leistungsbeschreibung, Finanzierung, Ausschreibung und Verträgen in der Praxis, 2. Aufl. 2008; Weber/Schäfer/Hausmann Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006. Zur Bestechung durch „Public Fundraising“ Schlösser StV 2011, 300 ff.
[3]
Eine kriminologische Analyse typischer Tatsituationen und Korruptionstechniken liefert Androulakis Kriminalistik 2011, 685 ff.; mit Blick auf die Bestechung ausländischer Amtsträger durch Mitarbeiter deutscher Unternehmen auch Hoven Auslandsbestechung, S. 145 ff.; wesentliche Eigenschaften der Korruption arbeitet heraus T. Zimmermann Unrecht der Korruption, S. 77 ff.; zur „Situational Action Theory“ Kammigen/Linssen MSchrKrim 2012, 331 ff. Einen kurzen Spaziergang durch die Geschichte der Korruption unternimmt Reinhart in: FS I. Roxin, 2012, S. 69, 72 ff.
[4]
Vgl. etwa Augsburger Allgemeine v. 27.3.2013: „Media Markt: Strafen wegen Korruption“, abrufbar unter http://t1p.de/tga5; Handelsblatt online v. 17.6.2014: „Bestechungsskandal in Japan: Wieder Korruptionsvorwürfe gegen Deutsche Bank“, abrufbar unter http://t1p.de/j8lz; SPIEGEL online v. 27.5.2014: „Berliner Pannenflughafen: BER-Technikchef unter Korruptionsverdacht“, abrufbar unter http://t1p.de/unazund auch Der Tagesspiegel v. 26.10.2014 „Korruptionsverdacht am BER Berlin“, abrufbar unter http://t1p.de/vmhumboldt. Eine chronique scandaleuse historischer deutscher Bestechungsfälle (zumeist aus dem Bereich der Amtsträgerkorruption) präsentiert T. Zimmermann Unrecht der Korruption, S. 69 ff.
[5]
Dazu Rönnau in: Hoven/Kubiciel, S. 11 ff. m.w.N. (am Beispiel des mutmaßlichen Stimmenkaufs bei der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft durch DFB-Verantwortliche).
[6]
Vgl. Koepsel Bestechlichkeit, S. 45 f., 113 f. m.w.N.; Sahan in: FS Samson, 2010, S. 599, 600; Maurer Bestechung, S. 15; Raeschke-Kessler/Gottwald in: FS Lüer, 2008, S. 39, 43; Bülte in: Korruption und Strafrecht, 2018, S. 1, 2 f.; Hellmann AL 2014, 16, 18.; Seifert Versicherungsmakler, S. 35: „Besonders anfällig für Gesetzverstöße (ist) in einem Unternehmen der Vertrieb“.
[7]
Zu den zivilrechtlichen Rechtsfolgen von Wirtschaftskorruption umfassend Berg Wirtschaftskorruption, S. 65 ff. und Grützner/Behr in: Momsen/Grützner, Kap. 9 B Rn. 373 ff.; weiterhin Sethe WM 1998, 2309 ff.; auch Acker/Froesch/Kappel BB 2007, 1509 ff.; Kappel/Kienle WM 2007, 1441 ff.; Krejci in: Brünner, S. 529, 549 ff.; Ax/M. Schneider/Scheffen in: Rechtshandbuch Korruption, Kap. III; Raschke-Kessler/Gottwald in: FS Lüer, 2008, S. 39 ff. (insb. Einsatz von Schiedsgerichtsverfahren); zu Schmiergeldzahlungen im internationalen Wirtschaftsverkehr ausführlich Piehl Bestechungsgelder, S. 15 ff.; auch Maurer Bestechung, S. 89 ff.
[8]
Gesetz v. 13.8.1997 (BGBl. I, 2038); in Kraft seit dem 20.8.1997.
[9]
Vgl. BT-Drucks. 13/5884, S. 15; Krick in: MK-StGB § 299 Rn. 1; Tiedemann in: LK, § 299 „Entstehungsgeschichte“, zweiter Absatz.
[10]
Gesetz v. 20.11.2015 (BGBl. I, 2025); in Kraft seit dem 26.11.2015.
[11]
Eingeführt durch die Änderung des UWG im Jahr 1909 (RGBl., 499) und neu gefasst durch das EGStGB v. 2.3.1974 (BGBl. I, 469, 574); vgl. zur Entstehungsgeschichte der Norm Sievers Bestechung, S. 7 ff., Pfeiffer in: FS v. Gamm, 1990, S. 129 f. und Wassermann GRUR 1931, 549 f.
[12]
BT-Drucks. 13/5584, S. 15; vgl. auch Tiedemann in: LK, § 299 „Entstehungsgeschichte“, zweiter Absatz; Dannecker in: NK-StGB, § 299 Rn. 2.
[13]
BT-Drucks. 13/5584, S. 15; BR-Drucks. 553/96, S. 32. Kritisch zur Übernahme der Strafbestimmung in das StGB etwa Dölling Gutachten 61. DJT, C 85 und König JR 1997, 397, 401; s. auch die entsprechenden Einwände des Bundesrates (BT-Drucks. 13/6424, S. 7).
[14]
Gesetz zur Ausführung (. . .) der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor v. 22.12.1998 (. . .) v. 22.8.2002 (BGBl. I, 3387); in Kraft seit dem 30.8.2002.
[15]
Eine „Kronzeugenregelung“ sowie die Einführung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte (vgl. BT-Drucks. 13/6424, Anl. 2, S. 8 und 9 f.), konnte sich zunächst nicht durchsetzen (zu Vor- und Nachteilen einer Kronzeugenregelung in diesem Kontext Tron Kassenärzte, S. 53 ff.). Seit 2007 ist unter den Voraussetzungen des § 300 S. 2 StGB bei Verdacht einer Straftat gem. § 299 StGB allerdings eine Telefonüberwachung möglich, vgl. § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. r) (jetzt lit. s)) StPO (eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung (…) v. 9.11.2007, BGBl. I, 3198). Abgelehnt wurde auch die Ausgestaltung zum Offizialdelikt (s. BT-Drucks. 13/6424, Anl. 3, S. 13). Andersdagegen im Disziplinarrecht; dort wurde in § 11a BDO a.F. (jetzt [mit geringen Abweichungen] § 80 BDO) und § 58a WDO a.F. (jetzt leicht modifiziert § 110 WDO) eine Kronzeugenregelung aufgenommen (vgl. Art. 11 und 13 des KorrBekG 1997).
[16]
S. BR-Drucks. 548/07 (v. 10.8.2007) und BT-Drucks. 16/6558 (v. 4.10.2007).
[17]
Dazu Rönnau StV 2009, 302 f. und näher die 3. Aufl. Rn. 77 f.
[18]
Der Regierungsentwurf ist online abrufbar unter https://tinyurl.com/y9nxe9xk.
[19]
S. nur Kubiciel ZIS 2014, 667 f.; Dannecker/Schröder ZRP 2015, 48; Schröder-Frerkes in: FS Wessing, 2015, S. 295, 302. Als „Herzstück“ des „Herzstücks“ gilt dann wiederum die Einführung des sog. „Geschäftsherrenmodells“, vgl. nur Grützner ZIP 2016, 253, 255.
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