Schließlich stand sie vom Bürostuhl auf und ging zur Toilette. Sie betrachtete sich selbst im Spiegel, während sie es tat. Zog die Strumpfhose bis zu den Knien herunter und lehnte sich an die Wand. Mit dem Rock bis zur Hüfte hochgeschoben, ließ sie den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand in ihren Unterleib gleiten. Nass und warm, und sofort stieß sie sich langsam an die Wand. Es würde nicht lange dauern, das spürte sie sofort. Sie stellte sich vor, wie Lucas direkt vor ihr stand, ans Waschbecken gelehnt. Auch er berührte sich selbst. Die obersten Knöpfe seines Hemds waren geöffnet und sie sah kleine Schweißtropfen vor sich, die sich in dem deutlich hervortretenden Schlüsselbein sammelten. Sein Adamsapfel wurde noch sichtbarer, als er sich über die Lippen leckte und schluckte. Die rosa Lippen glänzend und weich. So lange sie konnte, versuchte sie sich auf diese Kleinigkeiten zu fokussieren, die an ihm so unglaublich sexy sind. Das dichte Haar, das von seinem sonst so zuverlässigen Platz hinterm Ohr nach vorn fiel, als er endlich seine Hand um seinen Schwanz legte. Sie stellte sich vor, dass sie die ganze Zeit Augenkontakt hielten, während er sich hart und entschlossen befriedigte. Genau wie sie, als sie die Finger aus der Muschi zur Klitoris hinaufgleiten ließ. Hart und entschlossen, in schnellen Kreisen. Mit der einen Hand musste sie sich schließlich am Waschbecken festhalten, sie konnte das Aufbauen des Orgasmus im ganzen Körper spüren. Ihre Knie zitterten. Sie dachte, dass Lucas fest nach ihrer Brust greifen würde. Sie konnte die Lust in Lucas Augen sehen, als er sie endlich anfassen durfte.
„Linda“, sagt jemand. „Willst du noch Sekt?“
Es ist Maria, Marianne oder vielleicht Malin vom Büro. Sie ist die Rezeptionistin. Linda blickt auf ihr leeres Sektglas, irgendwo in ihrer eigenen Selbstbefriedigung gefangen, näher kommt sie nicht an Sex mit Lucas. Dabei muss sie den Prosecco verschüttet haben.
Linda nickt. „Sehr gern, danke.“
Und auch, wenn sie gern noch ein Glas möchte, nimmt sie es vor allem, weil die Rezeptionistin mit M möglichst schnell wieder verschwinden soll. Es fühlt sich an, als ob man ihr ihre Geilheit ansieht. Als ob die anderen an ihrem Geruch erkennen können, wie sie vor Lust bebt. Aber als sie ihre Finger an die Wange legt, ist sie kühl. Keiner merkt etwas. Niemand außer Linda, die hier mit einem leeren Sektglas und einem pulsierenden, feuchten Unterleib herumsteht. Jetzt spürt sie ein physisches Verlangen nach Lucas. Wie ein Kitzeln auf der Haut. Die Hände auf seinen Bizeps legen und sie über seine Arme gleiten lassen. Zur Körpermitte hinunter. Zur Hüfte.
„Linda“, sagt die Rezeptionistin wieder. „Geht’s dir gut?“
Linda antwortet nicht, denn hinter den flatternden Textilwogen sieht sie, wie Lucas sich entschuldigt und die Künstlerin mit dem Dutt verlässt. Er bewegt sich in Richtung Toiletten. Jetzt muss es passieren. Sie kann nicht mehr, und wenn es schlecht läuft, dann ist das Praktikum ohnehin in zwei Wochen vorbei und in der Zeit kann sie ihn meiden.
„Alles gut, ich muss aufs Klo“, sagt sie zur Rezeptionistin und nimmt ihr das Glas ab.
Die Absätze ihrer Schuhe machen ein klickendes, aber dumpfes Geräusch im Saal. Anscheinend merkt das sonst niemand, der Geräuschpegel ist hoch, es ist eine gut besuchte Vernissage. Linda muss zwischen den großen Stoffbahnen im Zickzack laufen. Sie hatte Recht, sie sieht Lucas in den Flur einbiegen, der zu den Toiletten führt. Keine Eile, denkt sie. Hol tief Luft und geh langsamer. Ihr Plan ist, um die Ecke zu den Toiletten zu biegen, wenn Lucas herauskommt. Oder eher, es so aussehen zu lassen, als ob sie gerade um die Ecke kommt. Tatsächlich hält sie hinter der letzten Ecke an, mit dem einen Fuß nach vorn und den Blick auf die Toilettentür. Zweimal geht sie los, um dann eine Sekunde später in jemand anderen zu laufen. Einfach lächeln, grüßend mit dem Kopf nicken und zurückgehen.
Schließlich kommt Lucas. Er bleibt sofort im Flur stehen, als er sieht, dass sie es ist. Linda vergisst komplett, dass sie so tun wollte, als ob sie zur Toilette will. Sieht ihn nur an, den Fuß noch immer in der ausgedachten Position, und er sieht zurück. Sie sind allein hier und es gibt nichts zu verlieren. Sie leert das Sektglas und stellt es auf den Boden. Geht schnell und sicher auf ihn zu. Nah genug, um Fragen aufzuwerfen, weit genug weg, dass er ausweichen kann, wenn er möchte.
Er weicht nicht aus.
„Linda“, sagt er. Leise, fast flüsternd, aber nicht ganz. Er sagt „Linda“, aber er meint: „Was machst du da?“
Sie flüstert „Lucas“, und sie meint „Ich tue genau das, was du meinst, das ich tue“. Schnell blickt er hinter sie, da ist niemand, er wagt es kaum, ihr in die Augen zu sehen, aber er rührt sich nicht.
Da hinten sind sie alle und trinken ihren Prosecco, sie können von hier aus niemanden sehen, aber hören kann man sie noch gut. Die Musik verschwindet fast vollständig hinter den Stimmen und Schritten. Einen kurzen Moment lang schließt sie die Augen. Die tiefen Atemzüge von Lucas kann sie leicht erkennen, er atmet durch den Mund. Sie öffnet die Augen und legt eine Hand an seine Wange. Warm, aber rau vom Dreitagebart. Mit dem Daumen streichelt Linda ihn unter den Augen, zieht die Finger über die langen Schatten der Wimpern. Auch hier ist helle Beleuchtung – weiß und unbarmherzig. Mit den Fingerkuppen greift sie nach einer seiner dicken Haarlocken, als hätte sie sich schon lang danach gesehnt. Die Locke liegt eine Weile zwischen ihrem Zeige- und Mittelfinger. Weich und glatt. Bevor sie sie loslässt, legt sie sie hinters Ohr, streichelt ihn dort mit dem Daumen, lässt ihn in dem weichen Grübchen hinter dem Ohrläppchen verweilen. Als ob das Grübchen exakt für ihren Daumen geformt wurde.
Lucas leckt sich über die Lippen, und das – der kurze Anblick seiner rosa Zunge vor seinem Mund, seine jetzt glänzenden Lippen, das ist zu viel, und es ist ein Zeichen. Sie kann nicht so erregt sein, ohne ihn einmal geküsst zu haben.
Also beugt Linda sich vor. Zuerst drückt sie ihren Lippen auf seine, ihr Daumen liegt noch immer im Grübchen hinter seinem Ohr, dann öffnet sie den Mund, lässt ihre Zunge hinausgleiten und seine Lippen öffnen. Es geht so einfach, sofort trifft seine Zunge ihre, als ob er schon lang auf sie gewartet habe. Es schmeckt süß nach Sekt und Lindas Fingerkuppen suchen seine lockigen Haare, sie sind warm und leicht verschwitzt. Jeder Kuss ist schneller als der vorige, sobald seine Lippen ihre verlassen, um Luft zu holen, muss sie sie wiederhaben. Linda drückt ihre Zunge an seine, lässt sie über seine gleiten. Es fühlt sich wie Durst an, sie will alles auf einmal trinken, sie will für immer mit ihm knutschen. Seine Zunge trifft ihre, als ob er alles auf einmal schmecken will. Auf ihrer Hüfte spürt sie Lucas‘ Hand, groß und entschlossen, als er Linda an sich zieht. Sein Brustkorb ist warm und fest, sie lässt ihre Handflächen auf seiner Brust landen. Gleitet über das Hemd, über die Brust. Seine Brustwarzen fühlen sich hart unter dem dünnen Hemdstoff an. Als sie das macht, verliert er einen Moment lang die Kontrolle übers Küssen, und seine Lippen, weich und feucht, gleiten quasi über ihre. Seine Zähne reiben an ihrer Oberlippe. Also macht sie es wieder. Lässt ihre Daumen langsam über seine Brustwarzen streichen. Küsst stattdessen seinen Hals, zuerst ganz leicht. Dann mit der Zunge. Küsst ihn den Hals hinauf und leckt ihm im Grübchen hinter dem Ohr. Legt die Zungenspitze gegen das Weiche und lässt sie zum Ohrläppchen gleiten, nimmt es zwischen die Zähne und beißt zu.
Sein Mund liegt genau an ihrem Ohr, seine Hand streicht über ihre Hüfte, hoch zur Taille, zum Rücken. Seine tiefen Atemzüge befeuchten ihr Ohr. Als sie ihn beißt, klingt es, als ob er fast aufjault. Ein Stöhnen mit geschlossenem Mund, als ob er diese Laute nicht wirklich abgeben will, es aber auch nicht verhindern kann.
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