»Gut«, erwiderte Isa. Sie lächelte ihn breit an. »Das ist doch gut, oder?«
McIlveen nickte und lächelte zurück. Sie teilten dieselbe Faszination für die Yautja, und in den Wochen, in denen sie hier warteten, hatten sie weiterhin zusammengearbeitet. Ihr Übersetzungsprogramm verbesserte sich immer mehr. Während der Friedenskonferenz an Bord des unabhängigen Forschungsschiffes Tracey-Jane konnte sie direkt mit Kalakta vom Clan der Ältesten interagieren und ihre Konversation für spätere Analysen aufzeichnen. Und selbst zu diesem Zeitpunkt wusste sie schon genug, um sich mit ihm unterhalten zu können, was in dem Waffenstillstand zwischen ihren Rassen mündete.
Seither hatten sie und McIlveen erhebliche Fortschritte in ihrem Verständnis der Sprache der Yautja machen können. Zuallererst hatten sie herausgefunden, dass es sich nicht um eine einzige Sprache handelte, sondern um verschiedene Variationen einer solchen. Die Abweichungen gingen dabei über reine Dialekte hinaus und unterschieden sich teilweise so sehr voneinander wie es das Englische vom Französischen tat, mit ein paar Grundwörtern, die sich glichen, und vielen anderen, die sich komplett voneinander unterschieden.
Darüber hinaus entwickelte sich die Sprache der Yautja ständig weiter. Bei ihrem Treffen hatte Kalakta davon gesprochen, schon früher auf Menschen getroffen zu sein, und an einigen Stellen seiner Phraseologie stießen sie auf Spuren menschlicher Redeweisen – nicht zu sehr in den benutzten Worten, sondern in der Reihenfolge ihrer Worte und ihrer Anwendung. Auf die gleiche Art, wie man mutmaßte, dass die Yautja verschiedene Technologien anderer Rassen oder Zivilisationen der Galaxie stahlen oder sich ihrer bemächtigten, schienen sie sich auch verschiedene Sprachen und Sprachmuster anzueignen.
»Verdammt, ich wünschte, wir könnten uns noch einmal mit ihnen treffen«, sagte sie. Sie nippte wieder an ihrem Kaffee und musterte das fade, aber nahrhafte Frühstück in der Tüte. Hieß es denn nicht ständig, dass die Marines gut versorgt und wohl genährt wären? Verkündeten sie nicht stets voller Stolz, dass sie mit den besten Nahrungsmitteln beliefert wurden, egal, wo sie stationiert waren?
Aber vielleicht hielten sie das hier ja für gutes Essen. Wenn dem so war, dann hasste sie es, sich auf einem Marine-Schiff oder einer Basis zu befinden, die mit derartig schlechten Kochkünsten geschlagen war.
»Vielleicht bekommen wir ja noch einmal Gelegenheit dazu«, sagte McIlveen. »Sie halten sich sicher aus einem bestimmten Grund in unserer Nähe auf.«
»Die Yautja sind nicht leicht zu durchschauen«, sagte Isa. Sie musste wieder an ihren Traum denken, indem aus Frieden Krieg wurde und ihr Triumph in Blutvergießen endete.
»Vielleicht sind Snow Dog und ihre Crew deswegen die ganze Zeit da draußen.«
»Pass nur auf, dass dich Halley nicht dabei hört, wenn du sie so nennst.«
McIlveen zuckte nur mit den Achseln.
»Also glaubst du, sie sind da draußen unterwegs, um die Yautja zu überwachen?«, fragte Isa.
»Wie du schon sagtest, sie sind schwer zu durchschauen. Es mag ja ein Waffenstillstand herrschen, vielleicht sogar Frieden, aber deswegen werden sie die Marines trotzdem nicht einfach so in unserem System herumfliegen lassen, ohne sie im Auge zu behalten.«
Isa nickte zustimmend. »Ich frage mich, ob Kalakta bei ihnen geblieben ist«, sagte sie und blinzelte langsam, als sie wieder sein Maul vor sich sah, das sich öffnete und bereit war, mit seinen Fangzähnen ihr Gesicht aufzuspießen und es von ihrem Schädel zu reißen. Sie zitterte.
»Hat dir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, was?«, sagte McIlveen leise, aber es war offensichtlich, dass der Älteste bei ihnen beiden Eindruck hinterlassen hatte.
»Es ist sein Alter«, sagte Isa. »Ich war ihm so nahe, dass ich seinen Atem riechen und in seine Augen sehen konnte. Die einzigen anderen Menschen, die ihm jemals so nahe kamen …«
»Liegen mittlerweile wahrscheinlich als Trophäen in seinem Schrank.«
Isa starrte in ihren Kaffee. »Er könnte gut und gern eintausend Jahre alt sein. Ist vielleicht durch die ganze Galaxie gereist. Wir forschen, dringen Jahr für Jahr weiter vor. Auch unsere Technologien entwickeln sich weiter, wir entwickeln völlig neue Antriebe. Eines Tages wird irgendwann irgendwo ein Titan-Schiff ankommen, um ein Sprungtor zu errichten, und dort bereits eine menschliche Kolonie vorfinden.«
»Das ist der Fortschritt«, sagte McIlveen.
»Oder das, was wir für Fortschritt halten«, erwiderte sie. »Für die Yautja kriechen wir gerade mal dahin. Manchmal denke ich, wir sind die Rehe und sie die Löwen, und ab und an kommen sie in die Sphäre, um mit uns zu spielen.« Sie blies über ihren Kaffee und schaute zu, wie der Dampf in kleinen Kringeln aufstieg. »Was sie alles schon gesehen haben müssen.«
»Und wie geht es dir?«, wechselte McIlveen das Thema.
»Gut. Bereit, von diesem Felsen herunterzukommen.«
»Selbst wenn das bedeutet, wieder nach Hause zu kommen?«
»Nach Hause?«, fragte Isa. Die Vorstellung überraschte sie. Sie hatte nie einen bestimmten Ort als ihr Zuhause betrachtet, denn sie fühlte sich immer dort am wohlsten, wo sie ihre Studien betreiben konnte, und für mehr als ein Jahrzehnt war das die Love Grove Basis gewesen. Vielleicht war es nun an der Zeit, das anders zu sehen.
»Weißt du, Marshall ist in dieser Geschichte nicht der Böse«, erklärte McIlveen.
»Sagst du.«
»Ich kenne ihn. Klar, er ist einer der Dreizehn, aber das macht ihn nicht automatisch zu einem bösen Mann.«
»Die Dreizehn, die über die Technik der direkten Subraumkommunikation verfügen, sie aber für sich behalten? Bedenke doch nur einmal, wie sehr das den Menschen helfen würde, Milt.«
»Darüber weiß ich nichts.« Das Gespräch war aufgeladen, angespannt, da sich die beiden nur selten über McIlveens Herkunft und seine Intentionen unterhielten. Isa glaubte daran, dass er ein guter Mensch war und ehrlich dazu. Doch wann immer sie auf Gerard Marshall zu sprechen kamen, roch McIlveen unglaublich nach der Company, mit all ihren zweifelhaften Ansichten.
»Er will mich wegen der Dinge, die ich über die Yautja weiß, in seiner Nähe haben«, sagte sie.
»Er will dich in Sicherheit wissen«, protestierte McIlveen. »Wer weiß, was uns erwartet? Und du sagst es ja selbst – sie sind schwer zu durchschauen. Dieser vorläufige Frieden, dem sie zugestimmt haben, könnte auch nur Teil eines größeren Plans sein.«
»Das glaubst du doch nicht wirklich.«
»Nein«, sagte McIlveen nach einem Schulterzucken. »Ich schätze nicht. Aber du hast mehr über sie bereits wieder vergessen, als ich je über sie wusste, und das macht dich zu einer Person von unschätzbarem Wert.«
»Ich habe geschworen, nie wieder zur Erde zurückzukehren.«
»Aber die Dinge haben sich geändert«, sagte McIlveen.
Sie verließen gemeinsam ihre Kabine und durchquerten die Basis auf dem Weg zum Aufenthaltsbereich, wo sie die meiste Zeit verbrachten. Dort gab es bequeme Stühle, anständigen Kaffee oder Spieltische, an denen sie sich vergnügen konnten, während sie unterschiedliche Standpunkte in ihren Forschungen besprachen. Manchmal gingen sie auch nach draußen, doch wenngleich LV-1657 weitaus gemäßigter war als der Planet, den sie zurückgelassen hatten, barg er doch seine Gefahren. Das Terraforming hatte die Luft in diesem Sektor atembar gemacht und tausende Quadratmeter an Waldflächen waren zu einer Heimat für viele Insekten und kleine Echsen geworden. Die Tiere waren importiert und ihnen bekannt, aber sie passten sich erstaunlich schnell an die neuen Lebensbedingungen an. Mutationen waren an der Tagesordnung und traten in einer Geschwindigkeit auf, die die Evolution hier noch schneller vorantrieb.
Ein paar Spezies waren zu Jägern geworden. Es hatte bereits einige Todesfälle durch zuerst harmlos aussehende Insektenbisse gegeben, von vormals ungefährlichen Insekten, die auf ihrem Weg an die Spitze der Nahrungskette plötzlich Giftstacheln gebildet hatten. Außerdem fürchtete man, dass Schädlinge von den Versorgungsschiffen in die Wildnis gelangt waren, und niemand konnte sagen, auf welche Art sie sich anpassen würden.
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