1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 Ich erinnerte mich daran, dass ich mitbekommen hatte, wie er mit seinem Bruder über Starrflügler und Hubschrauber in der Armee sprach. Obwohl ich nicht genau wusste, was Zach bei der Armee gemacht hatte, wusste ich, dass er irgendeine Art von Flugtraining absolviert hatte.
Wieder verzog sich sein Gesicht vor Schmerz und ich erlaubte mir endlich, meine kühle Hand auf seine warme Stirn zu legen. Sobald ich ihn berührte hatte, schien sein ganzer Körper sich zu entspannen.
„Lass los“, flüsterte ich. Zachs Körper schien sich kurz wieder anzuspannen, dann drehte er plötzlich seinen Kopf zur Seite und ich spürte, wie seine Finger mein Bein berührten. Es war, als wollte er sich vergewissern, dass ich wirklich da war. Kaum war mir der Gedanke gekommen, verwarf ich ihn sofort wieder. Zach war nur aus einem einzigen Grund hier: Weil meine Väter ihn geschickt hatten, um nach mir zu sehen.
Trotzdem ertappte ich mich dabei, dass ich seine Schläfe mit meinem Daumen massierte. Denn ich erinnerte ich mich an sein verzweifeltes Versprechen, mich zu beschützen, kurz bevor er ohnmächtig geworden war. Ich fragte mich, welche Art von Angst meine Väter und Zachs Bruder Jake ihm eingeflößt hatten, als sie ihn gebeten hatten, mir einen Besuch abzustatten. Was auch immer es gewesen sein mochte, es reichte aus, um mir klarzumachen, dass er sich nicht schonen würde, solange er glaubte, noch auf dieser Mission zu sein. Der Mann war schließlich ein Soldat. Er lebte dafür, ein bestimmtes Ziel zu haben.
„Ich bin in Sicherheit“, fügte ich hinzu. „Das sind wir beide.“
Zachs Hand hob sich, um die Finger zu umfassen, die ich auf seine Stirn gelegt hatte, und überraschte mich mit ihrem leichten Zittern. „Bleib.“
Gerade als mir bei dieser bittersüßen Bitte warm wurde und mein Herzschlag sich beschleunigte, schaffte er es, den Rest zu murmeln.
„Sicher. Bleib drinnen. In Sicherheit.“
Verdammte Scheiße.
Selbstverständlich hatte er mich nicht gebeten, bei ihm zu bleiben und ihm Gesellschaft zu leisten. Er hatte mich gebeten, dort zu bleiben, wo er mich im Auge behalten konnte. Wie ein Babysitter.
Min kam herein und sah Zachs Hand, die auf meiner lag, und seine andere Hand, die auf meinem Bein ruhte. Ich zuckte zurück, entzog mich seinem Griff und streckte die Hand nach dem Waschlappen aus, den sie mitgebracht hatte. Ihr Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass ich mich auf ein paar ernste Worte einstellen durfte, sobald ich mit dem Sanitäter spielen fertig war.
Ich drehte mich um und legte ihm das kühle Tuch auf die Stirn, wobei ich hoffte, dass er keinen Eisbeutel oder ein Wärmekissen brauchen würde. Falls doch, würde ich eine Million Dollar darauf wetten, dass er einen Wutanfall bekommen und hinausstürmen würde, selbst wenn er kaum geradeaus gucken konnte.
Aber er schien gut einschlafen zu können. Wahrscheinlich war er halb betäubt von der Medizin. Als ich schließlich zu Min in die Küche kam, stellte ich fest, dass ihre Freundin auch da war. Die beiden hörten abrupt auf zu reden, als ich den Raum betrat, so dass es keinen Zweifel gab, über wen sie da gerade gesprochen hatten.
„Hallo Leah“, begrüßte ich sie und griff an Min vorbei, um den Wasserkrug aus dem Kühlschrank zu holen.
„Minna meint, du hast einen heißen Typen aufgegabelt. Hat das irgendwas damit zu tun, was mit deinem Auto passiert ist?“
Min ließ mich erst gar nicht antworten, sondern piekte mich mit ihrem Stummelfinger in die Brust. „Wann wolltest du mir eigentlich davon erzählen, hm? Was läuft da? War das Davis?”
Die Erinnerung an mein Auto landete wie ein Bleigewicht direkt in meinem Bauch.
Leah legte beschwichtigend eine Hand auf Mins Schulter. „Lucky, du musst die Polizei rufen. Das ist ’ne verdammt ernste Sache.“
Ich stieß die Luft aus, dachte an Davis und daran, wie sehr er betont hatte, wie wichtig ich für ihn war. Obwohl er eine Freundin hatte und mir völlig ungeniert ins Gesicht gelogen hatte, wirkte der Mann nicht wie jemand, der dermaßen mit roter Sprühfarbe durchdreht. Und bisher waren seine Nachstellungen eher von der Sorte „Bitte gib mir noch eine Chance, damit wir weiter heimlich ficken können“ als von der „Stirb, Schlampe“-Einstellung gewesen, die der Vandale an den Tag zu legen schien.
„Ich glaube nicht, dass es Davis war. Ich denke, jemand hat einfach das falsche Auto erwischt“, erklärte ich. „Ihr wisst doch, wie viele Studenten hier wohnen. Es könnte die eifersüchtige Freundin oder der eifersüchtige Freund von irgendjemandem gewesen sein.“
Mins Augenrollen war beeindruckend. „Ja, zum Beispiel jemand wie Davis’ eifersüchtige Freundin? Wach auf, Lucky. Oh Mann.“
Ich schüttelte den Kopf, während ich mir ein Glas aus dem Schrank nahm. „Sie weiß nichts von mir. Genau darum ging es ja gerade. Er hat Angst, dass irgendjemand denkt, dass er schwul ist. Er behauptet, dass er nur mit ihr zusammen ist, um gegenüber seiner Familie und seinen Freunden den Schein zu wahren, weil er Angst hat, sich zu outen. Keiner seiner Leute weiß es.“
„Wer könnte es denn sonst sein?“, fragte Leah. „Hast du noch irgendwelche anderen seltsamen Nachrichten oder Drohungen bekommen?“
Ich konzentrierte mich darauf, mir Wasser einzugießen, so dass ich keinen Augenkontakt herstellen musste, als ich log. „Nein. Deswegen glaube ich, dass das Auto einfach verwechselt wurde.“
„Du musst trotzdem die Polizei rufen“, beharrte Min. „Denk an das eigentliche Opfer, Lucky. Die müssen das wissen.“
Sie hatte Recht, aber mittlerweile war es zu spät, um etwas zu melden, das kein Notfall war. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie verrückt diese Nachtzeit für die Einsatzkräfte sein konnte, und ein mit Farbe besprühtes, parkendes Auto war nicht gerade 911-würdig.
„Na gut, ich rufe morgen früh an. Aber ich bin sicher, es ist harmlos.“ Noch während ich diese Worte aussprach, überlegte ich, wie ich das alles meinen Vätern verheimlichen konnte. Das Auto lief zwar auf meinen Namen, aber sie zahlten die Versicherung. Und dann war da auch noch der Elefant im Raum … oder vielmehr im anderen Raum. Und das war nicht so sehr ein Elefant, sondern ein großer, attraktiver Soldat, der wild entschlossen war, seine jüngste Mission zu vollenden … mich.
Ich ignorierte die darauffolgende schneidende Stille, stellte den Krug zurück in den Kühlschrank und machte mich auf den Weg zum Kleiderschrank im Flur, um meine Notfalltasche zu holen. Solange Zach schlief, würde er nicht mitbekommen, wenn ich seine Temperatur maß und sein Herz und seine Brust abhörte, nur um sicherzugehen, dass da nichts anderes im Gange war.
Als ich das Zimmer betrat, reichte das Licht vom Flur aus, um mir zu zeigen, dass er immer noch nicht ansprechbar war. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte sich seine Gesichtsfarbe ein wenig gebessert, aber ich wollte trotzdem seinen Blutdruck messen, ohne ihn aufzuwecken.
Ich ging zum Fußende des Bettes, um seine Stiefel auszuziehen, und bemerkte zu meiner Überraschung eine dicke Narbe an seinem Unterschenkel. Ohne Licht war es ziemlich schwierig, sie zu untersuchen, also benutzte ich meine Hände. Die Berührung war viel zu intim, viel zu sehr wie in meinen Fantasien, in denen ich Zachs Körper so berühren durfte, wie ich es wirklich wollte. Ich versuchte krampfhaft, mir klarzumachen, dass dies eine rein medizinische Untersuchung war. Ich musste schließlich seine körperliche Verfassung beurteilen können, damit ich ihn richtig behandeln konnte.
Lügner.
Ich fuhr mit den Fingern seine behaarte Wade hinauf, die warm und muskulös war, bis ich auf weitere Narben stieß.
„Was ist mit dir passiert?“, murmelte ich.
Beim letzten Mal, als ich Zach gesehen hatte, hatte ich das besondere Vergnügen gehabt, ihn versehentlich beim Anziehen zu erwischen. Das war der Auslöser für meinen Plan gewesen, dem älteren Mann endlich meine Gefühle zu gestehen. Ich hatte seinen umwerfenden Körper gut fünfzehn Sekunden lang besabbert, bevor er meine Anwesenheit überhaupt bemerkt hatte. Obwohl er schon damals mit einigen Narben des Krieges gezeichnet gewesen war, würde ich mich mit Sicherheit an die Verletzungen seines Beins erinnern, die ich gerade fühlen konnte.
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