Möge es uns gelingen, aus dieser Zeit des Trubels auszusteigen und durchzuatmen. Während andere ihren Terminen hinterherjagen und ewig lange Listen abarbeiten, lehnen wir uns zurück und nehmen uns Zeit für Humor und Lachen. Sollte dies auch an der Schule gelingen, dann leben wir Schola im wahrsten Sinn des Wortes.
Wie würde die Welt wohl aussehen, könnte jedes Kind mit einem großen Selbstwert die Schule verlassen?
Ich schreibe dies als Lehrer – und ich frage mich oft, welche Hebel die Schule eigentlich betätigen sollte, um die Gesellschaft als Ganzes in eine positive Richtung zu fokussieren.
Wäre es zum Beispiel nicht wichtiger, jedem Kind seinen ureigensten Wert erlebbar zu machen, als alle möglichen Kompetenzen innerhalb von wenigen Jahren abzufragen?
Ehrlich – mich nervt der Kompetenzkatalog, der langsam, aber sicher die Schulen in automatisierte Fabriken zu verwandeln droht. Es ist mir so was von sonnenklar, dass wir hiermit ein Instrument in Händen halten, das die Schüler vermessen und in den Markt einbinden möchte. So vermiest man ihnen letztendlich auch das Lernen.
Der Begriff Kompetenz wurde in der Wirtschaftswelt der 50er Jahre geboren,
um einen reibungslosen Unternehmensablauf zu beschreiben. Es darf einen nicht verwundern, dass in Zeiten des Neoliberalismus nun genau jener Begriff auch in der Schulwelt um sich greift. Mehr denn je vermessen und verpacken wir unsere Kinder für eine globale Kapitalismus-Maschine, die auf bodenlose Gier programmiert ist.
Wir machen sie zusehends zu Objekten – jedoch diesmal alles gut wissenschaftlich und pädagogisch korrekt getarnt, vielleicht auch noch mit coolen und lässigen Anglizismen beschrieben.
Die Lehrer werden in diesem Prozess auch schrittweise entmündigt.
Dieser Vorgang ist schleichend und nicht immer sofort erkennbar.
Wollen wir aber starke Persönlichkeiten, die ihren eigenen Wert erkennen – dann „müssen“ wir die Kinder als Subjekte sehen. Also, das glatte Gegenteil dessen, worauf das System Schule hinaus will (auch wenn bei Sonntagsreden mit großen Worten anderes behauptet wird).
Wollen wir die Größe der Kinder sehen können, dann sind wir geradezu verpflichtet, unsere eigene Größe anzunehmen. Damit meine ich nicht das kleine Ego, das ganz groß rauskommen will, sondern unsere wahre Größe. Und diese kann niemals zur Ware werden. Die eigene Größe anzunehmen ist ein Akt der Selbstliebe. Wir beginnen, uns in Demut selbst zu feiern.
Ich träume von einer Welt, in der wir die Ressourcen der Kinder nicht mehr ausbeuten –
sondern zu deren Potentialentfaltung beitragen. Das verlangt einen Wandel vom vermessenen und gehandelten Objekt hin zum Subjekt. Und dieses ist unantastbar für dieses Habenwollen, so wie die Würde eines jeden Menschen unantastbar ist. Es ist die Entwicklung vom Haben zum Sein, um es in den Worten von Erich Fromm auszudrücken.
Wir schreiten von der „ Verdinglichung “ hin zum „ Wesentlichen “ und Lebendigen.
Nicht umsonst hat Gerald Hüther die Würde als einen inneren Kompass beschrieben, der durch das Dickicht einer „verführenden“ Objekt-Welt führt.
„ Lebe nie unter deiner Würde “, ruft Old Man Coyote der Hauptperson Noah in meinem Buch „ Kopfsprung ins Herz – Als Old Man Coyote das Schulsystem sprengte “ zu – und zitiert dabei Papst Leo, den Großen.
Ja, leben wir am besten nie unter unserer Würde und stellen wir unser Licht nicht unter den Scheffel. Denn dann öffnet sich unser Herz – und mit unserem Licht sehen wir das Licht, die Größe und Würde unseres Gegenübers. Letztendlich merken wir auch, dass es ein- und dasselbe Licht ist. Und als Lehrer unter-richten wir dann nicht mehr, sondern richten au f.
Während ich meinen Rucksack schultere und durch die wunderbare Natur des Mühlviertels (Österreich) wandere, merke ich wieder, wie wichtig es ist, dem Trubel der Welt hie und da zu entfliehen. Die Luft scheint zu flimmern, der Boden ist ausgetrocknet und der Schweiß tropft mir von der Stirn – doch ich gehe in meinem Tempo voran. Ich liebe es, mir Zeit für mich selbst, für das Leben zu nehmen.
Am Abend wähle ich nicht eine der Unterkünfte für Pilger des Johannesweges, ich beschließe im Freien zu übernachten. Irgendwann sitze ich auf einem Baumstamm, genieße den Sonnenuntergang und denke an die Zeit, als ich meiner Vision auf die Spur kam. Bilder steigen in mir hoch und mein Geist öffnet sich für die Eindrücke, die zwei Visionssuchen bei mir hinterlassen haben. Vieles hat sich seitdem in meinem Leben geändert. Ich schwelge in den Erinnerungen und tauche immer tiefer in diese ein…
Der herrliche Duft von verbranntem Salbei steigt mir plötzlich in die Nase. Ich bin an der Schwelle zu meiner ersten Visionssuche und aufgeregt. Meine beiden Guides sprechen Gebete und fächern mit Federn den Rauch von Salbei in mein Energiefeld.
Ihre Wörter klingen wie Beschwörungen aus fernen Zeiten – und doch so nah und vertraut.
Langsam verlasse ich die Schwelle, packe meinen Rucksack, zwei Wasserkanister und meine Unterlagsmatte. Die Plane habe ich noch in meinem Rucksack verstaut.
Für mehr ist nicht Platz. Nicht einmal ein Zelt sollte mit auf die äußere und innere Reise. Nur ich und die Wildnis. Sogar das Essen bleibt für die nächsten Tage im Base-Camp.
Ich schaue mich um. Death Valley hat seinen ganz besonderen Reiz. Obwohl es Ende Dezember ist, scheint an diesem Ort die Sonne kaum Kraft verloren zu haben. Der Höhepunkt der Visionssuche hat nun begonnen!
Wieder stehe ich an der Schwelle – diesmal in New Mexico. Ich habe mich entschieden, die Ausbildung zum Vision-quest-guide zu machen.
Zu sehr hat die erste Visionssuche mein Leben verändert. Ich bin zutiefst überzeugt von der Kraft dieses Rituals. Vieles hatte ich schon probiert – einiges hatte auch wunderbare Wirkungen. Nur – die Visionssuche, die ging tiefer als das meiste zuvor.
Mein Leben wurde buchstäblich transformiert. Ich marschiere hinaus in die trockene Wildnis von New Mexico, zwei Geier weisen mir den Weg.
Vier Tage und vier Nächte begebe ich mich wieder in diese Intimität. Keine Ablenkung – nur die Natur und ich, ganz allein. Kein Baum, der sagt: Tu dies und mach das. Keine Wolke, die meint, sie wüsste, was das Beste für mich sei. Die Natur spricht schweigend zu mir. Kein Aufdrängen, kein Raumnehmen – sondern endlose Weite. Ich bin mir wieder ganz nahe und stolpere über Kojote. Ein großes Lachen erfasst mich. Ich tanze – und keiner sieht mich. Ich weiß, was zu tun ist.
Zurück in Österreich, gründe ich mit unbändig-verrückter Kraft das erste Naturpädagogik-Wahlpflichtfach Österreichs, danach beginne ich an meinem Buch „Kopfsprung ins Herz – Als Old Man Coyote das Schulsystem sprengte“ zu schreiben.
Old Man Coyote hatte es mir angetan. Nun ist der Heldenroman erfolgreich am Markt und man hat großen Spaß daran. Ich genieße es. Begonnen aber hat alles – bei meiner letzten Visionssuche in den USA.
Bei beiden Visionssuchen stand ich vor Übergängen. Einmal in puncto Familie und das zweite Mal vor einer beruflichen Veränderung.
Der vielleicht größte Übergang im Leben – abgesehen vom Tod –, das ist aber wohl jener, wenn wir erwachsen werden. Und genau hier an diesem Punkt, an dieser Schwelle – wo sich alles neu zu drehen beginnt –, da bieten wir als Gesellschaft für die heranwachsende Generation kaum etwas an. Die Firmung bzw. Konfirmation scheint ein Restritual zu sein, das in sich einen wunderbaren Geist tragen würde. Nur gelingt es auch hier meist nicht, die Jugendlichen abzuholen und einen kraftvollen Mentor während der Initiation an die Seite zu stellen.
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