und dort sind die Läden
und dort ist die Schule
und dort ist die BANCOREA
und dort ist das Rathaus.
Das Rathaus ist da wo die Politiker aus dem Dorf sind.
Mit dem Fahrrad oder mit dem Fuhrwerk
ist Somorrín nicht so nah.
Aber mich haben sie immer im Auto hingefahren.
3) Das war die dritte Sache
die Mamen uns gesagt hat:
Das LÄWO behält dann jeden Monat fast das ganze Geld
von meiner Rente.
Ich soll das dem LÄWO erlauben.
Dann bezahlen sie mit dem Geld mein Zimmer
und sie bezahlen meine Kleidung
und mein Essen
und mein Badezimmer
und meine Ausflüge am Wochenende
und alles was ich zum Leben brauche.
Mamen hat gesagt:
Mit dem Rest von deinem Geld kannst du machen was du willst.
Ich habe gesagt:
Na so ein Glück Doña Mamen.
Mamen hat gesagt:
Nenn mich doch nicht Doña Liebes.
Wir sind doch jetzt Freundinnen.
Und ich bin nur sechs Jahre älter als du.
Da war ich 18 Jahre alt.
Und Mamen war 24 Jahre alt.
Jetzt bin ich 43 Jahre alt.
Und Mamen ist wenn sie nicht gestorben ist 49 Jahre alt.
Wenn ich 49 Jahre alt bin
ist sie wenn sie nicht gestorben ist 55 Jahre alt.
Und immer so weiter.
Wenn keine von uns wegstirbt.
Ab da habe ich zu Doña Mamen
einfach nur Mamen gesagt.
Meine Cousine Patricia hat nicht Mamen gesagt.
Patricia hat »die Mamen« gesagt.
So wie Patricia zu mir auch »die Àngels« sagt.
Zu ihrer Schwester sagt sie »die Nati«.
Zu ihrer anderen Cousine sagt sie »die Marga«.
Zu dem Chinesen von unten sagt sie »der Ting«.
Sie setzt einfach ein »die« oder ein »der« vor jeden Namen.
So wie es die Katalanen machen
wenn sie Katalanisch sprechen.
Und manchmal auch wenn sie Spanisch sprechen.
Weil so was hängenbleibt.
Aber meine Cousine Patricia ist keine Katalanin.
Und sie kann auch kein Katalanisch.
Ich bin Katalanin von der Seite meiner Tante her.
Ich heiße Ángela.
Ángela heißt auf Katalanisch Àngels.
Jetzt lebe ich in Katalonien.
Und ich muss mich in die katalanische Gesellschaft integrieren.
Ich muss ihre besondere Sprache respektieren
damit die Katalanen meine
besonderen Bedürfnisse respektieren.
Darum sage ich in Barcelona:
Ich heiße Àngels.
Das ist keine Lüge.
Das ist nur eine Übersetzung.
Auf Katalanisch kann man »die Àngels« sagen
oder »die Marga« oder »die Nati«.
Aber auf Spanisch nicht.
Auf Spanisch klingt das sehr hässlich.
Es klingt nach schlechter Erziehung.
Wenn Patricia »die Mamen« gesagt hat
dann hat sie immer den gleichen Scherz gemacht.
Der ging so:
Wenn ein anderer Eingewiesener etwas von ihr wollte
oder wenn er sich über etwas beschwerte
oder wenn er etwas brauchte
dann sagte Patricia zu ihm:
Schade Schokolade scheiß auf die Mamenlade.
Weil Patricia »Schade Schokolade scheiß auf die Mamenlade«
gesagt hat
deshalb wurde Patricia oft bestraft.
Sie durfte nicht fernsehen.
Sie bekam kein Geld.
Sie durfte keinen Spaziergang machen am Sonntag.
Ich habe ihr gesagt:
Sag das besser nicht mehr.
Und sie hat auf mich gehört.
Und sie hat sich besser benommen.
Sie hat nicht mehr die Mamen oder Mamen gesagt.
Sie hat Doña Mamen gesagt.
Und da hat Mamen nicht gesagt:
Nenn mich doch nicht Doña Mamen Liebes.
Damals war Mamen 34 Jahre alt.
Denn ich war 28 Jahre alt.
Und Patricia war 18 Jahre alt.
Patricia war gerade erst eingewiesen worden.
Sie kannte die Regeln noch nicht so gut.
Ich glaube:
Mamen gefiel Doña.
Denn Mamen war nicht die Freundin von Patricia.
Und Mamen war schon die Direktorin vom LÄWO in Somorrín.
Direktorin bedeutet: Sie ist die Bestimmerin
und sie hat das größte Büro.
Einmal sagte ein Eingewiesener:
Ich finde den orangen Wachsmaler nicht.
Und Patricia sagte zu ihm:
Schade Schokolade scheiß auf Doña Mamenlade.
Ich habe den Namen von diesem Eingewiesenen vergessen.
Ich weiß aber noch: Er hat das Fragiles-X-Syndrom.
Das Fragiles-X-Syndrom ist eine schwierige Sache.
Ich weiß: Nur wenige wissen was das Fragiles-X-Syndrom ist.
Ich kann das jetzt nicht erklären.
Es würde zu lange dauern.
Ich will nur sagen: Von da an
haben sie Patricia die Pillen gegeben.
Denn sie haben gesagt:
Patricia ist verhaltensauffällig.
Das von Patricia und das mit dem Fragilen X
sind Abschweifungen.
Abschweifen bedeutet:
Mitten in einer Geschichte
fängt man eine andere Geschichte an.
In Leichter Sprache sollen wir nicht abschweifen.
Denn das macht es schwieriger
die Hauptgeschichte zu verstehen.
Die Hauptgeschichte in diesem Text
ist meine Geschichte.
Ich muss noch die vierte Sache erklären
die Mamen gesagt hat.
Zu meinem Onkel und zu mir.
Das war nämlich die wichtigste Sache.
Ich schreibe in Leichter Sprache.
Und wenn du in Leichter Sprache schreibst und glaubst:
die Leute verstehen ein Wort nicht
dann musst du das Wort erklären.
Du musst alle Wörter erklären
die schwierig sind oder die unbekannt sind.
Darum sollte ich jetzt erklären:
Fragiles-X-Syndrom
verhaltensauffällig
und Leichte Sprache.
Aber dann schweife ich noch 3 Mal ab.
Ich sehe jetzt: Hier gibt es ein Problem.
Und die Leitlinien für Materialien in Leichter Sprache
der Abteilung Bibliotheksservice
für Menschen mit besonderen Bedürfnissen
können das Problem nicht lösen.
Gut.
Ich sage es meiner Betreuerin
in meiner Selbstvertretungsgruppe
am Dienstagnachmittag.
Aber bis dahin mache ich so weiter wie ich denke.
Ich erkläre jetzt nicht
was Richtlinien bedeutet
oder was Bibliotheksservice bedeutet
oder was Betreuerin bedeutet.
Okay?
Ich erkläre jetzt nur
was Selbstvertretungsgruppe bedeutet.
Denn das ist eine sehr wichtige Sache.
Es ist nicht die gleiche wichtige Sache
wie das mit der Nummer 4
was Mamen zu meinem Onkel und zu mir gesagt hat.
Aber sie ist auch wichtig.
Ich schreibe diese Geschichte.
Und darum entscheide wohl ich was wichtig ist
und was Abschweifen ist.
Auf Seite 19
in den Leitlinien für Materialien in Leichter Sprache
steht es ganz klar:
»Beschränke die Freiheit des Autors nicht zu sehr.«
Und etwas später steht da noch eine Sache.
Diese Sache verstehe ich nicht ganz.
Denn ich glaube: Sie sagt ungefähr das Gleiche.
»Sei nicht dogmatisch.
Lass die Fiktion Fiktion sein.«
Ich glaube: Fiktion ist Science-Fiction.
So wie »Avatar« und »Krieg der Sterne«.
Und das finde ich sehr gut.
Also mache ich mein Ding.
Selbstvertretungsgruppe bedeutet:
Eine Gruppe aus erwachsenen Menschen
die eine geistige Behinderung haben
oder die besonderen Förderbedarf haben.
Und sie treffen sich 1 Mal in der Woche
um 6 Dinge zu tun:
1) Fähigkeiten der Kommunikation erwerben.
2) Größere persönliche und soziale Autonomie erlangen.
3) Ihre Möglichkeiten verbessern, für sich selbst zu sprechen und zu entscheiden.
4) Lernen, im täglichen Leben Entscheidungen zu treffen.
5) Lernen, am Vereinsleben teilzunehmen.
6) Über Themen diskutieren, die sie interessieren.
Ich erkläre jetzt nicht
was geistige Behinderung bedeutet
oder was besonderer Förderbedarf bedeutet
oder was Vereinsleben bedeutet.
Okay?
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