Das Hasle-Boot holte ich mit dem Harbeck-Anhänger Anfang August 2009 bei Behr in Königswinter ab. Erst jetzt bekam ich die Möglichkeit, Boot und Hänger in einer Scheune in Kochertürn bei Neuenstadt unterzustellen. Aus Platzmangel war eine Unterbringung im Ruderclub erst ab Juli 2010 möglich.
Ich gab meinem Boot den Namen Schwalbe und bestellte ein Schild mit Bootsnamen, meinem Namen und Adresse von mir. Das ist Vorschrift für jedes Schiff, wenn es auf Deutschlands Wasserstraßen fährt.
Im September 2009 bin ich mit meiner Schwalbe in Berkenbrück zum ersten Mal gerudert. Ich war sehr nervös, als ich einstieg. Und ich strahlte vor Freude, als ich spürte. wie gut das Boot lief.
Herr Behr gab mir folgende Tipps: Zuerst an einem Tag zehn Kilometer rudern, Pause machen und dann noch einmal zehn Kilometer rudern. Wenn es geht, schon ab dem ersten Tag dieses Programm. Zur Steigerung am Tag fünfzehn Kilometer rudern, Pause machen und dann noch einmal fünfzehn Kilometer rudern. Danach täglich so viel Kilometer wie ich mir zumutete. Unsere abwechslungsreiche und von mir geliebte Ruderstrecke zwischen Rosensteinbrücke und Schleuse Hofen einmal rauf- und runtergefahren umfasst zehn Kilometer. Ideal als Maßeinheit zum Trainieren.
Herr Behr meinte, dass auf der Tour täglich fünfzig bis sechzig Kilometer möglich sein müssten. Auf dem Rhein bis hundert Kilometer, wenn es gut läuft. Ich wollte ursprünglich mit hundert Kilometern täglich planen.
Die Wanderfahrt von Prag nach Meißen Anfang Juni 2010 war für mich die Generalprobe für meine Tour. Schon auf meiner ersten Wanderfahrt im Mai 2009 nach Poppenweiler über dreißig Kilometer war mir klar geworden, dass Wanderfahrten für mich das Schönste beim Rudern sind. Und das obwohl ich damals kaum noch sitzen konnte, weil der Po so entsetzlich weh tat.
Im Ruderclub versuchte ich wenigstens zweimal die Woche mit meinen Ruderkollegen zu rudern. Mit dem eigenen Boot wollte ich wenigstens einmal die Woche rudern. Es blieb bei zweimal rudern außerhalb des Ruderclubs. Einmal ruderte ich auf dem Kocher bei Neuenstadt vier Stunden und zwanzig Kilometer. Als ich an Land ging, blieb ich im Schlamm stecken und verlor dabei meine Uhr. Das zweite Mal ruderte ich im Schleusenbereich Lauffen zwanzig Kilometer.
Als ich im Juli 2010 das Boot beim Ruderclub unterstellen konnte, ruderte ich jede Woche viermal mit meiner Schwalbe.
Insgesamt hatte ich vor dem Start zu meiner Rudertour gerade mal 405 Kilometer im Ruderclub gerudert und 140 Kilometer mit meinem eigenen Boot.
Zu Hause trainierte ich täglich auf meinem Pacific Rower Rudergerät und machte Gymnastik mit speziellen Übungen für das Rudern. Außerdem verbrachte ich im Ruderclub wöchentlich dreißig Minuten auf dem Ergometer.
Um Kraft und Ausdauer weiter zu steigern, schwamm ich im Winter zweimal die Woche bis zu einer Stunde ohne Pause. Anfangs war ich nach zwanzig Minuten platt.
Der Start war für den 18.07.2010 geplant. Am 15.07.2010 wurde vor dem Bootshaus gegrillt. Gesprächsthema war meine Rudertour. Von Elmshorn waren Ruderer da, die ebenfalls am 18.07.2010 Richtung Mannheim rudern wollten.
Mit Heidi vereinbarte ich, dass sie jeden Tag eine SMS bekommt, in der ich mitteile, wo ich bin, wie weit ich gefahren bin usw. Dieses »Rudertagebuch« soll dann im Clubreport veröffentlicht werden.
Am 17.07.2010 habe ich das Boot beladen. Es hat in Bug und Heck verschließbare Luken, in die ich Zelt, Schlafsack, Rettungsweste, Kleidung, Kulturbeutel und Essensvorräte verstaute. Dabei wurde möglichst alles Kleinere in Seesäcke gestopft. Es konnte ja Wasser überkommen oder bei Regen alles nass werden. Getränke, Bootshaken, Becher zum Wasserschöpfen und Bootswagen wurden in den Fußraum des Bootes gelegt.
Heute ist der 18.07.2010. Gottfried holt mich in Botnang ab. Er ist allein. Ich bin etwas enttäuscht, da ich fest damit rechnete, dass seine Frau und Tochter mitkommen. Wir fahren über die Pragkreuzung zum Ruderclub nach Bad Cannstatt.
Um 10 Uhr will ich starten. Zuerst wird ein gesteuerter Vierer ins Wasser gesetzt, dann Peter im Einer, dann ich und zuletzt der Achter. Alle drei Boote wollen mich bis zur Schleuse Hofen begleiten. Ich warte im Wasser und bin sehr angespannt.
Ich denke an meine Freundin in Berkenbrück. Und ich weiß, Michaela fiebert mit, dass alles gut klappt. Sie machte mir wiederholt Vorschläge, wie ich die Reise besser und auch leichter gestalten könnte. Zuletzt meinte sie, ich könne ja den ersten Tag durchhalten und dann überlegen, was ich mache. Für sie ist eine Bootsfahrt, schon allein wegen dem kleinen Rollsitz, unvorstellbar.
Jetzt rücke ich meinen Spiegel am Käppi zurecht. Damit kann ich die Fahrzeuge, die vor mir fahren, rechtzeitig sehen. Nervös greife ich nach meinen Skulls. Aber nicht richtig. Mit der Folge, dass sich die Schwalbe nach nicht mal fünfzig Meter mit dem linken Ruder fast in einem eisernen Begrenzungspfosten verfängt.
Na, das geht ja gut los. Ich steige ins Boot und greife nicht richtig nach den Skulls. Ja, ja liebe Ruderkameraden, ich höre euch deutlich grummeln: »Ob das gut geht?« – »Allein den Rhein runter.« – »Allein in die Schleusen.«
Obwohl, als ich mir vorstelle, in wenigen Minuten unter der Aubrücke durchzufahren und dann in vier Wochen in Berlin sein zu wollen, geht mein Puls ganz schön hoch.
Jetzt schaue ich auf die drei Boote, die mich begleiten und konzentriere mich darauf, die so oft in den letzten Wochen gefahrene Hausstrecke bis Hofen in mich aufzunehmen. Unter der Aubrücke durch, rechts danach die Auwiese, links voraus das Restaurant direkt am Wasser, bei dem wir ab und zu etwas tranken oder aßen, rechts den Durchlass zum Max-Eyth-See, über mir der Max-Eyth-Steeg – eine Fußgängerbrücke –, danach die Einfahrt in die Schleuse, rechts Wassersport Center mit Anlage für Sportboote und Ausstiegstelle für den Stuttgarter Kajak-Club.
An der Schleuse Hofen werde ich herzlich verabschiedet mit einem dreifachen »Hipp, Hipp, Hurra« und allen guten Wünschen für meine Tour. Das ist schön!
Wiebke, Thomas und Axel begleiten mich beim Umtragen an der Bootsschleppe in Hofen. Schleusen geht nicht, weil gerade entgegengesetzt zwei oder drei Sportboote in der Schleuse sind. Axel tritt in Socken auf Glassplitter. Trotzdem geht er weiter mit auf dem Weg zur anderen Seite und hilft beim Einsetzen in das Unterwasser. Ich bedanke mich und bin dann allein auf der Strecke.
18.07.2010 Stuttgart – Hessigheim
36 km / 8 Std.
6 Schleusen: Hofen, Aldingen, Poppenweiler, Marbach, Pleidelsheim, Hessigheim
Stuttgart – S-Hofen (Schleuse) – S-Mühlhausen Aldingen (Schleuse) – Zufluss Rems – Neckargröningen Hochberg – Poppenweiler (Schleuse) – Ludwigsburg Marbach (Schleuse) – Zufluss Murr – Autobahn A81 Mundelsheim – Hessigheim
Umtragen sagt man im Rudersport, wenn ein Boot um die Schleusenkammer herum auf die andere Seite gebracht wird. Das kann auf drei Arten erfolgen:
Erstens: Man trägt das Boot tatsächlich mit den Händen auf die andere Seite. Zweitens: Man benutzt dazu einen eigenen Bootswagen. Drittens: Es gibt an der Schleuse eine Bootsschleppe. Das ist eine Anlegestelle mit Wagen für kleinere Boote an den Staustufen.
Die Bootsschleppe ist gleichzeitig die Ausstiegsstelle für Boote, wenn man nicht mitschleusen will. Der Wagen wird oft auch Rollwagen genannt. Seine Räder stehen auf Schienen im Wasser, so dass das Boot auf das Gestell gezogen und befestigt werden kann. Er ist aus Eisen und damit entsprechend schwer und unhandlich. Dann muss dieser Wagen mit einer Kette oder einem dicken Seil gezogen werden. Je nachdem wie schwer das Boot und wie weit der Rollweg ist, braucht der Ruderer dazu ganz schön Kraft. Vor allem, wenn er alleine ist.
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