Er nickt. »Ich werde tun, was Ihr von mir verlangt.« Meine Miene verrät ihm anscheinend, dass ich seinen Kräften misstraue, denn er drückt den Rücken durch und strafft die Schultern. »Ich bin harte Arbeit gewohnt. Ihr könnt Euch auf mich verlassen.«
»Mit Sicherheit habt Ihr Euch in Eurem Leben vor keiner Aufgabe gedrückt. Dennoch bin ich mir nicht sicher, ob Ihr der Richtige für diese seid.«
»Die jungen Männer haben ihr Leben noch vor sich. Ich stelle mich gerne für diese gefährliche Mission zur Verfügung. Mein Glück habe ich an der Seite meiner wundervollen Frau bereits verbraucht.«
Stolz schwingt in seiner rauen Stimme mit. Ich möchte ihn nicht weiter vor den Kopf stoßen und nicke ihm einfach zu. »Bleibt in Sichtweite. Wenn es mir gelingt, das Ungetüm zu erklimmen und von oben zu untersuchen, finde ich hoffentlich heraus, wie es funktioniert. Ich werde Euch mitteilen, wenn ich Eure Hilfe benötige.«
Mein Blick wandert wieder das seltsame Bauwerk hinauf. Als ich die feindlichen Soldaten dabei beobachtet habe, wie sie das Ding bestiegen haben, hat es viel einfacher gewirkt. Bestimmt haben sie genau gewusst, welchen Weg sie wählen müssen. Diesen Luxus besitze ich leider nicht.
Angespannt strecke ich meinen Arm aus und taste nach einem weiteren Vorsprung, den ich benutzen kann, um mich hochzuziehen. Tatsächlich finden meine Finger eine Einkerbung, die groß genug ist, damit ich mich vorwärtsbewegen kann. Mein Fuß rutscht in eine Aussparung, sodass ich mich strecken kann, um einen weiteren Schritt zu wagen. Es geht nur langsam vorwärts, aber schließlich kann ich den oberen Teil der Maschine erkennen.
Die Fläche zwischen den vier Steinen ist gerade und bietet keinen Blick ins Innere. Enttäuscht klettere ich das letzte Stück, bis ich oben stehe. Ich habe gehofft, hier oben würde es einen Zugang zu den Gerätschaften geben, die sich im Innenteil der Maschine befinden. Habe ich den Aufstieg umsonst angetreten? Hätte es einen Zugang von unten gegeben?
Ich setze meinen Fuß auf das Dach und beuge mich dann nach unten, um die Holzbohlen zu untersuchen. Nicht aufgerichtet auf dieser Plattform zu stehen, stellt eine gewisse Erleichterung für mich dar. Hier oben fühle ich mich unwohl, bloßgestellt und wie eine leichte Beute. Bei jedem Windstoß, der an mir zieht, grummelt es in meinem Magen. Viel zu sehr verstört mich der Gedanke, von diesem Ding zu fallen. Leide ich etwa unter Höhenangst?
Um meine Gedanken davon abzulenken, ein Unglück heraufzubeschwören, widme ich mich ganz der Aufgabe, einen Zugang zu dem Gerät zu finden. Keine Nägel sind zu erkennen, keine Zähne, die ineinandergreifen. Auf den ersten Blick wirkt es, als wäre die Oberfläche aus einem einzigen Stück Holz geschaffen.
Das ist nicht möglich. Selbst wenn es in dieser Welt, die sich mir kahl und pflanzenlos gezeigt hat, doch Wälder geben sollte, würde kein Baum dick genug sein, um diese Form aus ihm herauszuschneiden. Mit der Handinnenfläche streiche ich über das Holz und teste, ob ich etwas erfühlen kann, was meinen Augen verborgen bleibt.
Die Energie, die die Maschine ausstrahlt, erhöht sich inzwischen. Von meiner Untersuchung ist sie anscheinend nicht sonderlich erfreut. Solange sie mir keinen Energiestoß versetzt und mich abwirft, werde ich meine Bemühungen nicht unterbrechen. Ich benutze meine Fingerspitzen und Nägel, um die Oberfläche zu erkunden, doch ich finde keinen Griff und keine Einkerbung, die eine Öffnung verbergen könnte.
Vielleicht handelt es sich um einen Zauber, der das Offensichtliche versteckt. Möglicherweise werden meine Sinne getäuscht, damit ich das Gerät nicht abschalten kann. Ich richte mich auf und gehe zu einer Ecke des seltsamen Würfels. Dann werde ich also dafür sorgen, dass die Energie dieser Maschine an Kraft verliert. Ich richte mich auf und gehe langsam auf die erste Säule zu.
Vorsichtig lege ich meine Hände um den ersten Leuchtstein, der jetzt durchscheinend und farblos ist. Die Oberfläche fühlt sich rau an. Mit Sicherheit wurde der Stein so belassen, wie er war, um seine Wirkungsweise nicht zu beeinträchtigen. Er scheint nur auf dem Sockel zu liegen, vor dem ich stehe. Allerdings gelingt es mir nicht, ihn zu entfernen. Ich beuge mich vor und untersuche die Stelle, wo der Stein das Holz berührt. Zuerst wirkt es, als fehlten Befestigungen. Als ich allerdings den Kopf bewege, bemerke ich eine Brechung des Lichts. Ich betaste die Stelle und fühle unter meinen Fingerspitzen durchsichtige Klammern, die den Stein festhalten. Vorsichtig fahre ich die Klammer nach unten und gelange an einen Hebel. Als ich den nach unten drücke, löst sich die erste Befestigung.
Mein Herz klopft sofort schneller. Ich bin so erleichtert, dass ich nicht sofort bemerke, wie die Klammer ohne meinen Finger wieder zurückschnappt. Noch einmal taste ich rund um den Stein. An vier Stellen ist er durch die unsichtbare Vorrichtung mit dem Sockel verbunden. Ich lege jeweils Daumen und Zeigefinger meiner linken und rechten Hand auf den Hebel und drücke ihn nach unten. Die Klammern lösen sich und geben den Stein frei.
Der beginnt zu kippen, weshalb ich ihn hastig festhalte. Überraschend schwer zieht er meine Hände nach unten. Während ich ihn noch betrachte, trübt er sich ein und wird schließlich stumpf und undurchsichtig. Ich sehe zu den anderen Steinen. An ihnen macht sich der seltsame Effekt nicht bemerkbar. Allerdings scheint es, als hätten sie einen Teil ihrer Klarheit verloren. Es wird mir also nichts anderes übrigbleiben, als auch sie zu entfernen. Und wie bekomme ich den Stein jetzt nach unten zu meinem Helfer?
Ich werfe einen Blick über den Rand. Mir wird bei dem Anblick der Höhe, in der ich mich befinde, ganz schummrig. Das Besteigen eines Berges macht mir nichts aus. Doch diese Erhebung ist gefährlicher. Der alte Mann steht immer noch direkt neben der Maschine und sieht mit besorgtem Gesichtsausdruck zu mir auf.
»Besorgt bitte ein festes Tuch«, rufe ich nach unten. »Und ersucht drei andere Soldaten um Hilfe. Ich werde Euch die Steine einzeln zuwerfen. Mit dem Tuch könnt ihr sie hoffentlich auffangen, ohne dass sie Schaden erleiden.«
»Sollten wir die einzelnen Teile der Maschine nicht ohnehin zerstören?«, fragt der Greis.
Eine berechtigte Frage, auf die ich keine Antwort habe. »Das entscheide ich zu einem späteren Zeitpunkt. Erst will ich überprüfen, ob sie Magie in ihrem Inneren festhalten. Wenn sie in tausend Stücke zerspringen, während wir alle danebenstehen, sind die Folgen nicht vorhersehbar.«
Der Mann nickt und verschwindet dann. Ich hoffe, er braucht nicht zu lange. Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Erst wenn wir dieses Gerät vernichtet haben, können wir auch die anderen Truppen unserer Gegner überrumpeln. Wie lange es wohl dauern wird, bis sie bemerken, dass etwas nicht stimmt?
»Tuch und Helfer vor Ort, edler Zauberer«, tönt es von unten.
Ich unterdrücke ein grimmiges Lächeln und zögere ein letztes Mal. Ob ich den Stein mit einem Zauber schützen soll? Ich weiß nicht, ob er sich meine Magie einverleiben wird, wenn ich das tue. Der Stein soll nicht noch mehr Energie absorbieren als ohnehin schon. Ich muss das Risiko für uns alle so gering wie möglich halten. Zu viele Menschenleben könnten durch einen Fehler von meiner Seite gefährdet werden.
Vorsichtig schiebe ich mich weiter nach vorne, obwohl mein Magen dagegen rebelliert. Die Männer scheinen mir plötzlich noch weiter entfernt. Das Tuch wird winziger, je länger ich es betrachte. Ob es mir überhaupt gelingt, darauf zu zielen? Jetzt ist nicht die Zeit, um wegen der Höhe Bedenken zu haben. Ich halte den Stein in meinen ausgestreckten Armen, merke wieder, wie schwer das Ding wirklich ist. Wenn ich es nicht gleich loslasse, wird es mir ohnehin aus den Händen gleiten. Also los.
Im letzten Moment zögere ich doch. Hastig murmle ich einen Spruch, der verhindern wird, dass das Tuch durchreißt. Dann lasse ich den Stein los.
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