Zusätzlich könnte die Klausel auch an der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB scheitern.
aa) Eröffnung der Inhaltskontrolle
Die Inhaltskontrolle gem. §§ 309, 308, 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB gilt nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Vertreterklausel weicht vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung gem. §§ 630b, 613 S. 1 BGB ab, sodass die Inhaltskontrolle eröffnet ist.
bb) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB
Es könnte das Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit des § 309 Nr. 10 BGB einschlägig sein. Danach ist eine Bestimmung, wonach bei Kauf-, Darlehens-, Dienst- oder Werkverträgen ein Dritter anstelle des Verwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte oder Pflichten eintritt oder eintreten kann grundsätzlich unwirksam. Die Bestimmung ist auf den Behandlungsvertrag als besonders normierte Form des Dienstvertrages zwar anwendbar, jedoch enthält die Vertreterklausel hier keinen Wechsel des Vertragspartners. Modifiziert werden soll ausschließlich das Recht des Vertragspartners, die Leistung auch durch einen anderen erbringen zu lassen. In jedem Fall bleibt aber C Vertragspartner der P.
cc) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB
Weiterhin könnte die Klausel gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sein. Dies ist der Fall, wenn durch die Klausel das Recht des Verwenders vereinbart wird, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.
(1) Generelle Unzulässigkeit einer Vertretung im wahlärztlichen Bereich
Vor diesem Hintergrund könnte die Vereinbarung einer Vertretungsmöglichkeit im wahlärztlichen Bereich generell als unzulässig angesehen werden. Denn Vertragsgegenstand ist gerade die Leistungserbringung durch einen bestimmten vom Patienten ausgewählten Arzt. § 613 S. 1 BGB, der ausweislich § 630b BGB auf den Behandlungsvertrag Anwendung findet, legt weiterhin fest, dass der Verpflichtete im Zweifel in Person zu leisten hat. Dies ist auch und gerade bei der Vereinbarung einer Chefarztbehandlung der Fall.[46] Denn der Patient schließt einen solchen Vertrag gerade im Vertrauen auf die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes. Er hat folglich ein aus Sorge um seine Gesundheit gesteigertes Interesse an der Erbringung der ärztlichen Leistungen durch den Wahlarzt.[47]
Dieser Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung durch den Wahlarzt findet sich auch in der gebührenrechtlichen Vorschrift des § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ wieder, wonach der Arzt Gebühren nur für selbständig erbrachte Leistungen verlangen darf. Auch in § 2 Abs. 3 S. 2 GOÄ ist dieser Grundsatz festgelegt, da die Festlegung einer abweichenden Gebührenhöhe nach § 2 Abs. 1 S. 1 GOÄ bei wahlärztlichen Leistungen nur dann möglich ist, soweit die Leistungen vom Wahlarzt höchstpersönlich erbracht werden. Demzufolge darf der Wahlarzt nachgeordnete und sonstige medizinischen Leistungen delegieren; die prägenden Kernleistungen, insbesondere die geschuldete OP, muss der Wahlarzt allerdings persönlich und eigenhändig erbringen.[48]
Allerdings darf auch der Wahlarzt im Falle einer Verhinderung Kernleistungen auf einen Stellvertreter übertragen. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 2 Abs. 3 S. 2, § 4 Abs. 2 S. 3, § 5 Abs. 5 GOÄ, wonach der Wahlarzt auch Honorar für Leistungen verlangen kann, die ein anderer erbracht hat. Dabei wollte der Verordnungsgeber mit § 4 Abs. 2 S. 3 GOÄ die Vertretungsmöglichkeiten im Übrigen nur für die dort genannten einzelnen Leistungen auf den ständigen ärztlichen Vertreter des Wahlarztes beschränken. In allen anderen Fällen sollte „eine weitergehende Vertretung durch jeden beliebigen Arzt in den Grenzen des Vertragsrechts zulässig sein.“[49]
Eine Vertretungsregelung ist im wahlärztlichen Bereich nicht schon per se unzulässig.
(2) Unzumutbarkeit der durch die konkrete Vertreterklausel bewirkten Änderung der versprochenen Leistung
Schließlich könnte aber die Vereinbarung im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil unzumutbar sein, § 308 Nr. 4 BGB. Nach der betroffenen Klausel soll eine Vertretung „im Verhinderungsfall“ möglich sein. Der Begriff „Verhinderungsfall“ erfasst nach der gemäß § 305c Abs. 2 BGB gebotenen verwenderfeindlichen (und ergo kundenfeindlichen) Auslegung sowohl eine unvorhergesehene Verhinderung, z.B. Krankheit, als auch vorherzusehende Fälle der Verhinderung, z.B. eine urlaubsbedingte Abwesenheit. Im letzteren Fall der geplanten Abwesenheit ist schon bei Terminierung des Operationstermins absehbar, dass der Wahlarzt die OP nicht durchführen können wird. Die Vereinbarung läuft also gewissermaßen von Beginn an leer, da die Erbringung der Leistung (Behandlung durch den Chefarzt) bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung objektiv unmöglich ist. Die Erreichung des Zwecks der Wahlleistungsvereinbarung, nämlich die Sicherung der besonderen Erfahrung und die Inanspruchnahme der herausgehobenen Sachkunde des Wahlarztes, ist von Anfang an unmöglich. Eine Vertreterklausel ist nur dann zulässig, wenn der Eintritt eines Vertreters auf die Fälle beschränkt ist, in denen die Verhinderung des Wahlarztes im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung noch nicht feststeht, weil Verhinderungen wie Urlaub oder Krankheit noch nicht feststehen.[50] Damit ist die Klausel hier schon deswegen unzumutbar, da der Patient nicht damit rechnen muss, dass der Wahlarzt seine Abwesenheit schon eingeplant hat.
Darüber hinaus erfasst die Formulierung „ein Stellvertreter“ bei entsprechender verwenderfeindlicher Auslegung nicht nur ständige Vertreter i.S.v. § 4 Abs. 2 S. 3, § 5 Abs. 5 GOÄ, die eine fachliche sowie persönliche Nähe zum liquidationsberechtigten Wahlarzt aufweisen, beispielsweise Facharzt desselben Gebiets sind, sondern auch jeden anderen Arzt: Eine Stellvertretervereinbarung durch AGB ist aber nur wirksam, wenn darin der ständige Vertreter als Vertreter benannt ist, der dem Wahlarzt, entsprechend den Vorschriften der GOÄ, in Dienststellung und medizinischer Kompetenz in etwa entspricht und aus diesem Grund gebührenrechtlich angenähert ist.[51] Es ist dem Patienten, der sich für eine Wahlleistung entschieden hat, nicht zumutbar, sich dann doch von irgendeinem Arzt behandeln lassen zu müssen. Im Übrigen muss in AGB auch stets ein konkreter Stellvertreter benannt werden. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 5 GOÄ, wonach dem Wahlarzt hinsichtlich der Gebührenhöhe nur der ausdrücklich benannte ständige ärztliche Vertreter gleichsteht. Nach der Rechtsprechung ist dies Ausfluss einer allgemeinen Wertung, die auf die Bewertung der Zumutbarkeit der Klausel nach § 308 Nr. 4 BGB zu übertragen ist.[52] Auch dieser Anforderung genügt die Klausel nicht.
Die Vertretungsklausel eröffnet also eine Behandlung durch irgendeinen Arzt in einer Fülle an Situationen, und dies bei bereits geplanter Abwesenheit des Wahlarztes, was für den Patienten nicht zumutbar ist und folglich gegen § 308 Nr. 4 BGB verstößt.[53]
Im Ergebnis ist die Vertretungsklausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
dd) Generalklausel, § 307 BGB
Überdies könnte die Klausel unwirksam sein, soweit sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Dies ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Fall, wenn die Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Der Zweck der Wahlarztvereinbarung ist die Behandlung durch einen festgelegten Arzt. In dem Fall einer schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststehenden Verhinderung des Wahlarztes und einer auf keine Person konkretisierten Vertretungsregelung wird das Recht des Patienten auf eine gewählte Behandlung stark beeinträchtigt und der Vertragszweck zumindest gefährdet. Damit ist die Klausel (subsidiär) auch gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
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