»Macht Platz! Macht Platz!« rief der Probst.
»Und wer will dort durch?«
»Der Waffenbruder aus Sbarasch.«
»Ehre ihm! Ehre ihm!« riefen zahlreiche Stimmen.
Und sie traten sogleich auseinander, aber andere drängten noch mehr, um den Helden zu sehen. Und sie blickten staunend auf dieses Elend, dieses verunstaltete, vom Monde beleuchtete Gesicht, und flüsterten einander wieder staunend zu:
»Aus Sbarasch, aus Sbarasch! ...«
Nur mit größter Mühe brachte der Probst den Skrzetuski in die Probstei. Dort ließ er ihn, gebadet und von Blut und Schmutz gereinigt, auf das Bett des Ortspfarrers legen. Er selbst ging sogleich zum Heere, welches eben auszog.
Skrzetuski war fast besinnungslos, aber das Fieber ließ ihn nicht gleich einschlafen. Er wußte nicht mehr, wo er war, und was mit ihm geschah. Er hörte nur ein Summen, Hufschläge, Wagengerassel, den donnernden Tritt der Fußsoldaten, das Geschrei, die Trompetenklänge – und alles vermischte sich in seinen Ohren zu einem einzigen großen Brausen ... »Das Heer zieht ab« ... murmelte er vor sich hin. Dann fing das Brausen an sich zu entfernen, schwächer zu werden, zu verhallen, – bis endlich tiefe Stille Toporow umfing.
Da schien es Herrn Skrzetuski, als ob er samt dem Bette immer tiefer in einen bodenlosen Abgrund sinke.
Inhaltsverzeichnis
Er schlief mehrere Tage, aber auch nach dem Erwachen hatte das böse Fieber ihn noch nicht verlassen, und er redete noch lange irre, sprach von Sbarasch, dem Fürsten, dem Starosten von Krasnostaw, unterhielt sich mit Herrn Michael und Sagloba, rief Herrn Longinus zu: »Nicht hier!« Nur der Prinzessin tat er nicht einmal Erwähnung. Man sah, daß die unermeßliche Kraft, vermöge welcher er ein für allemal ihr Gedenken in sein Innerstes verschlossen hatte, ihn sogar in diesem Zustand der Schwäche und Krankheit nicht verließ. Dafür schien ihm, als ob Rzendzians pausbäckiges Gesicht sich über ihn beuge, gerade wie er es damals gesehen, als der Fürst nach der Schlacht bei Konstantinow ihn mit einigen Fahnen nach Saslaw geschickt hatte, um die Rebellenhaufen zu zersprengen, und Rzendzian plötzlich unerwartet im Quartier erschienen war. Und der Anblick dieses Gesichtes verwirrte seine Sinne, denn ihm war, als habe die Zeit in ihrem Laufe stillgestanden und sich nichts seitdem verändert. Er glaubte sich wieder an dem Chomor schlafend in einer Hütte. Als er erwacht, zieht er mit den Fahnen nach Tarnopol – Krschywonos flieht geschlagen zu Chmielnizki ... Rzendzian ist aus Huschtscha gekommen und sitzt bei ihm ... Skrzetuski möchte mit ihm sprechen, möchte dem Burschen den Auftrag geben, die Pferde zu satteln, – er vermag es nicht ... Und dann wieder ist ihm, als sei er nicht am Chomor, und daß doch seitdem die Einnahme von Bar stattgefunden hat – da preßt ihm der Schmerz die Zähne zusammen, und die unglückseligen Gedanken verlieren sich wieder im Dunkel. Er weiß nichts mehr, sieht nichts, – aber aus diesem Gedankenchaos, dieser Macht taucht Sbarasch ... die Belagerung ... Er ist also nicht am Chomor. Und doch sitzt Rzendzian bei ihm, beugt sich über ihn. Durch die in den Fensterläden ausgeschnittenen Herzen fällt ein schmaler Streif hellen Tageslichtes und beleuchtet deutlich das Gesicht des Burschen, in welchem sich Sorgfalt und Mitleid malen.
»Rzendzian!« ruft plötzlich Herr Skrzetuski.
»O, mein gnädiger Herr! Daß Ihr mich endlich erkennt!« ruft der Bursche aus und fällt auf die Kniee. »Ich glaubte schon, daß der gnädige Herr niemals mehr aufwacht ...«
Es folgte eine Weile Stillschweigen, man hörte nichts, als das Schluchzen des Burschen, welcher fortwährend die Füße seines Herrn umklammerte.
»Wo bin ich?« fragte Skrzetuski.
»In Toporow ... der gnädige Herr ist aus Sbarasch zum König gekommen ... Gott sei gelobt! Gott sei gelobt!«
»Und wo ist der König?«
»Er ist mit dem Heere zur Rettung des Fürst-Wojewoden geeilt.«
Wieder trat Stille ein. Freudentränen flössen unaufhörlich über Rzendzians Angesicht, der nach einer Weile von neuem begann:
»Daß ich doch den gnädigen Herrn noch wiedersehe!«
Dann stand er auf, öffnete den Fensterladen und das Fenster.
Die frische Morgenluft drang in die Stube, mit ihr das volle Tageslicht. Mit diesem Lichte kehrte Skrzetuski die volle Besinnung zurück.
Rzendzian setzte sich zu Füßen des Bettes.
»So bin ich aus Sbarasch gekommen?« fragte der Ritter.
»Jawohl, mein gnädiger Herr. Es konnte niemand das leisten, was Ihr geleistet habt, und auf Eure Veranlassung ist der König zu Hilfe geeilt.«
»Herr Longinus hat es vor mir versucht, ist aber gefallen.«
»O, mein Gott! Herr Longinus ist tot? Ein so tugendhafter und freigebiger Herr! ... Der Schreck hat mir fast den Atem benommen. Wie sie nur so einen Riesen bezwungen haben.«
»Sie haben ihn mit Pfeilen erschossen.«
»Und Herr Wolodyjowski und Sagloba?«
»Die waren noch heil, als ich fortging.«
»Gott sei Dank. Das sind des gnädigen Herrn liebe Freunde ... Aber der Herr Probst hat mir zu reden verboten.«
Rzendzian verstummte und strengte seinen Kopf eine Zeitlang an. Man sah seinem pausbäckigen Gesicht an, daß er nachdachte. Nach einer Weile sagte er:
»Gnädiger Herr!«
»Was willst du?«
»Was wird eigentlich mit dem Vermögen des Herrn Longinus geschehen? Er soll ja Dörfer und allerlei Güter ohne Zahl haben. Ob er den Freunden etwas verschrieben hat? Denn wie ich höre, hat er keine Familie.«
Skrzetuski antwortete nicht. Rzendzian erkannte daran, daß die Frage seinem Herrn nicht gefiel, und er fing also wieder an:
»Aber Gott sei Dank, daß Herr Sagloba und Herr Wolodyjowski gesund sind; ich dachte, sie wären damals in die Hände der Tataren gefallen ... wir haben viel Not miteinander ausgestanden ... nur hat mir der Herr Probst verboten, zu reden ... Ei, gnädiger Herr, ich dachte nicht, daß ich sie wieder sehen würde, denn die Tatarenhorde hatte uns so zugesetzt, daß wir uns keinen Rat mehr wußten.«
»Du warst also mit Herrn Wolodyjowski und Sagloba? Sie haben mir nichts davon gesagt.«
»Denn auch sie wußten nicht, ob ich gerettet sei, oder umgekommen bin.«
»Und wo hat euch die Horde so zugesetzt?«
»Hinter Ploskirow, auf dem Wege nach Sbarasch. Wir waren nämlich weit hinter Jampol – gnädiger Herr ... aber der Probst hat mir zu sprechen verboten.«
Sie schwiegen wieder.
»Gott lohne euch euren guten Willen und die Mühsal,« sagte Skrzetuski, »denn ich weiß, warum ihr dort waret; auch ich war vor euch in jener Gegend ... umsonst ...«
»Ei, mein gnädiger Herr, wenn der Probst nicht wäre. Aber der hat mir so gesagt: ich muß mit dem Könige nach Sbarasch gehen, hüte den Herrn Skrzetuski, aber sage ihm nichts, denn die Seele würde ihm entfliehen.«
Skrzetuski hatte so sehr alle Hoffnung aufgegeben, daß auch diese Worte Rzendzians nicht einen Schimmer in ihm wachriefen. Eine Zeitlang lag er regungslos, dann fragte er:
»Wie kommst du hierher zum Heere und zum Probst Tschiezichowski?«
»Die Burgvogtin von Sandomir, Frau von Witowska, sandte mich von Sandomir zu dem Herrn Burgvogt mit der Nachricht, sie wolle sich in Toporow mit ihm vereinigen ... Das ist eine mutige Frau, gnädiger Herr; sie will durchaus beim Heere sein, nur um sich nicht von dem Herrn Burgvogt trennen zu müssen. Ich bin also in Toporow einen Tag früher angelangt als Ihr, gnädiger Herr. Die Frau von Witowska muß jeden Augenblick ankommen, sie müßte schon hier sein ... aber, was nützt das, wenn er jetzt wieder mit dem Könige fort ist.«
»Ich kann gar nicht verstehen, wie du nach Samoschtsch kommen konntest, wenn du mit den Herren Wolodyjowski und Sagloba hinter Jampol warst. Warum bist du nicht mit ihnen nach Sbarasch gekommen?«
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