TIM LEBBON
Ins Deutsche übersetzt von
Stephanie Pannen
Die deutsche Ausgabe von EDEN
wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler,
Übersetzung: Stephanie Pannen; Lektorat: Katrin Aust;
verantwortlicher Redakteur: Markus Rohde; Korrektorat: Peter Schild;
Satz: Rowan Rüster; Umschlag-Foto: Adobe Stock;
Printausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohořelice.
Printed in the EU.
Titel der Originalausgabe: EDEN
Copyright © 2020 by Tim Lebbon
published in agreement with the author, c/o BAROR INTERNATIONAL, INC.,
Armonk, New York, U.S.A. through.
German translation copyright © 2020, by Cross Cult.
Print ISBN 978-3-96658-313-8 (Oktober 2020)
E-Book ISBN 978-3-96658-314-58 (Oktober 2020)
WWW.CROSS-CULT.DE
»Selbsterhaltung ist das oberste Gesetz der Natur.«
– Sprichwort
KAT KAT Eden scheint ein guter Ort zu sein, um zu sterben. Bevor sie eintraf, hatte sie gehofft, dass es so sein würde, doch jetzt ist sie davon überzeugt. Selbst wenn sie noch nicht bereit wäre, den ewigen Schlaf zu akzeptieren, ist Dunkelheit alles, was sie erwartet. Nach dem, was sie gesehen und erlebt hat und was vor ihr liegt, besteht kein Zweifel daran. Der tiefe Wald, der sie umgibt, singt unbekannte Lieder in Stimmen, die sie nicht versteht. Sie war nie jemand, der um Aufmerksamkeit gebuhlt hat. Ganz im Gegenteil, und das war auch ihr Hauptgrund dafür, herzukommen. Sie kam, um sich selbst zu verlieren und so etwas wie Frieden zu finden. Stattdessen hat etwas sie gefunden. Sie wischt sich Blut aus dem rechten Auge und ist überrascht, wie schnell es trocknet. Es formt eine Kruste, die ihr fast das Augenlid zuklebt. Sie will dem Tod nicht mit nur einem offenen Auge entgegentreten. Sie reißt sich ein paar Wimpern aus, als sie die gerinnende Masse auseinanderzieht. Nun sind ihre Fingerspitzen und Handinnenfläche damit verschmiert und es bildet dunkle Halbmonde unter ihren Nägeln. Sie starrt sie an und verspürt Traurigkeit über all das, was geschehen ist. Es ist nicht ihr Blut. Sie sieht in das Blätterdach und den blauen Himmel darüber auf. Die Zweige schwingen in der Brise, ein beruhigender Tanz zum natürlichen Jazz der Vögel und Tiere und dem Ruf von etwas anderem. Wolkenfetzen ziehen vorüber. Der Anblick lässt sie schwindeln, doch sie schließt nicht die Augen. Stattdessen schaut sie auf den Boden und sieht Schatten von den Bäumen fließen. Untermalt wird ihr Näherkommen vom anschwellenden Missklang der Waldgeräusche. Sie atmet zitternd aus. Nach all den Jahren und Kilometern, die sie hierhergeführt haben, hatte sie immer geglaubt, dass es am Ende die Krankheit sein würde, die sie erledigt. Sie hatte nichts Schlechtes im Sinn, als sie nach Eden kam, sondern hatte gehofft, unter ihren eigenen Bedingungen sterben zu können. Etwas Schlimmeres hatte sie nicht erwartet. Als die Schatten ihre Haut berühren, legt sich ihre Hand um den filigranen Hals des Geistes, den sie gefunden hat.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
KAT
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
KAT
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
KAT
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
KAT
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
KAT
Kapitel 29
Kapitel 30
KAT
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
KAT
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
KAT
Eden scheint ein guter Ort zu sein, um zu sterben. Bevor sie eintraf, hatte sie gehofft, dass es so sein würde, doch jetzt ist sie davon überzeugt. Selbst wenn sie noch nicht bereit wäre, den ewigen Schlaf zu akzeptieren, ist Dunkelheit alles, was sie erwartet. Nach dem, was sie gesehen und erlebt hat und was vor ihr liegt, besteht kein Zweifel daran.
Der tiefe Wald, der sie umgibt, singt unbekannte Lieder in Stimmen, die sie nicht versteht. Sie war nie jemand, der um Aufmerksamkeit gebuhlt hat. Ganz im Gegenteil, und das war auch ihr Hauptgrund dafür, herzukommen. Sie kam, um sich selbst zu verlieren und so etwas wie Frieden zu finden. Stattdessen hat etwas sie gefunden.
Sie wischt sich Blut aus dem rechten Auge und ist überrascht, wie schnell es trocknet. Es formt eine Kruste, die ihr fast das Augenlid zuklebt. Sie will dem Tod nicht mit nur einem offenen Auge entgegentreten. Sie reißt sich ein paar Wimpern aus, als sie die gerinnende Masse auseinanderzieht. Nun sind ihre Fingerspitzen und Handinnenfläche damit verschmiert und es bildet dunkle Halbmonde unter ihren Nägeln. Sie starrt sie an und verspürt Traurigkeit über all das, was geschehen ist. Es ist nicht ihr Blut.
Sie sieht in das Blätterdach und den blauen Himmel darüber auf. Die Zweige schwingen in der Brise, ein beruhigender Tanz zum natürlichen Jazz der Vögel und Tiere und dem Ruf von etwas anderem. Wolkenfetzen ziehen vorüber. Der Anblick lässt sie schwindeln, doch sie schließt nicht die Augen.
Stattdessen schaut sie auf den Boden und sieht Schatten von den Bäumen fließen. Untermalt wird ihr Näherkommen vom anschwellenden Missklang der Waldgeräusche. Sie atmet zitternd aus. Nach all den Jahren und Kilometern, die sie hierhergeführt haben, hatte sie immer geglaubt, dass es am Ende die Krankheit sein würde, die sie erledigt. Sie hatte nichts Schlechtes im Sinn, als sie nach Eden kam, sondern hatte gehofft, unter ihren eigenen Bedingungen sterben zu können. Etwas Schlimmeres hatte sie nicht erwartet.
Als die Schatten ihre Haut berühren, legt sich ihre Hand um den filigranen Hals des Geistes, den sie gefunden hat.
»Unser Ziel war ambitioniert, unsere Absichten rein, unsere Herzen und Gedanken auf eine einfache Aufgabe gerichtet: die Welt zu retten.«
Ekow Kufuor, Oberster Vorsitzender des Vereinten Zonenrats
»Nach allem, was du getan hast, erstaunt es mich immer noch, dass du Angst vorm Fliegen hast.«
Jenn nahm die Bemerkung mit einem leisen Brummen zur Kenntnis, das sie über den Motorengeräuschen des alten Flugzeugs kaum hören konnte. Sie starrte auf Coves Hinterkopf, umklammerte mit rechts den Sitz vor sich und mit links Aarons Hand. Sie konnte spüren, wie der Schweiß ihre Handflächen zusammenklebte und wusste, dass es nicht nur ihr eigener war. Wenn er tatsächlich wegen des Flugs nervös war, würde der Schmerz durch ihren Klammergriff zumindest eine willkommene Abwechslung sein.
Doch Aaron hatte keine Angst vorm Fliegen. Aus dem Augenwinkel konnte sie sein Grinsen sehen, ein Ausdruck kindlicher Freude, während er bei dieser Flughöhe die Baumwipfel über ihnen vorbeirasen sah.
»Jenn.«
»Was?«
»Ich habe gesagt …«
»Ich hab dich gehört, Dad. Vielen Dank.«
»Erinnerst du dich, wie du mal diesen Basejump vom Burj Khalifa gemacht …«
»Das ist nicht hilfreich.« Er musste ihre wachsende Verärgerung wahrgenommen haben, denn er verstummte. Ohne den Kopf zu drehen, schaute sie nach rechts über den Gang hinweg und sah, was sie erwartet hatte – ihren Vater, der mit einem entspannten Lächeln auf seinem Platz saß.
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