Darüber hinaus können wir sehen, dass der Marktmechanismus den Konsum dieser insgesamt erzeugten sozial optimalen Menge sozial optimal auf die verschiedenen Konsumenten aufteilt und die Produktion der gesamten Menge in optimaler Weise den einzelnen Produzenten »zuweist«. 27
Betrachten wir als Erstes die Nachfrageseite. Wir haben oben darauf hingewiesen, dass das Gleichgewicht auf der Nachfrageseite dadurch charakterisiert ist, dass sich die marginalen Zahlungsbereitschaften der Konsumenten über die Anpassung der individuell nachgefragten Mengen an den Marktpreis angleichen. Untersuchen wir nun die Optimalität dieses Ergebnisses. Nehmen wir dafür an, die Aufteilung sei statt in der marktgleichgewichtigen Weise so vorgenommen, dass Haushalt kε Einheiten mehr, d. h.
und Haushalt lε Einheiten weniger, d. h.
erhalten. (Es gilt
) Dann läge (wegen des fallenden Verlaufs der Nachfragekurven) die marginale Zahlungsbereitschaft für das Gut x beim Haushalt k niedriger als beim Haushalt l. Es wäre nun denkbar, dass die beiden Haushalte diese Ausgangslage zum beiderseitigen Vorteil änderten. Sie könnten sich z. B. darauf einigen, dass k dem lε Einheiten des Gutes x zum Preis p *übertrüge. Haushalt k hätte sich durch diesen Tausch verbessert, weil seine marginale Zahlungsbereitschaft für jede Einheit zwischen
und
unter der dafür erhaltenen Gegenleistung pro Einheit, nämlich p *, läge. Auch Haushalt l würde durch den Tausch bessergestellt. Für ihn läge nämlich die Wertschätzung jeder Einheit zwischen
und
über dem dafür von ihm an k zu entrichtenden Preis p *. Da also von der zunächst angenommenen Ausgangslage
eine Änderung möglich ist, die den Nutzen beider Beteiligten erhöht, kann die Ausgangssituation nicht sozial optimal gewesen sein. Schließlich ist die sozial optimale Aufteilung dadurch definiert, dass die Summe der (über die Zahlungsbereitschaft approximierten) Nutzen der beiden Parteien maximal ist. Der Leser mag sich selbst davon überzeugen, dass eine weitere Erhöhung des über die beiden Konsumenten aggregierten Nutzens nicht mehr möglich ist, sobald die marktgleichgewichtige Allokation
, realisiert ist. Das Marktgleichgewicht ist also auf der Nachfrageseite im oben definierten Sinne optimal.
Ähnlich lässt sich für die Angebotsseite argumentieren: Nehmen wir einmal an, in der Ausgangslage werde die insgesamt angebotene Menge x *von den beiden Firmen i und j bereitgestellt, indem i eine Menge
und j eine Menge
produziert. Dann wären die Grenzkosten von j höher als die von i. Steigert von dieser Ausgangslage ausgehend die Firma i ihre Produktionsmenge auf
und senkt die Firma j ihre Produktionsmenge auf
, so bleibt die insgesamt produzierte Menge bei x *, die dafür aufgewendeten Gesamtkosten sinken jedoch. Die bei Firma i zusätzlich entstehenden Kosten (in der Abbildung die Fläche
) 28 sind nämlich geringer als der bei Firma j eintretende Kostenentlastungseffekt (in der Abbildung die Fläche
). Die volkswirtschaftlich eingesparten Kosten (Ressourcen) könnten nach dieser Effizienzsteigerung dazu eingesetzt werden, etwas Nützliches (also mit positiver Zahlungsbereitschaft belegtes) herzustellen. Die Ausgangskonstellation
war demnach nicht sozial optimal. Der Leser mag sich selbst davon überzeugen, dass diese Bedingung jedoch von der marktgleichgewichtigen Konstellation
erfüllt wird.
Die »soziale Optimalität« des Marktgleichgewichts im idealtypischen ökonomischen Modell wurde oben extrem vereinfacht dargestellt. Dies konnte (vergleichsweise) guten Gewissens geschehen: Die Erklärung sollte sich aus didaktischen Gründen auf diejenigen Elemente des Problems beschränken, die im hier gegebenen speziellen Erörterungszusammenhang (»Internalisierung externer Effekte«) unerlässlich sind. Dennoch ist wohl der Hinweis angebracht, dass eine tiefer schürfende Analyse ein wesentlich differenzierteres Bild vermitteln würde als der obige Text. Auf die Probleme des sozialen Wohlfahrtsbegriffs wurde eingangs schon kurz hingewiesen. Außerdem muss erwähnt werden, dass die obige Präsentation aus Vereinfachungsgründen auf die Verhältnisse in einem einzelnen Markt verengt war. Damit wurde das Instrument der Partialanalyse (genauer: der partiellen Gleichgewichtstheorie) eingesetzt. Eine differenziertere Behandlung müsste jedoch das Zusammenspiel der Vorgänge auf verschiedenen Märkten thematisieren (Totalanalyse (genauer: allgemeine Gleichgewichtstheorie)). Dem Versuch, ein vollständiges Marktsystem mit allen Interdependenzen abzubilden und sein Allokationsergebnis zu bewerten, kommt in der Volkswirtschaftslehre eine fundamentale Bedeutung zu. Die Bemühungen wurzeln schon in den Werken der Gründungsväter der Nationalökonomie z. B. in An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of the Nations, 1776, von Adam Smith. Sie wurden von Kenneth Arrow und Gerard Debreu perfektioniert, die für ihre Beiträge 1972 bzw. 1983 jeweils mit dem Nobelpreis für Ökonomie ausgezeichnet wurden. 29
Wir haben oben die soziale Optimalität eines idealtypischen Marktmodells mit einer modellgestützten Plausibilitätsüberlegung erörtert. Unter dem sozialen Optimum wurde dabei diejenige Allokation verstanden, welche die soziale Wohlfahrt maximiert. Die soziale Wohlfahrt ist dabei als Überschuss der aggregierten Zahlungsbereitschaft über die Kosten definiert worden.
Im Hauptstrom der folgenden Darstellung behalten wir diesen Begriff von sozialer Optimalität bei. Bisweilen ist es jedoch (insbesondere aus didaktischen Gründen, aber auch um der besseren Anbindung an die einschlägige Literatur willen) angezeigt, einen etwas anderen Begriff von sozialer Optimalität zu verwenden. Dieser ist in der wirtschaftstheoretischen Literatur ebenfalls gängig und wird als Pareto- Optimum bezeichnet. Das betreffende Kriterium für die soziale Beurteilung von Zuständen lautet: Ein gesellschaftlicher Zustand A ist einem anderen Zustand B vorzuziehen, wenn sich in A mindestens ein Mitglied der Gesellschaft besser und kein anderes Mitglied schlechter stellt als in B. Dabei wird die individuelle Befindlichkeit stets vom betreffenden Individuum selber eingeschätzt. Dieses Konzept der Operationalisierung des sozialen Wohlfahrtsbegriffs geht auf den italienischen Soziologen und Ökonomen Vilfredo Pareto (1848-1923) zurück und wird als Pareto-Kriterium bezeichnet. Nach dem Pareto-Kriterium ist ein Zustand sozial optimal (»pareto-optimal«), wenn von ihm ausgehend keine Änderung mehr möglich ist, die auch nur ein Mitglied der Gesellschaft besserstellen würde, ohne ein anderes schlechterzustellen.
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