»Herr Michael,« sagte Sagloba, Wolodyjowski mit dem Steigbügel anstoßend, »es hat mich wieder etwas an der Kehle gefaßt und hält mich fest wie damals, als Longinus – Gott gebe ihm die ewige Ruhe – aus Sbarasch fortging. Aber, wenn ich denke, daß die beiden sich endlich gefunden haben, da ist mir so leicht ums Herz, als hätte ich ein Quart guten Wein in einem Zuge ausgetrunken. Wenn auch uns nicht der Ehestand bestimmt ist, so wollen wir in unseren alten Tagen ihre Kinder erziehen. Ein jeder wird zu etwas anderem geboren, Herr Michael, und wir beide eignen uns wohl besser zum Kriege als zum Ehestande.«
Der kleine Ritter antwortete nicht, zuckte aber wiederholt mit dem Schnurrbart.
Sie ritten auf Toporow und von dort nach Tarnopol, wo sie sich mit dem Fürsten Jeremias vereinigen und dann zusammen zur Hochzeit reisen sollten. Unterwegs erzählte Sagloba der Herrin von Sandomir, was in der letzten Zeit geschehen war. Sie erfuhr also, daß der König nach einer mörderischen, unentschieden gebliebenen Schlacht bei Sborowo einen nicht sehr günstigen Vertrag mit dem Khan geschlossen, welcher der Republik wenigstens eine Zeitlang den Frieden sicherte. Chmielnizki blieb auf Grund der Verträge auch fernerhin Hauptmann der Saporoger und hatte das Recht, sich aus der unermeßlichen Masse des gemeinen Volkes ein stehendes Heer von vierzigtausend Mann auszuwählen und auszubilden, wofür er dem König und den Ständen den Eid der Treue leistete.
»Es ist außer allem Zweifel,« sagte Sagloba, »daß es mit Chmielnizki wieder zum Kriege kommt, aber wenn nur unser Fürst den Oberbefehl erhält, so wird alles gehen.«
»Sagt doch dem Skrzetuski die Hauptsache,« sprach, mit dem Pferde näher kommend, der kleine Ritter.
»Das ist wahr!« sagte Sagloba. »Ich wollte gleich davon anfangen, aber wir sind ja bis jetzt noch nicht zu Atem gekommen. Ihr wißt gar nicht, Herr Johann, was nach Eurem Fortgange geschehen ist. Der Fürst hat den Bohun gefangen genommen.«
Skrzetuski und das Fräulein Kurzewitsch erstaunten bei dieser unerwarteten Nachricht so sehr, daß sie nichts zu sagen vermochten. Sie breiteten nur die Hände aus, und erst nach einer Weile fragte Skrzetuski:
»Wieso? Auf welche Weise?«
»Das ist ein Fingerzeig Gottes,« antwortete Sagloba, »nichts anderes, ein Fingerzeig Gottes. Der Friedensvertrag war schon geschlossen, und wir zogen eben aus diesem verpesteten Sbarasch hinaus. Der Fürst eilte mit der Reiterei zum linken Flügel, um zu verhüten, daß nicht etwa eine Horde das Heer überfalle, da die Tataren oft die Verträge nicht halten ... Da plötzlich dringt eine Rotte von dreihundert Pferden auf die ganze Reiterei des Fürsten ein.«
»Nur Bohun konnte das wagen!« rief Skrzetuski.
»Er war es auch. Aber mit den Sbarascher Soldaten dürfen es die Kosaken nicht aufnehmen. Herr Michael hatte sie bald umzingelt und bis auf einen niedergehauen; Bohun fiel, zweimal von ihm getroffen, in Gefangenschaft. Er hat kein Glück mit Herrn Michael; er selbst muß jetzt davon überzeugt sein, denn es war das dritte Zusammentreffen. Aber er hat auch wohl nur den Tod gesucht.«
»Es zeigte sich,« warf Herr Michael dazwischen, »daß Bohun durchaus von der Waladynka her zur Einnahme von Sbarasch zurecht kommen wollte. Der Weg war aber weit, und als er erfuhr, daß der Friede geschlossen sei, so verlor er den Verstand, wohl vor Wut, und achtete nichts mehr.«
»Wer mit dem Schwerte schlägt, der fällt durch das Schwert, so will es der Wechsel der Dinge,« sagte Sagloba. »Er ist ein waghalsiger Kosak, um so waghalsiger, als die Verzweiflung ihn treibt. Es entstand seinetwegen zwischen uns und dem Räubergesindel ein großer Streit. Wir glaubten, es würde zu einem neuen Kriege kommen, denn der Fürst war der erste, welcher schrie, daß die Verträge gebrochen seien. Chmielnizki wollte den Bohun retten, aber der Khan war sehr ergrimmt auf ihn, da er, nach den eigenen Worten des Khan: »meinen Schwur und mein Wort geschändet hat«.
Er kündete auch Chmielnizki den Krieg an und sandte unserem Fürsten einen Boten mit der Erklärung, daß Bohun ein Händelsucher und Räuber sei und er ihn – den Fürsten – bitte, die Sache nicht zu einem corpus delicti zu machen, sondern mit Bohun zu verfahren wie mit einem Räuber. Wie man sagt, war es dem Khan auch darum zu tun, daß die Tataren die Gefangenen in Ruhe abführen konnten, deren sie so viele genommen, daß in Stambul der Mann für zwei Hufnägel zu haben sein wird.«
»Was tat der Fürst mit Bohun?« fragte Skrzetuski.
»Der Fürst hatte schon den Pfahl für ihn spitzen lassen, er überlegte es sich dann aber und sprach: Ich will ihn dem Skrzetuski schenken, der mag mit ihm tun, was er will. Jetzt sitzt der Kosak in Tarnopol im Verließ; der Feldscher verbindet ihm den Kopf. Mein Gott, wie oft eigentlich hätte die Seele schon aus diesem Körper fliehen müssen. Keinem Wolfe ist jemals so von Hunden das Fell gegerbt worden wie ihm von uns. Herr Michael allein hat ihn dreimal geschlagen. Aber das ist ein harter Mensch und, in Wahrheit, ein unglücklicher. Mag ihm der Henker helfen! Ich habe keinen Groll auf ihn, obgleich er mich schrecklich verfolgt hat, und dazu unschuldig. Ich habe ja auch mit ihm getrunken und Gemeinschaft mit ihm gehalten wie mit meinesgleichen, bis er gegen Euch, Töchterchen, die Hand erhob. Ich hätte ihn ja in Noslogi auch niederstechen können. Aber, das weiß ich schon lange, daß man keinen Dank in der Welt erntet, es wird selten Gutes mit Gutem gezahlt. Mag ihn ...«
Hier nickte Herr Sagloba mit dem Kopf.
»Und Ihr, Herr Johann, was wollt Ihr mit ihm tun?« fragte er. »Die Soldaten sagen, Ihr macht gewiß einen Stallknecht aus ihm, denn er ist ein stattlicher Mann; aber ich kann nicht glauben, daß Ihr so mit ihm verfahren werdet.«
»Ganz sicher tue ich das nicht,« antwortete Skrzetuski. »Er ist ein Soldat mit Rittersinn, und daß er unglücklich ist, wäre noch weniger ein Grund, ihn durch Knechtdienste zu schänden.«
»Gott möge ihm alles vergeben!« sprach die Prinzessin.
»Amen!« sagte Sagloba. »Er bittet um den Tod wie um seinen Erlöser, und hätte ihn wohl auch gefunden, wenn er nach Sbarasch nicht zu spät gekommen wäre.«
Es verstummten alle und versanken in tiefes Nachdenken über den Wechsel des Glückes, bis in der Ferne sich Grabow zeigte, wo sie zuerst füttern wollten. Sie trafen dort eine Menge Soldaten, die aus Sborowo zurückkehrten. Auch der Burgvogt von Sandomir, Herr Witowski, war mit seiner Abteilung seiner Frau dorthin entgegengekommen, mit ihm der Starost von Krasnostaw und Herr Prschyjemski, sowie eine Menge Adel von dem allgemeinen Aufgebot, welche der Weg in die Heimat hier durchführte.
Der Herrenhof in Grabow war niedergebrannt, ebenso alle anderen Gebäude, aber da der Tag wunderschön, still und warm war, so suchte niemand unter Dach zu kommen, sondern alle machten es sich unter freiem Himmel im Eichengehölz bequem. Man hatte auch bedeutende Vorräte von Speisen und Getränken mitgebracht, und die Dienerschaft machte sich gleich an die Bereitung eines Abendmahles. Der Herr von Sandomir ließ für die Frauen und Würdenträger im Eichenwalde Zelte aufschlagen, bald war ein förmliches Lager fertig. Die Ritter sammelten sich vor den Zelten, da sie Skrzetuski und die Prinzessin betrachten wollten. Andere unterhielten sich vom letzten Kriege. Diejenigen, welche nicht mit in Sbarasch, sondern nur bei Sborowo gewesen waren, fragten die fürstlichen Soldaten nach den Einzelheiten der Belagerung, es wurde lebendig und lustig, besonders, da Gott einen so herrlichen Tag beschieden hatte.
Herr Sagloba führte denn auch das große Wort unter dem Adel.
Er erzählte, wie er den Burlaj erschlagen, und von der Belagerung von Sbarasch. Alle hörten ihm atemlos zu – in den Gesichtern malte sich tiefe Rührung, und diejenigen, welche nicht dort waren, wünschten dort gewesen zu sein. Herr Johann setzte sich neben die Prinzessin; er nahm ihre Hand, drückte sie an die Lippen, dann lehnten sie sich aneinander und blieben still sitzen. Die Sonne war im Untergehen – allmählich wurde es Abend. Skrzetuski hörte so angelegentlich zu, als würde etwas für ihn ganz Neues erzählt.
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