Angespannt beobachte ich, wie er auf die Erde zurast. Die Männer halten das Tuch gespannt. Ich hoffe, sie ziehen es nicht zu weit auseinander. Wenn der Stein nach dem Aufprall zu hoch hüpft, könnte er zur Seite springen, sodass sie ihn nicht erwischen. Zum Glück gehen die Männer einen Schritt nach vorne, als der Stein auf das Tuch auftrifft. So verhindern sie, dass der Stein wegrollen kann.
Gierig sauge ich die Luft in meine Lungen und nehme mir eine Sekunde, bis sich mein Puls wieder normalisiert hat. Dann trete ich zur nächsten Säule und setze dort meine Arbeit fort. Jetzt, da ich den Mechanismus verstanden habe, der den Stein festhält, kann ich die Klammern ganz schnell lösen. Wenige Augenblicke später stehe ich wieder am Rand der Maschine und blicke nach unten.
Die Soldaten haben den Stein inzwischen von der Decke gerollt. Er liegt ein paar Schritte entfernt am Boden und sieht so unscheinbar aus, man könnte fast denken, es würde sich um ein harmloses Gestein handeln.
Ich stoße einen Warnruf aus und schicke dann den zweiten Stein nach unten. Als der sicher unten angekommen ist, löse ich den dritten und vierten Stein. Kurz darauf sind die aus meiner Sicht wichtigsten Dinge vom Gerät entfernt. Ich warte, bis alles verstaut ist, und trete dann in die Mitte der Plattform. Es ist ein gewisses Risiko, Magie einzusetzen, um die Öffnung für den Abstieg in die Maschine zu suchen. Die Steine haben nicht reagiert, als sie mit dem Tuch in Berührung gekommen sind, das ich mit einem Zauber belegt hatte. Möglicherweise mache ich mir zu viele Sorgen. Dennoch werde ich zuerst die Oberfläche des Holzes noch einmal untersuchen.
Nachdem ich mich flach auf den Boden gelegt habe, taste ich das, was wie ein einziges Brett aussieht, mit den Augen ab. Die Klammern haben sich auch erst gezeigt, als ich meinen Blickwinkel gewechselt habe. Also bewege ich meinen Kopf hin und her und überprüfe, ob sich dabei irgendwelche Auffälligkeiten ergeben. Leider bleibt meine Suche erfolglos.
Obwohl mein Nacken kribbelt, gehe ich zu Plan B über. In Gedanken spreche ich einen Spruch, der Verborgenes sichtbar machen soll. Ich versuche, so wenig Magie wie möglich zu benutzen. Dann drehe ich mich auf dem Bauch liegend noch einmal im Kreis.
Ich habe erwartet, in der Mitte der Platte etwas beobachten zu können, doch da habe ich mich geirrt, stattdessen erscheint ein Metallring in meinem Blickfeld, als ich mich einer der Ecken zuwende. Während ich vorsichtig näherrobbe, verändert sich der Ring. Je nach Lichteinfall scheint er zu verschwinden und wieder zu erscheinen. Großartige Magie von jemandem, der jahrelange Übung hatte. Dass sein Zauber meinen Fähigkeiten nichts entgegenzusetzen hat, erfüllt mich mit Stolz.
Für diese Empfindung tadle ich mich. Noch habe ich nichts geleistet. Ich habe nicht mehr getan, als die Sprüche anzuwenden, die mich mein Großvater gelehrt hat. Dass ich mir Buchseiten bildhaft vorstellen kann, obwohl ich sie nur ein einziges Mal gesehen habe, ist mir in die Wiege gelegt worden. Dafür habe ich nicht arbeiten müssen. Also sollte ich mich in Zurückhaltung üben und mich nicht mit etwas brüsten, das ich nicht beeinflussen kann.
Inzwischen bin ich in Griffnähe gekommen. Ich strecke meinen Arm aus, um zu überprüfen, ob ich danach greifen kann. Es könnte sich immer noch um eine Täuschung handeln, damit ich mich in Sicherheit wiege, das Rätsel gelöst zu haben, während ich geradewegs in eine Falle tappe.
Meine Finger schließen sich um den kühlen Metallring. Langsam hebe ich ihn an und ziehe an ihm.
Etwas zischt über meinen Kopf hinweg. Was auch immer es gewesen ist, scheint aus vier Richtungen auf mich zugekommen zu sein. Das dazugehörige Surren war nicht nur vor mir zu hören. Als ich den Kopf drehe, fällt mein Blick auf einen Pfeil, der in Brusthöhe in der Säule vor mir steckt und immer noch vibriert. Vorsichtig drehe ich mich zur Seite und entdecke auch an den anderen Konstruktionen für die Steine Pfeile, die sich tief in das Holz gebohrt haben. Meine Höhenangst hat mir anscheinend das Leben gerettet.
»Alles in Ordnung?«, fragt jemand von unten.
Zittrig bejahe ich, während ich überlege, ob ich nicht auf dem schnellsten Weg wieder von dieser Plattform klettern sollte. Leider wird der Abstieg bestimmt viel schwieriger als der Aufstieg. Außerdem würde ich mir wie ein Feigling vorkommen, wenn ich nicht einmal versuchen würde, die in mich gesetzten Hoffnungen zu erfüllen.
Ich mache mich noch kleiner, liege so flach wie möglich auf dem Bauch und greife noch einmal nach dem Metallring.
Nichts passiert.
Vorsichtig ziehe ich ihn in meine Richtung.
Nichts passiert.
Ich versuche, ihn anzuheben.
Nichts passiert.
Möglicherweise waren die Pfeile die erste Stufe der Abwehrmaßnahmen und ich bin hier draußen erst mal sicher. Was mich im Inneren der Maschine erwartet, weiß ich allerdings nicht. Ich werde jeden meiner Schritte ab jetzt vorsichtig setzen müssen.
Der Ring bewegt sich in die Höhe. Mit ihm hebt sich eine Platte, die ein dunkles Loch freilegt. Seufzend ringe ich mit mir. Alles in mir schreit, dass ich mich nicht dort hinunterwagen soll. Die Gefahren sind nicht abschätzbar. Doch es gibt keine Alternative.
Ob ich mich mit einem Zauber schützen kann? Der Spruch, den ich vorhin angewendet habe, mag mich beeinflusst und meine Angst gefördert haben, aufgrund derer ich so ungern aufrecht hier oben stehen will. Verlassen möchte ich mich allerdings nicht darauf. Ich erneuere den Zauber zwar, doch ich werde einen Spruch finden müssen, mit dessen Hilfe ich die Maschine übertölpeln kann. Mit geschlossenen Augen gehe ich die Bücher meines Großvaters durch. Doch mir ist bewusst, nichts zu entdecken, das exakt auf meine Situation zutrifft. Wie hätte sich schon jemals jemand in einer ähnlich gefährlichen Lage befinden sollen? Ich werde mich unsichtbar machen, einen Spruch verwenden, der meine Körpertemperatur an die Luft anpasst, und einen, der mein Gewicht aufhebt. Es ist eine wilde Kombination, die in ihrer Vielfalt auch gefährlich sein könnte. Anders weiß ich mir allerdings nicht zu helfen.
»Ich werde in dieses Ding steigen«, rufe ich laut genug, damit man mich unten hört. »Wenn irgendetwas passieren sollte und ich nicht mehr in der Lage bin, die Maschine zu verlassen, müsst ihr sie zerstören. Haltet zu Eurer Sicherheit etwas Abstand. Versucht nicht, mich zu retten. Vermutlich bin ich ohnehin bereits verloren.« Den letzten Satz sage ich leiser zu mir selbst.
»Wartet. Ich erklimme das Ungetüm und gehe statt Euch ins Innere.« Die Stimme gehört dem Soldaten, der als Erster seine Hilfe angeboten hat.
»Das Angebot ist sehr nett von Euch gemeint. Allerdings kann ich es nicht annehmen. Ihr seid kein Zauberer. Ihr wisst nicht, wie Ihr mit der Magie in diesem Gerät umgehen sollt.«
Die Maschine schwankt leicht. »Dann begleite ich Euch.«
Steigt der gute Mann bereits auf die Maschine? Wenn ihm etwas passiert, würde ich mir das niemals verzeihen. Wenn er etwas tut, das uns beide in Gefahr bringt, weil er mir helfen will, ist das genauso schlimm.
»Bleibt unten!«, befehle ich. »Mir ist wohler dabei, wenn ich nur auf mich selbst aufpassen muss. Wartet einfach, was passiert.«
»Wir brauchen Euch«, gibt der Mann zurück. »Ihr seid wichtiger als ich es bin. Also seid nicht so uneinsichtig.«
Verblüfft lache ich auf. Wagt er es tatsächlich, mich zu tadeln? »Es ist zu gefährlich. Ich habe gerade versehentlich einen Abwehrmechanismus ausgelöst. Wenn ich nicht auf dem Bauch gelegen hätte, wäre ich von vier Pfeilen getroffen worden. Ich übernehme die Aufgabe also allein.«
Zur Sicherheit spreche ich noch einen Zauber, der ihn daran hindert, die Plattform zu erreichen und ihn sicher auf den Boden zurückbringt. Ich kann nicht sehen, ob mein Spruch funktioniert hat. Nach dem Gemurmel der anderen Männer unten zu schließen, das zu mir dringt, habe ich mich allerdings nicht ganz ungeschickt angestellt. Mit einer Sekunde Verspätung beginnt auch der grauhaarige Soldat, sich zu beschweren. Ich ignoriere seine Einwürfe.
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