So überlassen wir die Jugendlichen einer zufälligen und von zu vielen äußeren Faktoren abhängigen Reifung. Viele werden niemals reif. Sie stolpern in ihr Erwachsenen-Leben, ohne je bewusst die Schwelle gespürt zu haben. Manche rotten sich in Gangs zusammen – und erfinden Rituale, gefährliche Rituale, denen die Weisheit fehlt. Andere organisieren sich in „Peer groups“, denen es an Kraft fehlt.
Die Suche und das Finden der eigenen inneren Wahrheit, der eigenen Träume verblasst im Lärm der täglichen Inputs einer immer schneller taktenden Informationsgesellschaft.
Die Visionssuche bietet sich hier als ein wunderbares Übergangsritual an. Sie lädt ein zu einem tiefen Spüren des eigenen Wesens, des eigenen Weges. Sie macht frei von den Erwartungen anderer, Fremdbestimmungen können losgelassen werden – und der eigene Weg erscheint kraftvoll vor dem inneren Auge.
Nur – will man überhaupt kraftvolle junge Menschen, die sich der eigenen Träume, der eigenen Vision und Mission bewusst sind? Oder will man nicht eher Konsumenten, die, betäubt vom Überangebot und der Beliebigkeit, die Maschine am Laufen halten?
Es gibt sie aber – die wenigen Angebote für Jugendliche, um in der Natur, in der Wildnis sich selbst zu entdecken. Hier sind Erwachsene Mentoren im besten Sinne. Sie begleiten kraftvoll, ohne zu gängeln. Der wahre Lehrer ist die Natur und die innere Führung des Jugendlichen.
Erwachsene Mentoren begleiten und schützen nur den Prozess der Verpuppung der Raupe und des Schlüpfens des Schmetterlings. Es ist fantastisch, dass mittlerweile ein paar wenige Schulen freiwillige Angebote zur Visionssuche bzw. zu „Walk aways“ geben.
„Wenn wir nicht unsere Jungs initiieren, dann werden sie unser Dorf niederbrennen, nur um die Hitze zu spüren“ – ist ein afrikanisches Sprichwort, das einen wichtigen Punkt von Initiationsriten beschreibt.
Gerade auch Jungs wollen die Hitze ihrer eigenen Seele, ihres Auftrages in der Welt tief spüren und leben.
Wenn wir sie nicht die Fackel ihres eigenen Lebens tragen lassen, dann besteht die Gefahr, dass sich ihre männliche Kraft gegen die Gesellschaft richtet. Bei einem Blick auf die Lage der Welt muss man wohl anerkennen, dass zu viele Männer nicht initiiert sind. Ihre kindlichen Aggressionen sind derzeit dabei, in erwachsenen Körpern den Planeten in schwerste Bedrängnis zu bringen.
Und so ist es geradezu eine Notwendigkeit, die Kraft der Initiation wieder zurückzuholen in unsere technokratische Welt, die meint, alles selbst steuern zu können.
Gerade die Schule ist aufgerufen, für den Planeten und die Seelen der Kinder einzutreten – und nicht bloß Material für eine Wirtschaftsmaschinerie zu liefern, die drauf und dran ist, erstmals in der Menschheitsgeschichte den Planeten zu ruinieren.
„Erwachsen werden in der Wildnis“ war der großartige Dok-Film, der mich zu meiner ersten Visionssuche inspirierte. Erwachsen werden in der Wildnis – ein ganz besonders kraftvoller Weg ins Erwachsensein.
Es ist an der Zeit für einen Paradigmen-Wechsel von der Ressourcenausbeutung zur Potentialentfaltung.
Die geheimnisvolle Mutation vom Hoffnungs- zum Virenträger
Ein außergewöhnliches Schuljahr ging zu Ende und ich blicke mit etwas Sorge dem neuen Schuljahr entgegen. Mich stimmt seit dem Lockdown im März eines besonders nachdenklich.
Kinder und Jugendliche galten in grauer Vorzeit einmal als Hoffnungsträger der Gesellschaft. Nun hielten sie am Ende des Jahres Zeugnisse in Händen, auf denen eigentlich der Stempel „Virenträger“ zu finden sein sollte.
Nicht anders ist zu erklären, warum exakt die Generation, die sich zwar mit dem neuartigen Coronavirus infiziert, aber kaum daran erkrankt, in eine Art Geiselhaft genommen wird.
Spätestens ab dem Kindergarten ist das Immunsystem der kleinen Hoffnungsträger verschiedensten Infektionen ausgesetzt. Würden wir bei jedem grippalen Infekt, jedem Schnupfencluster den Betrieb der Bildungseinrichtungen herunterfahren, dann wären Bildung und das soziale Netz massiv in Mitleidenschaft gezogen.
Nun haben wir es aber mit einem Virus zu tun, dessen Risikogruppe exakt am anderen Ende der Altersskala zu finden ist. Nur einer von 90 Clustern entstand österreichweit in einer Schule und lediglich ein einziges Mal wurde ein Kind zum „Quellfall“.
Warum also werden den Kindern und Jugendlichen Bildungschancen, Möglichkeiten des gemeinsamen Feierns und Gestaltens entzogen?
Österreichweit fielen bei den meisten, die ein Abschlussjahr absolvierten, nicht nur Feierlichkeiten aus, sie hatten seit Mitte März keinerlei Kontakt zur anderen Hälfte der Klasse. Schüler stolperten in die Ferien, ohne sich nach vier oder fünf Jahren von Klassenkollegen verabschieden zu können.
Ausflüge jeglicher Art wurden im Vorfeld sowieso verboten. Hier hätte es zumindest differenzierter Lösungen bedurft. Praktika, Schullandwochen, Aufenthalte als Aupair, Auslandsstudien und vieles mehr waren für die junge Generation nicht mehr möglich.
Was lernen wir daraus? Kinder und Jugendliche haben in Wahrheit keine Lobby. Ohne die Generationen gegeneinander ausspielen zu wollen, muss uns eines klar sein: Die Kinder erben die Schulden- und Umweltlast von uns. Nun werden sie als „Nicht-Risikogruppe“ auch dazu verdonnert, die „Gesundheitslast“ für andere zu tragen.
Ich bin sehr offen für zukünftige Homeoffice-Modelle mit Schülern (z. B. 4 Tage Präsenzunterricht, 1 Tag zuhause), die das leisten können.
Nur das zu befürchtende zukünftige Rauf- und Runterfahren von Spiel- und Lernorten, um diejenigen zu schützen, die sich leider oftmals auch selbst nicht schützen, finde ich schlichtweg empörend.
Wohin gehen wir als Gesellschaft, die als Erstes auch bei Kindern Berührung, Bewegung, Tanzen, Singen und Feiern verbietet – elementare Ausdrucksformen, die uns zu Menschen machen?
Warum gibt man internationalen Organisation wie der OECD (Pisa-Test) und der WHO einen dermaßen großen Einflussraum auf das Leben von Kindern und Jugendlichen weltweit?
Und eines sollen wir vielleicht auch bedenken: Das bis vor kurzem viel gescholtene und seit kurzem auch gelobte Schweden, das Kindergärten und Pflichtschulen geöffnet ließ und keine Maskenpflicht einforderte, hat von Anfang März bis August mit seinem Sonderweg eine „Covid-19-Todesrate“ von 0,056 % (an und mit Corona-Verstorbenen) zur Gesamtbevölkerung (Belgien 0,086 %, GB 0,07 %).
Der wirtschaftliche und soziale Einbruch konnte hier abgefedert werden. Und Schweden zeigt glasklar, dass wir es nicht mit einer Pandemie im Ausmaß einer spanischen Grippe oder Pest (geschätzte Mortalitätsrate im Mittelalter von 30-40 %) zu tun haben.
Würden wir aber der Logik der momentanen Denke folgen, dann müssten wir – zugespitzt formuliert - wegen des Todes das ganze Leben herunterfahren. Nur, wollen wir das wirklich?
Geben wir den Kindern und Jugendlichen doch wieder ihre Freiheit zurück und sehen in ihnen die Hoffnungsträger für eine bessere Welt, während wir jene der Risikogruppen schützen, die auch geschützt werden wollen!
Als ich vor ein paar Jahren noch zur Schule ging, interessierte es kaum jemanden, wie erfolgreich das Schulsystem in Finnland oder in Südkorea war. Erst mit der Globalisierung und dem immer stärker werdenden Wettbewerb begann man, Bildungssysteme zu vergleichen.
Nun sind wir an einem Punkt angelangt, wo gerade die Bildung als Garant für die internationale Wettbewerbsfähigkeit gilt. Vergleichstests, Rankings, Messungen und Kompetenz-Checks sollen die Antworten auf viele Fragen geben. Das organisierte Lernen soll ständig effizienter werden.
Schüler laufen deswegen seit Jahren Gefahr, immer stärker in die Denke der neoliberalen Verwertbarkeit eingespeist zu werden – um letztendlich als nützliche Produkte auf einem umkämpften Markt zu landen. Die freie Entfaltung, kritisches Denken, Kreativität usw. geraten ins Hintertreffen – sie gelten auch als kaum messbar.
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