Der Herr hat ja noch Schrecken genug Euch solchen einzujagen, damit Ihr erkennt, dass Ihr elende sterbliche Menschen seid und der Herr noch Richter auf Erden sei, damit der Mensch, der von Staub ist, nicht mehr so trotze noch auf seine Gewalt poche. Wollt Ihr nun, gleichwie Euer geistlicher Stand (das Lehramt an und für sich selbst und auch die tüchtigen und treuen Haushalter Gottes, die noch darin sein mögen, unbescholten) schon der Leviathan, die krumme Schlange, wurde (denn der mein Brot, als mein Lehrer und Diener, isst, tritt mich mit Füßen, sagt Christus) also auch Ihr der Leviathan, die gerade Schlange, werden. Siehe! So hat der Herr ein großes, schweres und starkes Schwert gewetzt diesen Leviathan heimzusuchen, der nun in seinem geistlichen und weltlichen Stand eine gerade und krumme Schlange geworden ist, und ihm Kopf und Schwanz ab-zuhauen auf einen Tag. Denn was trotzig ist, kann der Herr wie den Pharao zerbrechen und was stolz ist, kann er wie den Nebukadezar demütigen. Denkt Ihr aber, Ihr dürft dieser Zeugnisse und der Kinder Gottes, die Euch zwar in diesem Namen und dieser Gestalt unbekannt und verborgen sind, weil ihr als Kinder der Welt, sie für Narren und Schwärmer haltet, lachen und spotten, ja wohl gar Euren Arm nach ihnen, wie dort Jerobeam als der Prophet wider seinen Altar rief, ausstrecken, so wisset, dass der im Himmel sitzt, auch Eurer lache und spotte und einst in seinem Zorn mit Euch reden und mit seinem Grimm Euch sodann nicht gleiches Gericht wie den Jerobeam treffe, dessen Arm verdorrte. Bedenkt selbst: dass Ihr nun den Frommen, die eines rechten und schlechten Wandels sind, zu gute und zu liebe Regenten seid, dass Ihr Hirten und Pfleger sein sollt aller Eurer Untertanen, und ihnen also Weide, Ruhe und Schutz gönnen und verschaffen, dass ihr Bäume sein sollt, die Schirm und Schatten geben. Wenn Ihr Euch nun selbst zu Dornen und Disteln macht, die nur stechen und beleidigen, wenn ihr Euch selbst zu grimmigen und räuberischen Wölfen und wie Nimrod zu gewaltigen Jägern macht, die nur jagen und plagen und die Leute als Bestien traktieren, was zeigt es anderes an, als dass Feuer und Schwert des Allmächtigen auf Euch warte. Ihr schreibt Euch zwar alle von Gottes Gnaden, aber Eure Werke zeigen an, dass Ihr von Gottes Ungnaden seid, als Herrscher, die eitel Heulen, Klage, Ach und Weh machen. So seht dann um Eures eigenen Heils willen zu, wie Eure Regierungen beschaffen und aus welchem Geist, auch nach welchen Gesetzen sie geführt werden. Vor allem vergreift Euch nicht weiter an dem Herrn und seinen Knechten und Kindern, setzt Euch nicht mit dem Antichrist in den Tempel Gottes und ordnet und handelt in Religions- und Gewissensdingen nicht Eures Gefallens oder nach Gewohnheit, Aufsätzen der Väter und tollen Urteilen der verkehrten falschen Propheten.
Von diesen Materien werdet Ihr nun in folgender kleinen Schrift des Herrn Locke vollkommenen Unterricht finden, bitte Euch also solchen Euch und Eueren Staaten, ja auch der Kirche, Gottes wohl zunutze zu machen. So lasst Euch denn zu-rechtweisen Ihr Könige, lasst Euch züchtigen Ihr Richter und Regenten auf Erden. Küsst den Sohn und huldigt ihm, dass er nicht zürne und Ihr um-kommt auf dem Weg der Ungerechtigkeit, denn sein Zorn wird bald anbrennen, aber wohl allen, die sich so verhalten, dass sie auf ihn trauen können und dürfen. Nun Gott werde bei Euch erhöht, Ihr Hohen der Erde!
Mein Herr!
Auf die von demselben mir vorgelegte Frage, was von der Toleranz oder Erduldung und Vertragung der Christen untereinander zu halten sei, antwortete ich kürzlich, dass mir selbige das vornehmste Kennzeichen der wahren Kirche zu sein scheine. Denn was auch andere immer rühmen mögen von Autorität und Ansehen des Altertums, Namens und Ortes oder von der Zierde und Vortrefflichkeit ihres Gottesdienstes, andere von Reformation und Verbesserung der Kirchenzucht und Ordnung – alle insgesamt aber von dem orthodoxen Glauben, das ist von den rechten und wahren Meinungen (denn ein jeder ist sich selber orthodox und rechtgläubig) – alles dieses und dergleichen mag vielmehr ein Kennzeichen einiger um den Vorzug und die Oberherrschaft streitenden Menschen als der Kirche Christi sein. Weil, wenngleich einer alle dergleichen Dinge wahrhaftig besitzt, dabei aber ohne Liebe ist, ohne Sanftmut, ohne Milde und ohne Gutherzigkeit gegen alle Menschen insgesamt, geschweige solche, die doch den christlichen Glauben eben auch bekennen, so ist er gewiss noch nicht einmal ein Christ. Die weltlichen Könige herrschen usw. ihr aber nicht also, sagt der Heiland, dessen Königreich nicht von dieser Welt ist, zu den Seinigen Lk 22. Hat es also mit der wahren Religion und Kirche eine ganz andere Art und Beschaffenheit, welche nicht zu einem äußerlichen Pomp und Pracht, nicht zu einer kirchlichen Herrschaft und Regierung, endlich gar nicht zur Gewalt leitet und führt, sondern bloß sein Leben recht und gottselig anzustellen und zu führen. Wer ein Streiter Jesu Christi in seiner Kirche sein will, muss zuallererst den Hochmut und die Wollust seiner eigenen Laster bekämpfen. Anders wird er ohne Heiligkeit des Lebens, Ehrbarkeit der Sitten, Güte und Milde des Gemüts, sich des christlichen Namens vergeblich anmaßen. Wenn du erst bekehrt bist, so stärke und bekehre nachher deine Brüder, sagt dort Christus zu Petrus Lk 22. Denn schwerlich wird derjenige, der seine eigene Seligkeit nicht mit Ernst und Eifer wahrnimmt, einen anderen bereden, dass er sich dessen Heil sorgfältigst angelegen sein lasse. Niemand kann mit Wahrheit und aus redlicher Absicht seine Mühe und Kräfte dahin anwenden, andere zu Christen zu machen, der die Religion Christi selbst noch nicht mit seinem Herzen und Gemüt wahrhaftig angenommen noch mit seinem Leben, seinen Werken und seinem Wandel profitiert und bekennt. Da, so wir dem Evangelium und den Aposteln glauben, ohne die Liebe, ohne den Glauben, der durch die Liebe, nicht aber durch Zwang und Gewalt tätig und wirkend ist, niemand ein Christ sein kann. Ob nun diejenigen, die unter Vorwand der Religion andere plagen, peinigen, berauben, verjagen, würgen usw. solches aus einem freundlichen liebreichen Herzen tun? Will ich sie hiermit auf ihr Gewissen gefragt haben, will es auch alsdenn glauben, wenn ich solche Eiferer auf gleiche Art und Manier ihre Freunden und Verwandten, die offenbar wider die Regeln des Evangeliums handeln, werde bestrafen und bessern sehen, und wenn ich wahrnehme, dass sie ihre Religionsgenossen und Anhänger, die in allen Lastern und fleischlichen Wesen stecken, hinfolglich ohne Änderung und Besserung auch ganz gewiss verloren gehen, ebenfalls mit Feuer und Schwert zurechtzubringen suchen, und also auch diesen die Liebe und Begierde zu ihrer Seligkeit mit allerlei Arten der Grausamkeit und Marter beweisen werden. Denn so sie, ihrem Vorgeben nach, aus Liebe und Eifer für der Seelen Wohlfahrt und Erhaltung die zeitliche Glückseligkeit und Güter einem rauben, den Körper mit Gefängnis, Pein und Qual martern, ja gar das Leben nehmen, um gläubig und selig zu machen, warum können sie dann Hurerei, Geiz, Betrug, Schalkheit und andere offenbar heidnischen Laster nach dem Zeugnis des Apostels Röm 2 unter den Ihrigen, ohne dergleichen Strenge und Schärfe zu gebrauchen, allgemein verbreitet sein gehen lassen? Da doch solche und dergleichen Dinge der Ehre Gottes, der Reinigkeit der Kirche und dem ewigen Heil der Seelen mehr schädlich und zuwider sind, als ein Irrtum des Gewissens den kirchlichen Schlüssen und Satzungen zuwiderläuft oder ein Fehler und Mangel im äußeren Gottesdienst, bei welchem sich jedoch eine Unschuld des Lebens und Wandels findet. Warum ist dieser für Gott, für die Kirche, für das Heil der Seelen bis zur lebendigen Verbrennung entbrannte Eifer in Bestrafung und Verbesserung solcher Sünden und Laster, die, wie alle einstimmen, der Prozession und dem Bekenntnis des Christentums gerade entgegen sind, so kalt und erfroren? Und lässt seine Hitze und Kräfte nur daran aus, eine andere subtile Opinion oder Meinung, davon der gemeine Mann nichts versteht, zu widerlegen oder festzusetzen und diese oder jene Zeremonie aufzudringen? Welche unter den beiden widrigen und über solchen Dingen streitenden Parteien richtig liegt und recht habe, welche einer Spaltung oder Ketzerei zu beschuldigen sei, ob die obenliegende oder unterliegende Partei? Das muss alsdenn erst klar werden, wenn die Bewegursache der Absonderung untersucht wird. Denn wer Christus nachfolgt, seine Lehre an- und sein Joch auf sich nimmt, derselbige ist kein Ketzer, obgleich er Vater und Mutter, väterliche Weisen und Satzungen, öffentliche Versammlungen und Haufen dieser oder jener Menschen verlässt.
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