(Zu diesem Thema seien die Studien von David Cheek (Cheek 1959, 1962, 1964, 1966, 1980, 1988) zur intraoperativen akustischen Wahrnehmung sowie eine der darauf basierenden Studien an der Universität München (A. Kaiser Rekkas 1992) erwähnt; siehe auch den während des kardiochirurgischen Eingriffes präsentierten hypnotherapeutischen Tonbandtext mit der postoperativen Erinnerung von 23 % der Patienten im Kapitel ‚Hypnose in der Schmerztherapie‘.)
Sei er in tiefster Hypnose, der Patient lauscht uns. Er vernimmt die Melodie, die ihn begleitet, ihn geleitet und sichert, wie das Rauschen eines Baches, der an seiner Seite fließt. Es bewährt sich fast immer, während der Sitzung eine Tonbandaufnahme für das Üben zu Hause zu machen. Die meisten Patienten profitieren davon für die Selbsthypnose und verbinden automatisch das Hören der Stimme mit der therapeutischen Situation. „Ich brauche nur Ihre Stimme zu hören, da beginne ich mich schon zu entspannen und wohl zu fühlen …“ Oder die Aussage einer Patientin, die ab und an Hypnose mittels unserer Tonbandaufnahme in ihr turbulentes Leben einbaut: „Da nehme ich ein wenig ‚Instant-Agnes‘ zu mir.“ Naja, immerhin.
Wird die Stimme moduliert und differenziert eingesetzt, hat die Hypnotherapie ein wesentliches Agens dazugewonnen.
„Das ist gut so.“
Ein kleiner, unscheinbarer Satz. In wie vielen Variationen kann er ausgesprochen werden!
Hypnose darf nicht ‚triefelig‘ angeleitet werden: mit leiser, sedierender Stimmlage, besorgter Miene und der Angst im Nacken, die falsche Formulierung zu treffen. Das Repertoire sollte von heiter und beschwingt, über anspornend bis ernst, laut bis leise, und möglichst natürlich reichen. Die Worte auf der Zunge zergehen lassen, den Klang selber nachvollziehend, ganz in Konzentration, genügend geruhsame Pausen setzend, die sich stimmig anfühlen. Erlauben wir Zeiträume, in denen unsere Worte im Patienten zum Schwingen kommen und Bilder sich entfalten! Mit Hypnose arbeitend, empfiehlt es sich, die Augen selber öfters zu schließen, um ganz bei sich zu sein. Dann bekommt die Stimme einen schönen Klang und wirkt getragen. Als hypnotisches Fluidum verleiht sie dem Patienten Halt und Kraftund läßt ihn damit leichter therapeutische Schritte vollziehen.
2.2 Körperliche Berührung – fast ein Tabu
Befaßt man sich mit der Geschichte der Hypnose, wird deutlich, daß die veränderten Bewußtseinszustände, die wir heute mit „Hypnose“ bezeichnen, schon seit ihren frühen Anfängen über Mesmer bis in dieses Jahrhundert auch mit körperlicher Berührung zu tun hatten. In der klassischen Hypnose wird weiterhin Berührung zur Vertiefung der Trance eingesetzt. Erst in neuerer Zeit scheint das Anfassen des Patienten durch den Therapeuten einem nicht offen ausgedrückten Tabu zu unterliegen. Das wird verständlich, wenn wir die vielen Pseudotherapeuten auf dem Heiler- und Seelenmarkt, die das, was sie Hypnose nennen, zu egoistischen und kommerziellen Zwecken mißbrauchen, in Betracht ziehen. Vor allem in den USA erfolgten entsprechende Gerichtsprozesse, und so führt diese so effektive Art der therapeutischen Intervention ein Schattendasein. Aber was für eine verpaßte Chance! Dem Eid des Hippokrates verpflichtet, üben wir die Kunst des Heilens aus, und wir sollten nicht von einer Methode Abstand nehmen, nur weil sie andernorts mißbraucht oder verunglimpft wurde.
Ich plädiere für die körperliche Berührung in der psychotherapeutischen Arbeit mit Hypnose.
Wer kennt nicht das Wohlgefühl, auf angenehme Art berührt zu werden! Wird der Kopf sanft gehalten oder sachte und leicht bewegt, die Arme von den Schultern an abwärts zu den Händen hin ausgestrichen, ebenso die Beine, die Füße gehalten oder leicht gedrückt, erfahren wir Genuß und Entspannung. Die Wärme einer Hand zwischen den Schulterblättern läßt uns unseren „Rückhalt“ deutlicher spüren, die Hand auf dem Oberbauch die Atmung, in der Lumbalgegend die „Basis“. Genauso empfindet es unser Patient, wenn wir in Einklang mit uns selbst sind und der therapeutische Prozeß Berührung erlaubt.
Wann ist nun welche Berührung therapeutisch sinnvoll?
Es gibt drei Indikationen:
1 zur Förderung der Hypnosetiefe bei schweren Erkrankungen oder Erschöpfungszuständen
2 zur sichernden Begleitung in der Konflikt- und Traumabearbeitung
3 zur psychoneuralen Harmonisierung bei Spannungszuständen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Tics, Nervosität.
Zu 1) Fünf empfehlenswerte Varianten:
– Der Therapeut hält mit leichtem Druck, den er langsam nachläßt, mit der einen Hand den Kopf des Patienten an der Stirne und mit der anderen am Hinterkopf.
– Der Therapeut befindet sich hinter dem sitzenden oder liegenden Patienten und berührt mit warmen Händen Schläfen, Wangen und Kinn des Patienten.
– Der Therapeut befindet sich ebenfalls hinter dem Patienten und legt seine Hände vorsichtig von oben auf dessen Schultern. Dann übt er über kurze Zeit leichten Druck nach unten und gleichzeitig etwas nach außen und hinten ziehend aus. Der Patient verspürt dabei im besten Falle ein Absinken der Schultern und ein Öffnen des Brustkorbes mit erleichterter Atmung.
– Wird das als angenehm empfunden, kann der Therapeut den Kopf halten (wozu man sich der Schwere eines menschlichen Kopfes vorher bewußt sein sollte) und ganz langsam und überaus sachte leicht schaukelnd bewegen. Die daraus resultierenden vestibulären Reize wirken hypnosestimulierend. Vom Standpunkt der Bioenergetik aus kann in dem Moment, in dem die Schulter-Nackenmuskulatur in der Anspannung nachläßt, die im Kopf hochgehaltene Energie in den Körper abfließen, womit sich Blockaden lösen und Stauungen abfließen.
– Der Therapeut führt unter leichter Berührung etwa viermalig Ausstreichungen vom Kopf her abwärts über die Arme und dann über den Körper und die Beine aus, sich bei jedem Mal von der Körperoberfläche des Patienten weiter entfernend. Der Körpertherapeut rät zum anschließenden Ausschütteln der Hände, um vom Patienten aufgenommene Energie wieder „abzuschütteln“.
Die Hände sollten nach dem Berühren generell nicht einfach weggenommen werden, sondern sich nur langsam zentimeterweise entfernen, so daß die davon ausstrahlende Wärme und Energie noch verspürt werden können. Erst dann sollten die Hände „entschweben“.
Zu 2)
Sobald ich bemerke, daß der Patient sich seinem Trauma nähert und die Situation für ihn bedrohlich wird, rutsche ich näher zu ihm hin, was ich gleichzeitig anspreche: „Ich bin bei Ihnen.“ oder: „Bleiben Sie dabei. Sie machen das sehr gut. Sie können da jetzt weiterkommen. Ich begleite Sie.“ Das ermutigt in der ‚Gefahrensituation‘ und läßt die Chance der anschließenden Verarbeitung wachsen. Intuitiv berühre ich den Patienten, wenn ich ihn in seinem Unwohlsein und in seiner Hilflosigkeit erlebe und sage, „Ich berühre Sie jetzt am Arm. Das gibt Ihnen Rückhalt, zu erledigen, was zu erledigen ist …“ etc. Die Berührung vermittelt dem Patienten die Verankerung in der äußeren Realität. Er erfährt deutlicher die Dissoziation von äußerem und innerem Erleben, lernt diese zwei Welten zu trennen und kann sich dem inneren Prozeß und seiner therapeutischen Arbeit intensiver widmen.
Ebenso wie das Näherkommen ist auch das Entfernen zum richtigen Zeitpunkt von entscheidender Wichtigkeit. Sobald deutlich wird, daß der Patient die Klippe überwunden hat, geht meine Hand zurück. Ich rutsche meinen Stuhl wieder in die Ausgangsposition und betone, daß er das nun am besten alleine erledigen könne. Leistet der Patient die abschließende „Integrationsarbeit“, sollte sich der Therapeut völlig zurückziehen und darauf vertrauen, daß dieses ohne sein Zutun am besten vonstatten geht. Der Patient selber ist sich in dieser Phase der Therapie der beste Begleiter.
Читать дальше