1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 Ein dünner, grauer Morgennebel liegt über den Feldern, als sie zum dritten Mal auf das Sternéus-Gut kommt. Sie ist früh dran. Im Stall ist Raftalids Box leer. Sie schleicht sich wieder hinaus und geht durch das feuchte Gras zum Reitplatz. Es ist unmöglich, den Blick von William oben auf dem Pferderücken loszureißen. Er ist geschickt, das wusste sie. Wenn er reitet, scheint er voll und ganz bei der Sache zu sein, stabil und roh. Cecilia lehnt sich an den Zaun und zündet sich eine Zigarette an.
Mit geröteten Wangen und außer Atem trabt er ihr entgegen.
„Was machst du da?“, sagt er in einem Tonfall, als spräche er mit einem Kind.
„Willst du auch?“, fragt sie nur und hält ihm die Zigarette hin.
„Hast du keine Arbeit zu erledigen?“
„Ich hab‘ Pause“, sagt sie und zieht an der Zigarette.
Man merkt, dass er nicht weiß, was er darauf erwidern soll. Das Pferd steht still und wartet auf sein Kommando.
„Hast du kein Pferd zu trainieren?“, fährt Cecilia fort.
„Ich kann dich melden“, sagt er.
Sie weiß, dass es riskant ist, es noch weiter auf die Spitze zu treiben. William ist König in diesem Reich, sein Wort ist Gesetz. Trotzdem kann sie es nicht bleiben lassen. Sie will William um jeden Preis dazu bringen, die Kontrolle zu verlieren, sie will diesen rohen Gesichtsausdruck sehen, den er hatte, als er so geschockt war.
„An Mama?“, sagt sie, zieht die Augenbrauen hoch und lächelt.
„Mach die Zigarette aus und fang an zu arbeiten“, sagt er. Seine Stimme ist dunkel und bestimmt. Nicht unsicher, was Cecilia übermäßig ärgert.
Als William zum Stall zurückkommt, ist es Nachmittag. Cecilia hat alles auf Hochglanz gebracht. Er sagt nichts. Aber jedes Mal, wenn er sich ausstreckt und ihr einen Gegenstand reicht, hält er ihn etwas zu lange fest, schaut ihr in die Augen. Ein mentales Tauziehen. Sie muss ihm die Sachen aus der Hand zerren. Sie hasst, dass er nichts sagt, sie hasst, dass sie nichts zu sagen hat.
Jeden Morgen kommt sie etwas früher zum Gut. Beobachtet Williams Training, bevor sie mit der Arbeit beginnt. Er sieht sie, aber ignoriert sie. Alles, was ihr bleibt, sind die 30 Minuten, wenn William ihr Raftalid übergibt. Während dieser 30 Minuten liegt eine Spannung in der Luft, niemand sagt etwas, niemand lässt den Blickkontakt abreißen. Ein kindisches Spiel, wer zuerst aufgibt. Elektrisch aufgeladen und süchtig machend.
Sie verabscheut alles, wofür William steht. Seine Haltung, die unnötige Luxusausstattung, seine Selbstgefälligkeit, seine Irritation über sie. Aber vor allem verabscheut sie, dass ihr Körper ganz anders reagiert. Sie dachte, sie wäre alt genug, dass ihr Körper sie nicht auf diese Weise hintergehen würde. Aber wenn William nach dem Training in den dunklen Stall kommt und den Helm abnimmt, verkrampft sich ihr Körper vor Frustration. Sie will ihre Hände unter das warme, feuchte Poloshirt schieben, die Nägel hart durch das blonde Haar ziehen, sie will ihn ihren Namen keuchen hören und sein Betteln, sie ficken zu dürfen. Die ganze verdammte Irritation, die sie wie einen schweren Mantel jeden Tag zur Arbeit mitschleppt, hat zu einer Lust geführt, die sie so noch nie empfunden hat. Die Wut hat ihre Grenzen aufgeweicht. Sie will sein Sperma von dem festen Körper lecken. Das hier muss mit etwas enden, das seinen Körper in ihrem beinhaltet.
Aber er schweigt einfach nur, reicht ihr den Sattel und beobachtet, wie sie ihn entgegennimmt. Seine Arme glänzen in dem schwachen Licht in der Box. Cecilia hat noch nie Männer in Reitklamotten romantisiert, bevor sie diesen Job angefangen hat. Aber verdammt, wie gut Williams durchtrainierte Schenkel unter diesem weichen, dünnen Stoff aussehen. Sie will so gern ihre Hand in seinen Schritt legen und der Grund dafür sein, dass er darunter steif wird. Bevor er geht, streicht er immer mit den Händen durch Raftalids Mähne. Es ist ein schönes Pferd und sie sind schön zusammen. Es ist, als ob er sich bei ihm für den Tag bedankt. Als er die Tür hinter sich geschlossen hat, ohne auch nur ein einziges Wort an Cecilia zu verlieren, legt sie die Hand dorthin, wo seine gewesen ist. Nimmt einen tiefen Atemzug von Raftalids warmem, starken Duft. Euphorisch und beschämt, wie geil sie in dieser furchtbaren halben Stunde wird.
Am Montag ihrer dritten Arbeitswoche wacht sie gegen Mittag auf. Die Wohnung ist stickig und halbdunkel durch die heruntergelassenen Jalousien. Einen langen Moment ist sie verwirrt, was passiert ist. Verdammt. Sie wird ihn verpassen.
Cecilia springt aus dem Bus und rennt die Allee herunter. Zwei Sekunden hält sie vor der Stalltür inne, bevor sie sie öffnet. Da steht er. Raftalids Ausrüstung hängt gewaschen an der Wand. William hat die Wurzelbürste in der Hand und striegelt sein Pferd fest und energisch. Er schaut nicht auf, als sie reinkommt. Die Absätze ihrer Reitstiefel hallen gedämpft im Raum.
„Also?“, sagt er schließlich, den Blick immer noch auf Raftalid geheftet.
„Ich kann jetzt übernehmen“, sagt sie nur.
„Du bist 40 Minuten zu spät. Das ist nicht akzeptabel.“
„Es ist das erste Mal“, sagt sie. Sie versucht, nonchalant zu klingen. Er sieht zu ihr auf.
„Warum hast du dich für diesen Job beworben?“
„Weil ich einen Job brauchte.“
„Ist das dein Ernst?“, sagt er. „Ist dir klar, wie viele das hier machen wollen?“ Jetzt lässt er die Bürste auf den Boden fallen und geht auf Cecilia zu.
„Was genau?“, flüstert sie. Lauter muss sie nicht sprechen, es ist ruhig im Stall. „Den Mist des Pferdes aufzusammeln, das jeden Preis für dich gewinnt, aber um das du dich nicht selbst kümmern willst?“
Er sagt nichts, aber kommt noch näher. Jetzt hört sie Williams Atemzüge ebenso deutlich wie das schwere Schnauben der Pferde.
„Du verstehst nichts davon, was wir hier tun“, zischt er.
„Springreiten?“, schnaubt sie. „Es gibt andere Dinge im Leben.“
Als er noch einen Schritt auf sie zumacht, macht sie einen Schritt rückwärts aus der Box heraus. William knallt die Tür zu, als er ihr hinterherkommt.
„Es gibt hochrangige Reiter, die ihren Job kündigen würden, um sich um dieses Pferd kümmern zu dürfen“, sagt er. Er sagt es voller Stolz und schaut auf Cecilia herunter, den Blick voller Abscheu – und Faszination. Cecilia kennt diesen Blick. Sie kriegt ihn seit drei Wochen ab.
„Und trotzdem habt ihr mich ausgesucht.“ Cecilia sagt es langsam. Lässt die Worte auf der Zunge zergehen, lässt sie wirken. „Und weißt du weshalb, William?“, fährt sie fort. „Weil es mich einen feuchten Dreck interessiert, wer du bist.“
Jetzt hat William diesen Ausdruck im Gesicht, roh und unkontrolliert. So weit entfernt von dem Ausdruck, den er vor den Reitschülerinnen und Fotografen hat. Er bringt sie innerlich zum Zittern. Sie verbrennt von innen. Sowohl aufgrund des Wortwechsels als auch der Tatsache, dass sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennt. Sie spürt die Wärme seines Körpers, die Dämpfe von den Anstrengungen des Reitens. Cecilia hebt den Kopf, ihre Lippen sind gefährlich nah an seinen.
„Es ist nicht mein Problem, dass du damit nicht umgehen kannst“, bringt sie heraus. Und er zittert. Vielleicht aus Wut, aber er leckt sich langsam über die Lippen, bevor er spricht.
„Du bist unbedeutend für mich“, sagt er. Seine Stimme hat jetzt einen anderen Tonfall. Cecilias Herz schlägt so laut, dass sie meint, William müsse es hören.
„Ich glaube dir nicht“, sagt sie und wendet sich von ihm ab. William packt sie fest um die Taille, zieht sie zu sich heran. Sein Atem rasselt und Cecilia weiß, dass ihr ganzer Körper von der Berührung errötet. Unter dem Pullover und den Hals herauf. Er lässt die Daumen nach unten gleiten und packt ihre Hüfte, drückt sie mit einer kräftigen Bewegung gegen die Stalltür. Das Blut rauscht durch ihren ganzen Körper.
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