Wilhelm Hauff
Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte
Books
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musaicumbooks@okpublishing.info2017 OK Publishing ISBN 978-80-272-0584-4
Der Mann im Mond oder Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme
Mitteilungen aus den Memoiren des Satan
Lichtenstein
Der junge Engländer oder Der Affe als Mensch
Kontrovers-Predigt über H. Clauren und Den Mann im Monde
Erzählungen
Die Bettlerin vom Pont des Arts
Othello
Jud Süß
Die Sängerin
Die letzten Ritter von Marienburg
Das Bild des Kaisers
Phantasien und Skizzen
Phantasien im Bremer Ratskeller
Die Bücher und die Lesewelt
Freie Stunden am Fenster
Der ästhetische Klub
Ein paar Reisestunden
Das Fischerstechen
Parodie von Wallensteins Lage.
Unbetitelte Szenen eines Singspiels aus der mittelalterlichen Geschichte
Märchenalmanach auf das Jahr 1826
Märchen als Almanach
Die Karawane
Kalif Storch
Die Geschichte von dem Gespensterschiff
Die Geschichte von der abgehauenen Hand
Die Errettung Fatmes
Die Geschichte von dem kleinen Muck
Das Märchen vom falschen Prinzen
Märchenalmanach auf das Jahr 1827
Der Scheik von Alessandria und seine Sklaven
Der Zwerg Nase
Abner, der Jude, der nichts gesehen hat
Der Affe als Mensch
Die Geschichte Almansors
Märchenalmanach auf das Jahr 1828
Das Wirtshaus im Spessart
Der Reußenstein
Die Sage vom Hirschgulden
Das kalte Herz (Erste Abteilung)
Saids Schicksale
Die Höhle von Steenfoll (Eine schottländische Sage)
Das kalte Herz (Zweite Abteilung)
Gedichte
Abschiedslied
Amor der Räuber
An die Freiheit 1823
An Emilie
An Sophie an ihrem Hochzeitstage
Bin einmal ein Narr gewesen...
Bundeslied
Burschenschaftslied
Das Burschentum
Den abgehenden Brüdern im Herbst 1823
Der Kompanie bei ihrem ersten Kränzchen im Winter 1821
Der Kranke
Der Mutter zum 24. Dez. 1824
Der Schwester Traum
Die Freundinnen an der Freundin Hochzeittage
Die kleinen Geigerlein
Die Mainzer Kommission
Die Seniade
Entschuldigung
Feuerreuterlied
Freiheit-Hoffnung
Grabgesang
Hans Huttens Ende
Hoffe!
Hoffnung
Ihr Auge
Jesuitenbeichte
Körners Todesfeier, 26. Aug. 1822
Lehre aus Erfahrung
Logogryph
Mutterliebe
Priamus und Achilles
Prinz Wilhelm
Rätsel 1
Rätsel 2
Rätsel 3
Rätsel 4
Regel für Kranke
Reiters Morgengesang
Morgenlied
Scharade
Schlägerlied
Schriftsteller
Sehnsucht
Sehnsucht (Lied aus der Ferne)
Serenade
Soldatenmut
Soldatentreue
Stille Liebe
Treue Liebe
Trost
Turnerlust
Wilhelm der lieben Mutter an ihrem Geburtstage
Zum 17. Januar
Zur Erinnerung an die Neckarbrücke
Zur Feier des 18. Junius
Der Mann im Mond oder Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme
Inhaltsverzeichnis
Über Freilingen lag eine kalte, stürmische Novembernacht; der Wind rumorte durch die Straßen, als seie er allein hier Herr und Meister, und eine löbliche Polizeiinspektion habe nichts über den Straßenlärm zu sagen. Dicke Tropfen schlugen an die Jalousien und mahnten die Freilinger, hinter den warmen Ofen sich zu setzen, während des Höllenwetters, das draußen umzog. Nichtsdestoweniger war es sehr lebhaft auf den Straßen; Wagen, von allen Ecken und Enden der Stadt rollten dem Marktplatz zu, auf welchem das Museum, von oben bis unten erleuchtet, sich ausdehnte.
Es war Ball dort, als am Namensfest des Königs, das die Freilinger, wie sie sagten, aus purer Gewissenhaftigkeit, nie ungefeiert vorbeiließen. Morgens waren die Milizen ausgerückt, hatten prächtige Kirchenparade gehalten, und kümmerten sich in ihrem Patriotismus wenig darum, daß die Dragoner, welche als Garnison hier lagen, sie laut genug bekrittelten. Mittags war herrliches Diner gewesen, an welchem jedoch nur die Herren Anteil genommen und so lange getrunken und getollt hatten, daß sie kaum mehr mit dem Umkleiden zum Ball fertig geworden waren.
Auf Schlag sieben Uhr aber war der Ball bestellt, dem die Freilinger Schönen und Nicht-Schönen schon seit sechs Wochen entgegengeseufzt hatten. Schön konnte er diesmal werden, dieser Ball; hatte ihn doch Hofrat Berner arrangiert und das mußte man ihm lassen, so viele Eigenheiten er sonst auch haben mochte, einen guten Ball zu veranstalten, verstand er aus dem Fundament.
Die Wagen hatten nach und nach alle ihre köstlichen Waren entladen; die Damen hatten sich aus den neidischen Hüllen der Pelzmäntel und Shawls herausgeschält und saßen jetzt in langen Reihen, alle in unchristlichem Wichs, an den Wänden hinauf. Es war der erste Ball in dieser Saison. Der Landadel hatte sich in die Stadt gezogen; Kranke und Gesunde waren aus den Bädern zurückgekehrt, es ließ sich also erwarten, daß das Neueste, was man überall an Haarputz und Kleidern bemerkt und in feinem aufmerksamem Herzen bewahrt hatte, an diesem Abend zur Schau gestellt werden würde. Daher füllte die erste halbe Stunde eine Musterung der Coiffüren und Girlanden, und das Bebbern und Wispern der rastlos gehenden Mäulchen schnurrte betäubend durch den Saal. Endlich aber hatte man sich satt geärgert und bewundert, und fragt überall, warum der Hofrat Berner das Zeichen zum Anfang noch nicht geben wolle.
Das hatte aber seine ganz eigenen Gründe; man sah ihm wohl die Unruhe an, aber niemand wußte, warum er, ganz gegen seine Gewohnheit, unruhig hin-und herlaufe, bald hinaus auf die Treppe, bald herein ans Fenster renne; sonst war er Punkt fünf Uhr mit seinem Arrangement fertig gewesen und hatte dann ruhig und besonnen den Ball eröffnet, aber heute schien ein sonderbarer Zappel das freundliche Männchen überfallen zu haben.
Nur er wußte, warum alles warten mußte; keinem Menschen, soviel man ihn auch mit Schmeichelwörtchen und schönen Redensarten bombardierte, vertraute er ein Sterbenswörtchen davon; er lächelte nur still und geheimnisvoll vor sich hin und ließ nur hie und da ein: »Werdet schon sehen« – »Man kann nicht wissen, was kommt« fallen.
Wir wissen es übrigens und können reinen Wein darüber einschenken: Präsidents Ida war vor wenigen Stunden aus der Pension zurückgekommen; er, der alte Hausfreund war zufällig dort, als sie ankam, er hatte nicht eher geruht, bis sie versprochen hatte, das ganze Haus in Alarm zu setzen, das Blondenkleid, in welchem sie bei Hofe war präsentiert worden, ausbiegeln zu lassen, und auf den Ball zu kommen. Wie spitzte er sich auf die langen Gesichter der Damen, auf die freundlichen Blicke der Herren, wenn er die wunderschöne Dame in den Saal führen würde; denn kennen konnte sie im ersten Augenblick niemand.
Wo hatte nur das Mädchen die Zeit hergenommen, so recht eigentlich bildhübsch zu werden? Als sie vor drei Jahren abreiste, wie besorglich schaute da der gute Hofrat dem Wagen nach; er hatte sie auf dem Arm gehabt, als sie kaum geboren war; bis zu ihrem vierzehnten Jahre hatte er sie alle Tage gesehen, hatte sie früher auf dem Knie reiten lassen, hatte sie nachher, trotz dem Schmollen der Präsidentin, zu allen tollen Streichen angeführt; er liebte sie wie sein eigenes Kind, aber er mußte sich vor drei Jahren doch gestehen, daß ihm angst und bange sei, was aus dem wilden Ding werden solle, das man da in die Residenz führe, um sie menschlich zu machen.
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