Treffpunkt auch vieler Bremer bei ihren Verabredungen in der Innenstadt ist der Roland. Von hier aus hat man fast alle Sehenswürdigkeiten am historischen Marktplatz im Blick. In welcher Reihenfolge man sie besichtigt, ist jedem Besucher selbst überlassen. Unmittelbar an den Marktplatz schließt der Domshofmit dem St.-Petri-Dom an.
Spaziergang
Symbol für Freiheit und Bürgerrechte
Bremer Roland
Seit nun mehr als 600 Jahren steht er auf dem Bremer Marktplatzunweit des Rathauses- der Bremer Roland. Stolz und gleichzeitig freundlich schaut er in die Welt, dieser aparte junge Rittersmann mit seiner Langhaarfrisur, die im Jahr 1404 ganz offensichtlich modern war. Den Bremern war und ist er geradezu heilig, wobei der Begriff „heilig“ eher in die Irre führt. Der Bremer Roland symbolisiert seit jeher die Freiheit und die Rechte der Bürger. Mit der Errichtung der Roland-Statue setzten sie ein Zeichen gegen die alleinige Macht der Kirchenfürsten, die vor kaum etwas zurückschreckten. Erzbischof Albert II. jedenfalls ließ rund fünfzig Jahre vor dem Bau des bis heute erhaltenen steinernen Rolands dessen hölzernen Vorgänger von seinen Schergen umstoßen und abbrennen.
Errichtet wurde der Bremer Roland zeitlich noch vor dem Rathaus. Er war nicht der Einzige; im Mittelalter schmückten viele Roland-Statuen die Marktplätze vor allem nord-ostdeutscher Städte. Und kopiert wurde der Bremer Roland später auch gerne. Einer ziert eine Kirche im New Yorker Stadtteil Brooklyn, einer die ecuadorianische Hauptstadt Quito und einer erfreut die Besucher eines Freizeitparks in Japan. In Brasilien wurde gar eine Stadt namens Rolândia gegründet; ihr spendeten Bremer Kaufleute Ende der 1950er-Jahre eine Roland-Statue.
Der Bremer Roland ist jedoch nicht nur das Original, er ist auch der größte. 5,47 m misst die aus einem besonderen Kalkstein gehauene Statue, die auf einem 60 cm hohen Podest thront. Gestützt wird der edle Rittersmann von einem Pfeiler, den ein gotisch anmutender Baldachin krönt, sodass das Denkmal insgesamt auf eine Höhe von etwas über zehn Metern kommt. 170 Bremer Mark, damals eine stolze Summe, bekamen die Steinmetze Claws Zeelleyher und Jacob Olde einst von den Kaufleuten für ihre Arbeit. Den Bremern ist er seitdem viel mehr wert. Weil sie natürlich ganz besonders in Kriegszeiten darum fürchteten, hatten sie ihrem Roland während des Zweiten Weltkriegs eigens einen maßgeschneiderten Bunker verpasst und mauerten ihn rundherum ein. Seit 1973 steht er unter Denkmalschutz, 2004 wurde er, gemeinsam mit dem Rathaus, in die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste aufgenommen.
Das Schwert des Rolands steht weniger für seine Kampfeslust, als für die Gerichtsbarkeit; seine Handschuhe für das freie Marktrecht Bremens, was sich dadurch erklärt, dass der Kaiser den Städten im Mittelalter symbolisch einen Handschuh überreichte, wenn er ihnen das Marktrecht erteilte. Das kaiserliche Wappen mit dem doppelköpfigen Adler auf seinem Schild verdankt der Bremer Roland allerdings den dreist, aber von den Bremer Bürgersleuten offensichtlich gut gefälschten kaiserlichen Urkunden.
„Vvryheit do ik ju openbar“ verkündet die Inschrift auf dem goldverzierten Schild.
Umschrift auf dem Schild des Rolands:
Vryheit do ik yu openbar
de karl und mennich vorst vorwar
desser stede ghegheven hat,
des dankt gode is min radt.
Auf Hochdeutsch:
Freiheit verkündige ich euch
die Karl und mancher andere Fürst, fürwahr,
dieser Stadt gegeben hat.
Dafür dankt Gott, dies ist mein Rat.
Dass der Roland so spitze Knie hat, soll einen ganz und gar banalen Grund haben: Das Maß zwischen den beiden Knien beträgt eine sogenannte Bremer Elle (ca. 55 cm) und soll den Händlern als Maßstab gedient haben. Eindeutig mehr gerätselt bzw. gestritten wurde über die Bedeutung der Figur zu seinen Füßen: Bis heute hält sich die Sage, dass es sich dabei um jenen Krüppel handelt, der anno 1032 ein Areal umrundete, das der Stadt schließlich von der Gräfin Emma geschenkt wurde und heute den Bürgerpark bildet.
Dass der Roland immer noch den Bremer Marktplatz ziert, ist übrigens auch der Gutgläubigkeit Napoleons zu verdanken. Der französische Kaiser wollte die Statue während der Besatzung zu Beginn des 19. Jh. eigentlich in den Louvre nach Paris bringen lassen. Doch die cleveren Bremer redeten es ihm aus: Der Roland sei künstlerisch von viel zu geringem Wert - und so blieb er auf dem Marktplatz stehen in seiner ganzen Pracht - was nicht ganz richtig ist. Denn der originale Kopf wird seit 1983 im Focke-Museum ausgestellt, der Roland auf dem Marktplatz erhielt eine Kopie.
Bis heute ist der Roland das Wahrzeichen der Stadt und der Sage nach bleibt Bremen so lange eine freie Stadt, wie er auf dem Marktplatz steht. Sicherlich auch deshalb hängen ihm die Bremer zur Zeit des Freimarktes liebevoll ein großes Lebkuchenherz um und schmücken ihn mit bunten Luftballons. Und alljährlich an seinem Geburtstag, dem 5. November, bekommt der steinerne Geselle einen bunten Strauß Blumen geschenkt.
Perle der Weserrenaissance
Rathaus
Der Rolandstand bereits auf dem Marktplatz, da begannen 1405 die Bauarbeiten am Bremer Rathaus, die bis 1409 andauerten. Der zunächst im spätgotischen Stil errichtete Bau war - wie der Roland - als ein Zeichen des Bürgertums an die Kirche zu deuten: „Schaut her, ihr klerikalen Herrscher, das Bürgertum ist auf dem Vormarsch.“ Ausgedrückt wurde das neue Selbstbewusstsein insbesondere durch die überlebensgroßen Figuren an der Südseite, die den Kaiser und seine sieben Kurfürsten darstellten. Nur einen hatten die Auftraggeber dort nicht verewigen lassen - den damaligen Landesherren, den Erzbischof von Bremen.
Die Bremer Bürger bauten ihr Rathaus direkt an die Grenze des damaligen Dombezirks, genau neben den Palast des Erzbischofs und provozierten den damaligen Machthaber zudem damit, dass das Rathaus in seinen Abmessungen größer war als der Bischofspalast. Das in seiner Grundfläche rund 40 m mal 16 m große Gebäude erhielt bereits den Ratskeller, eine Untere Halle für das Marktvolk sowie eine Obere Rathaushalle, Versammlungsort und Repräsentationsraum für den Rat der Stadt. Ziemlich genau zweihundert Jahre später wurde die zum Markt gewandte Seite umfassend verändert, während die beiden schmalen Seiten an der Nordwest- und an der Südostfront des Gebäudes weitgehend erhalten blieben. Insofern darf man durchaus behaupten, dass das Bremer Rathaus das einzige europäische Rathaus des Spätmittelalters ist, das nie zerstört wurde.
Inspiriert für die Neugestaltung Ende des 16. Jh. wurden die Bremer Bürger durch die prächtigen Bauten in den reichen Bürgerstädten Flanderns, in Gent, Brügge oder Antwerpen - und sie kopierten sie dennoch nicht. Der Rat beauftragte den Architekten Lüder von Bentheim mit der Neugestaltung der Fassade. Dieser hatte in den Jahren zuvor bereits mehrere Bauten in der Stadt im Stil der Weserrenaissance errichtet. So wie von Bentheim es damals plante und realisierte, präsentiert sich das Bremer Rathaus weitgehend auch heute noch. Die Bremer sagen, dass es das schönste Rathaus in ganz Deutschland sei. Der ehemalige Leiter der Bremer Kunsthalle, Emil Waldmann, nannte es „eines der großartigsten Denkmale genialer Stilverschmelzung“. Und etwas muss schon dran sein, denn sonst hätte die UNESCO den Bau 2004 nicht als Weltkulturerbe ausgezeichnet.
Bremens gute Stube: Rathaus, Dom und Haus der Bürgerschaft
Die Umgestaltung des Bremer Rathauses, die 1608 begann, wurde das Lebenswerk von Bentheims, der im Jahr der Fertigstellung 1613 starb. Und es wurde definitiv geklotzt und nicht gekleckert. Der komplette Mittelteil der Fassade wurde abgerissen und durch einen gläsernen Erker ersetzt, der von einem prächtigen Renaissancegiebel gekrönt wird. Die gotischen Spitzbogenfenster mussten eckigen Fenstern weichen. Die Pracht des Gebäudes drückt sich jedoch vor allem in dem reichhaltigen Fassadenschmuck aus, ein wahres Meisterwerk der Bildhauerkunst. Immer noch sind nicht alle Figuren und Symbole entschlüsselt, immer noch zerbrechen sich Kunsthistoriker ihre Köpfe darüber, was die Baumeister und Künstler aus dem beginnenden 17. Jh. ausdrücken wollten.
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