Peter Payer
Kulturhistorische Streifzüge
Mit einem Vorwort von
Wojciech Czaja
Gedruckt mit Unterstützung der Stadt Wien, Kultur
Payer, Peter: Auf nach Wien. Kulturhistorische Streifzüge/Peter Payer
Wien: Czernin Verlag, 2021
ISBN: 978-3-7076-0742-0
© 2021 Czernin Verlags GmbH, Wien
Umschlagbild: Fremdenverkehrsstelle der Stadt Wien, 1964
Satz und Umschlaggestaltung: Mirjam Riepl
Druck: EuroPB
ISBN Print: 978-3-7076-0742-0
ISBN E-Book: 978-3-7076-0743-7
Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien
Einmal mehr – für Barbara
Vorwort
Einleitung
Typisch wienerisch
Als man Luft in Flaschen füllte
Schaufenster für alle
Die Stadt als Event
Tausend Lampen für Franz Joseph
Nacht ohne Finsternis
Wo Innovation auf Sensation traf
Ein Blick in Vergangenheit und Zukunft
Geräuschloser Fortschritt
In der großen Wiener Stille
Akustische Rückzugsorte
In der Mitte und doch am Rand
Die Entzauberung einer Straße
Maritime Sehnsüchte
Den Durstigen dieser Stadt
Vom »Sehnen ins Kühle«
Mehr Poller müssen her
Autos in die Tiefe!
Modernisierung einer Metropole
Zwischen Drama und Revue
Am Anfang war Betty Paoli
Autonomie in Kugelform
Wenn Pflanzen Paternoster fahren
Der Mist und sein Vesuv
Imperiale Signatur der Stadt
Versuch zu begreifen
Eine Stadt sucht ihre Menschen
Zurück ans Wasser
Bildnachweis
Artikelverzeichnis
Zum Autor
Als die uns bekannte Welt am 16. März 2020 aufhörte sich zu drehen und Wien mit einem Schlag verstummte, habe ich begonnen, als Peter Payer durch diese Stadt hindurchzuspazieren. Plötzlich bekamen die Straßenbeläge einen Charakter, die Hydranten eine Persönlichkeit, die Schaufenster ohne Publikum eine gänsehautpoetische Redseligkeit. Aus irgendeinem Grund habe ich angefangen, alles aufzusaugen – habe Laternen und Scheinwerfer studiert, habe die unterschiedlichen Gerüche am Schwedenplatz, in der Ottakringer Straße und auf der Simmeringer Haide analysiert und habe mich sogar dabei ertappt, wie ich Poller, Mistkübel und Würfeluhren im Kopf abgezählt und visuell abgespeichert habe.
Wie ein Peter Payer also. Ich lese diesen Mann schon seit vielen Jahren mit großer Begeisterung und kippe mit jedem Essay in eine akribisch zusammenrecherchierte Vergangenheit – in eine Vergangenheit, die vor unser aller Lebenstage liegt, dank der Worte dieses Historikers und Wortakrobaten allerdings eine Präsenz und Lebendigkeit entwickelt, als würde sie nur ein paar Sekunden zurück- oder vielleicht ein paar Millimeter entfernt liegen. Und wenn in einem seiner Texte am 1. März 1912 der erste fahrplanmäßige Elektrobus vom Stephansplatz zur Volksoper aufbricht, dabei nach ein paar Fahrminuten vor der Votivkirche fotografiert wird, dann ist es, als würde man mittendrin stehen, einer von insgesamt 18 Passagieren, und den Elektromotor surren hören und unter den eigenen Füßen rattern spüren.
Man lernt viel aus der Lektüre seiner Wien-Betrachtungen. Zum Beispiel, dass die erste Fußbodenheizung Wiens in einer Synagoge eingebaut wurde. Dass das Warenhaus Gerngroß einst Nacht für Nacht einen milchweißen Lichtstrahl in den Wiener Himmel entsandte. Dass so manches Ross diese Stadt noch großartiger findet als unsereiner und sich als Zeichen seiner Liebe sogar in deren historische Bausubstanz verbissen hat. Zwischendurch gibt es – wie könnte es anders sein – ausgeschmückte Statistiken zu Trinkbrunnen, Telefonzellen, Tiefgaragenpionieren.
Peter Payers Texte sprechen mit Zahlen, Daten, Fakten zu uns. Zwischen den Zeilen aber blitzt wie ein permanentes Gewitter eine emotionale, atmosphärische, alle Sinne reizende Komponente hindurch, die dafür sorgt, dass man dieses Buch, einmal aufgeschlagen, erst dann wieder aus der Hand legen kann, wenn man nach 253 Seiten den Wiener Donaukanal durch die Brille einer pandemiegebeutelten Jugend gesehen, verstanden und auf seinem mentalen Stadtplan neu abgespeichert hat.
Der Stadthistoriker Peter Payer ist die perfekte Personalunion aus wissenschaftlichem Maulwurf und literarischer Gazelle. Damit spricht Auf nach Wien , eine vielseitige Zeitmaschine ins Gestern und Heute dieser Stadt, eine Einladung aus, der man sich unmöglich entziehen kann.
WOJCIECH CZAJA
Architektur- und Stadtjournalist
»Nur auf den Wegen, die du täglich gehst,
begreifst du, wo du wirklich bist.«
(MONIKA HELD)
Sich mit wachen Sinnen durch eine Stadt zu bewegen und die Eindrücke sodann in schriftlicher Form festzuhalten, kann als ganz spezielle Form der Welt- und Selbstdeutung gesehen werden. In einem gewissen Sinn verbindet sich hierbei immer die Suche nach der Persönlichkeit der Stadt mit der Suche nach der eigenen Persönlichkeit. Es ist ein interaktives Lernen, Erfahren und Begegnen. Und trotz des genuin Fragmentarischen ist es stets aufs Neue spannend und ertragreich.
So ist auch der mittlerweile vierte Band meiner urbanistischen Erkundungen von Wien zu verstehen, der Feuilletons versammelt, die in den vergangenen fünf Jahren erschienen sind – einer Zeit, die an Umbrüchen und Turbulenzen wahrlich einiges zu bieten hatte. Inhaltlich geht es zunächst erneut um bislang wenig beachtete Facetten der Stadt. Oder, wie Joseph Roth formulierte, darum, in sachtem Ton »unerhörte Geschichten« zu erzählen: von Trinkbrunnen, Leuchttürmen, Telefonzellen und Pollern über Wiens erste Elektrobusse bis hin zu Garagen, Warenhäusern und Kinos. Auf vielfältige Weise bilden sich in diesen baulichen und technischen Einzelphänomenen die Megatrends unserer Zeit ab, allen voran die Digitalisierung und der Klimawandel. Beide haben Wien massiv zu prägen begonnen, sie durchdringen den urbanen Alltag auf immer nachhaltigere Weise. Besonders offenkundig wird dies in Fragen der Mobilität, denen im Buch gleich mehrere Beiträge gewidmet sind. Eingebettet in die Grunderfahrung, dass sich – wie ich selbst bemerke – die Beschleunigung und Komplexität des Großstadtverkehrs in den letzten Jahren deutlich erhöht hat, gehört dieser wohl zu den wichtigsten Faktoren der künftigen Stadtentwicklung.
Die anhaltende Verdichtung Wiens hat nicht zu übersehende ökologische und soziale Folgen, gleichzeitig wird der öffentliche Raum zunehmend technisiert. Wahrnehmungs- und Nutzungsformen ändern sich grundlegend, wie sich an teils heftigen Diskussionen über E-Scooter, die Praterstraße oder den Donaukanal zeigt. Die Genese von Nachhaltigkeitsdebatten wiederum spiegelt sich in der historischen Betrachtung des legendären Rinterzelts wider sowie in alten und neuen Visionen zum »Vertical Farming«.
Neben diesen thematischen Schwerpunkten soll auch an vergessene Persönlichkeiten aus dem Bereich der Journalistik erinnert werden, an Menschen, die uns bis heute faszinierende Einblicke in den städtischen Alltag ihrer Zeit ermöglichen. Zu den zeitlebens bekanntesten gehörte Ludwig Hirschfeld, Feuilletonist der »Neuen Freien Presse« und einer der klügsten und zugleich amüsantesten Vertreter seiner Zunft. Nicht minder bedeutend waren auch jene immer zahlreicher werdenden Frauen, die das Feuilleton für sich eroberten. Von der Pionierin Betty Paoli über Alice Schalek bis zu Ann Tizia Leitich und Hermine Cloeter. Allesamt Journalistinnen, die uns Hinweise auf die weibliche Sicht und Analyse des Wiener Stadtgeschehens geben.
Читать дальше