Herr Sagloba trocknete sich die Stirn, und seine Stimme schwoll immer mehr an. Den Rittern führte die Erinnerung oder die Einbildungskraft alle jene blutigen Ereignisse lebendig vor die Augen. Sie sahen die Schanzen, wie von einem Menschenmeer umgeben, und die tollen Stürme. Sie hörten den Lärm, das Geheul, den Donner der Geschütze, das Knallen der Musketen, sahen den Fürsten im silbernen Panzer auf den Wällen mitten im Kugelregen. Dann das Elend, den Hunger, jene blutroten Nächte, in welchen der Tod wie ein großer, unheimlicher Vogel über dem Lager kreiste ... Longinus' und Skrzetuskis Fortgang ... Und alle horchten andächtig, zuweilen den Blick nach oben gerichtet oder den Säbelgriff fassend, und Herr Sagloba endete folgendermaßen:
»Jetzt ist Sbarasch nur ein Leichenstein, ein großer Totenhügel, und daß unter ihm nicht auch noch die Ehre der Republik, die Blüte der Ritterschaft, der Fürst-Wojewode und ich, wir alle, die wir selbst von den Kosaken die Löwen genannt wurden, dort begraben liegen, das hat dieser dort bewirkt!«
Indem er das sagte, zeigte Sagloba auf Skrzetuski.
»So wahr ich lebe, das ist wahr!« riefen gleichzeitig Marcus Sobieski und Prschyjemski.
»Ruhm ihm! Ehre und Dank!« riefen die kräftigen Stimmen der Ritter. »Vivat Skrzetuski! Vivat das junge Paar! Es lebe der Held!« rief man immer lauter.
Begeisterung hatte alle Anwesenden ergriffen. Die einen liefen nach Bechern, andere warfen die Mütze in die Höhe. Die Soldaten fingen an, mit den Säbeln dazu zu rasseln – und im Augenblick ertönte ein allgemeiner donnernder Ruf:
»Ruhm und Ehre ihm! Er soll leben!« Skrzetuski senkte wie ein echter Ritter und Christ demütig den Kopf, – aber die Prinzessin stand auf, schüttelte ihre Zöpfe, ihre Wangen färbten sich rot, und die Augen blickten stolz, denn dieser Ritter sollte ihr Gatte werden. Der Ruhm des Gatten aber fällt auf das Weib wie die Strahlen der Sonne auf die Erde.
*
Spät in der Nacht erst brachen die Versammelten nach zwei Seiten hin auf. Witowski und seine Gattin, Prschyjemski und der Starost von Krasnostaw zogen mit ihren Abteilungen nach Toporow, und Skrzetuski mit der Prinzessin und der Fahne Wolodyjowskis nach Tarnopol. Die Nacht war hell wie der Tag. Ganze Schwärme von Sternen leuchteten am Himmel. Der Mond ging auf und beschien die mit den silberweißen Fäden des sogenannten Altweibersommers bedeckten Felder. Die Soldaten fingen an zu singen; späterhin stiegen leichte Nebel von den Wiesen auf und verwandelten die Gegend in einen riesengroßen, mondbeleuchteten See.
Eine solche monddurchleuchtete Nacht war es auch, als Skrzetuski von Sbarasch fortgegangen war. Damals hatte Angst und Sorge ihn fast besinnungslos gemacht, heute erfüllte Seligkeit seine Brust, denn nach all den überstandenen Qualen fühlte er jetzt das Herz der Prinzessin an dem seinigen schlagen.
Inhaltsverzeichnis
Die geschichtliche Tragödie war weder bei Sbarasch noch bei Sborowo beendet, ja nicht einmal ihr erster Akt hatte dort ausgespielt, Zwei Jahre später erhob sich wieder das gesamte Kosakenvolk zum Kampfe gegen die Republik. Chmielnizki war stärker denn je, und mit ihm zog der Khan mit allen seinen Horden, – und dieselben Führer, welche schon vor Sbarasch gestanden hatten, – der wilde Tuhaj-Bey, Urum-Mirza und Artimgirai, nebst Nuradyn und Galga, Amurad und Subhagasi. Mächtige Feuersäulen und menschliches Wehklagen zeigten den Weg an, den sie nahmen. Tausende von Kriegern bedeckten die Felder, füllten die Wälder; eine halbe Million Lippen öffneten sich zu Kriegsrufen, und den Menschen schien es, als sei die letzte Stunde der Republik gekommen.
Aber auch die Republik erwachte aus ihrer Erstarrung; sie hatte die frühere Politik des Kanzlers, die Herstellung des Friedens durch den Abschluß von Verträgen aufgegeben. Es war nun klar, daß nur das Schwert einen längeren Frieden sichern konnte; als demnach der König dieser feindlichen Überschwemmung entgegenrückte, ging mit ihm ein Heer von hunderttausend Mann, außer der Menge der Diener und Troßbuben.
Keine der Personen fehlte, welche in unserer Erzählung mitgewirkt hatten. Da waren der Fürst Jeremias Wischniowiezki mit seiner ganzen Division, in welcher damals Skrzetuski und Wolodyjowski dienten, zusammen mit dem Freiwilligen Sagloba. Da waren auch die beiden Hetmane Potozki und Kalinowski, zu dieser Zeit schon durch Lösegeld aus ihrer tatarischen Gefangenschaft befreit. Auch Stefan Tscharniezki, der spätere Besieger des Schwedenkönigs Karl Gustav, Prschyjemski, welcher die ganze Artillerie kommandierte, der General Ubald, Arzischewski, der Starost von Krasnostaw und sein Bruder, der Starost von Jaworowo, der spätere König Johann III., Ludwig Weyher, der Wojewode von Pommern, Jakob, der Wojewode von Marienburg, der Fahnenträger Koniezpolski und Fürst Dominik Saslawski, sodann Bischöfe und Kronswürdenträger, Senatoren – die ganze Republik mit ihrem Oberfeldherrn, dem Könige.
Auf den Feldern von Berestetsch stießen endlich die Hunderttausende der feindlichen Heere aufeinander, und dort wurde eine der größten Schlachten in der Weltgeschichte geschlagen, von deren Lärm damals ganz Europa widerhallte.
Sie währte drei Tage. Während der ersten zwei Tage blieb der Sieg unentschieden, aber am dritten kam es zur Entscheidung und zum endgültigen Siege. Jenen Kampf leitete Fürst Jeremias ein.
Und man sah ihn, wie er an der Spitze des ganzen linken Flügels ohne Waffen, mit entblößtem Haupte, wie ein Wirbelwind auf die riesengroßen Haufen losstürmte, die aus allen saporogischen Kriegsknechten, den Krim-Nohajern, Bialogrod-Tataren, den silistrischen und rumelischen Türken, den Urumbalen, Janitscharen, Serben, Walachen, Peryeren und anderen wilden Kriegern vom Ural und dem Kaspischen Meer bis zur Donau zusammengesetzt waren.
Und wie der Fluß in den schäumenden Meereswellen den Augen entschwindet, so verloren sich die Schwadronen des Fürsten in diesem Feindesmeer. Eine Staubwolke erhob sich in der Ebene wie eine Windhose und verhüllte die Kämpfenden.
Diesem übermenschlichen Kampfe sahen das ganze Heer und der König zu, und der Unterkanzler Leschtschynski erhob das hölzerne Kreuz und segnete damit die Verschwindenden.
Inzwischen zog das ganze Kosakenlager, an zweihunderttausend Mann zählend, mit Kanonen, die Feuer spieen wie Drachen, aus den Wäldern langsam dem königlichen Heere entgegen.
Aber ehe ihre ganze Macht sich aus den Staubwolken herauszuwinden vermochte, in denen die Abteilung Wischniowiezkis verschwunden war, lösten sich erst einzelne Reiter, dann mehrere Hunderte, Tausende und Zehntausende los und jagten dem Hügel zu, auf welchem der Khan, umgeben von seiner ausgewählten Garde, hielt.
Die wilde Menge floh in blindem Schrecken in größter Unordnung – die polnischen Abteilungen jagten ihnen nach.
Tausende Saporoger und Tataren bedeckten das Schlachtfeld, mitten unter ihnen lag, vom Rapier zweifach durchbohrt, der Todfeind der Lechen und treueste Bundesgenosse der Kosaken, der wilde, tapfere Tuhaj-Bey.
Der schreckenverbreitende Fürst triumphierte.
Aber der König sah mit dem Blick des Führers den Sieg des Fürsten und beschloß, die Horden vollends zu vernichten, ehe die Kosaken herankommen konnten.
Das ganze Heer rückte vorwärts, alle Geschütze donnerten, Tod und Verderben verbreitend. Bald fiel der Bruder des Khans, der prächtige Amurad, von einer Kugel in die Brust getroffen.
Die Horden brachen in ein Wehgeheul aus. Der erschreckte und gleich im Anfang der Schlacht verwundete Khan sah auf das Schlachtfeld. In der Ferne, mitten im Donner der Geschütze, zogen Prschyjemski und der König selbst heran, und seitwärts dröhnte die Erde unter der Last der zum Kampfe stürmenden Reiterei.
Da erbebte Artimgirai und hielt nicht stand, sondern floh, und ihm nach flohen sämtliche Horden, die Walachen, Urumbalen und die saporogische Reiterei, die silistrischen Türken und die Moslemiten, wie die Wolken vor dem Winde.
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