- „Ich habe ein paar deiner Kurzgeschichten gelesen“, sagt Tobias nach einer Weile.
Er hat noch immer die gleiche Ernsthaftigkeit, als er das sagt. Kein Lächeln, nicht einmal eine Andeutung davon.
- „Ach so?“, sage ich und lächle. „Wie fanden Sie sie?“
- „Ich habe die gelesen, in der es um ein Rollenspiel geht.“
- „ Räuber und Gendarm “, sage ich fröhlich. „So heißt sie.“
- „Genau“, sagt er.
- „Wie fanden Sie sie?“
- „Du musst besser recherchieren. Ein Teil der Sachen stimmt nicht. Die Dialoge wirken unrealistisch.“
- „Es war doch ein Rollenspiel. Keine Abbildung der Wirklichkeit.“
Ich lächle. Und zum ersten Mal erahne ich auch bei ihm den Anflug eines Lächelns. Es ist nicht offensichtlich, absolut nicht. Aber einer seiner Mundwinkel hat sich nach oben bewegt. Etwas, ein wenig. Doch, ich sehe es. Das ist ausreichend.
- „Sie haben also meine erotischen Kurzgeschichten gelesen?“, sage ich.
- „Ich bin es, der das Verhör führt. Nicht umgekehrt.“
- „Natürlich. Aber Sie stellen mir Fragen. Mehrere. Beschuldigen mich sogar für etwas, das ich nicht getan habe. Ist es da nicht angebracht, dass ich Sie auch mal etwas frage?“
- „Nein.“
- „Doch.“
- „Schluss jetzt. Ich bestimme hier.“
- „Ist das so?“
Ich stehe auf.
- „Hinsetzen!“, sagt Tobias in bestimmtem Ton.
Ich setze mich nicht hin. Stattdessen gehe ich einige Schritte um den Tisch herum. Stelle mich neben Tobias. Er sitzt dort mit geradem Rücken. Hat den Kopf und den Blick auf mich gerichtet. Strahlt Selbstsicherheit aus. Aber in seinem Blick sehe ich auch eine Unsicherheit. Was habe ich vor? Was werde ich tun? Ich setze mich auf den Tisch, meinen Körper ihm zugewandt. Mein rechtes Bein streift seinen linken Schenkel.
- „Darf ich ihnen etwas erzählen?“, frage ich.
Tobias antwortet nicht.
- „Ich habe wirklich eine Schwäche für Polizisten“, sage ich.
- „Das kann ich mir gut vorstellen“, sagt Tobias, den Blick fest auf mich gerichtet.
- „Das können Sie?“, frage ich.
- „Ja.“
- „Wie kommt das?“
- „Mehrere deiner Kurzgeschichten handeln von Uniformen“, antwortet Tobias.
- „Ja, damit haben Sie tatsächlich Recht. Aber das muss ja nicht bedeuten, dass das etwas ist, was mich anmacht.“
- „Nein. Aber ich glaube, dass es so ist.“
- „Okay“, sage ich.
- „Du wirst sicher über das hier schreiben“, sage ich.
- „Über das Polizeiverhör?“
- „Ja“, antwortet Tobias.
- „Vielleicht“, sage ich.
- „Das würde ich gut finden“, antwortet Tobias.
- „Das glaube ich“, antworte ich.
- „Aber unter einer Bedingung“, sagt Tobias.
- „Bedingung?“, sage ich. „Sie wissen, dass in diesem Land die freie Meinungsäußerung gilt? Sie können nicht bestimmen, worüber ich schreiben werde.“
- „Ich will, dass du meinen Namen in der Kurzgeschichte verwendest.“
- „Tobias?“
- „Ja.“
- „Klar“, antworte ich. „Und absolut, das ist ein guter Anfang. Der Raum, der Ort, du und ich. Aber das reicht nicht.“
- „Nicht?“
- „Nein“, sage ich. „Eine erotische Kurzgeschichte muss zumindest eine Sexszene enthalten. Mindestens.“
- „Und du meinst, dass ich dir jetzt dabei helfen würde?“, fragt Tobias.
- „Ich unterstelle nichts“, sage ich.
- „Doch, das tust du“, antwortet Tobias. „Und ich will.“
- „Du willst Sex mit mir?“
- „Ja. Und ich glaube, dass du auch mit mir Sex haben willst.“
*
Es wird still zwischen uns. Tobias‘ Blick bohrt sich in meinen. Er sieht jetzt wirklich direkt in mich hinein. Und ja, da passiert es. Ich werde Sex mit ihm haben. Endlich, endlich werde ich Sex mit einem Polizisten haben. In Uniform. In einem Verhörraum.
Zum allerersten Mal.
Ich lehne mich nach vorn. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, aber ich tue es dennoch langsam. Und dann treffen sich unsere Lippen. Wir küssen uns. Ich atme seinen Atem ein. Tobias hat füllige, weiche Lippen. Der Kuss ist sinnlich, sanft. Tobias schmeckt nach Minze. Er muss ein Bonbon im Mund gehabt haben, ohne, dass ich es bemerkt habe. Wir küssen uns noch einmal. Und noch einmal. Dann lösen wir uns voneinander. Tobias atmet jetzt heftiger. Und mein eigener Puls schlägt schneller. Ich rücke von der Ecke des Tisches zur Mitte, näher zu ihm. Vor ihn. Genau gegenüber. Meine Beine zwischen seinen. Ich sehe die schwarze Hose, erneut. Und die schwarzen Lackschuhe.
- „Wie lange hast du dir das schon gewünscht?“, fragt er mich.
- „Viel zu lange“, antworte ich.
Ich beginne, Tobias‘ Hemd aufzuknöpfen. Er folgt meinen Händen nicht, oder den Bewegungen meiner Finger. Nein, er folgt meinem Blick. Versinkt in ihm, genau so, wie ich in seinem versinke. Ich könnte in seinen Augen ertrinken. Obwohl er selbst nichts sagt, ist es so, als ob es seine Augen tun würden. So, als könnte ich durch seine Augen und seinen Blick erkennen, wer er tatsächlich ist. Dass er sich sehnt, nicht nur hiernach, sondern nach viel, viel mehr. Das denkt er. Auch, dass er eher ein Denker ist, als ein Redner. Vielleicht, vielleicht bilde ich mir das nur ein. Ich weiß es nicht. Aber ich bin in jedem Fall sicher, dass es so viel gibt. An ihm. In ihm. So viel, das ich herausfinden möchte. Kennenlernen.
Ich habe zwei der Knöpfe geöffnet. Die schwarze Krawatte gelöst. Er trägt ein Unterhemd unter seinem Hemd. Ein schwarzes, enges Unterhemd, das sich an seine Brust schmiegt. Er ist zweifellos durchtrainiert. Ich hatte selbstverständlich nichts anderes erwartet – er ist schließlich Polizist. Musste bereit sein, schnell und geschmeidig agieren zu können. Ausdauernd. Ich wette, dass er mindestens an fünf Tagen der Woche trainiert. Vielleicht sogar noch mehr.
Ich knöpfe sein Hemd weiter auf. Tobias sagt noch immer nichts. Aber ich sehe jetzt ein Lächeln. Deutlicher. Er lächelt und genießt das, was ich tue. Will, dass ich fortfahre. Also mache ich das. Knöpfe sein Hemd weiter auf, Knopf für Knopf. Und schließlich habe ich alle geöffnet. Ich beginne dann, mein eigenes aufzuknöpfen. Ich selbst trage kein Unterhemd darunter.
Ich werde immer ungeduldiger. Ich werfe mein Hemd auf den Boden. Ich lehne mich nach vorn, zu ihm. Und ohne, dass ich darauf vorbereitet bin, legt er seine Hände um meinen Körper – und zieht mich in seine Arme. Ich sitze jetzt rittlings auf ihm. Sein Unterhemd drückt gegen meine nackte Brust. Sein Körper drückt gegen meinen. Ich küsse ihn erneut. Er küsst meinen Hals. Ich erschaudere vor Wohlbehagen. Ich fühle es im Nacken, auf meinen Armen. In mir. Mein Puls erhöht sich deutlich. Das Tempo unserer Küsse ebenfalls. Meine Hände gleiten unter den Bund seines Unterhemds. Ich streichle seinen Bauch und dann allmählich seine Brust. Meine Hände sind kalt. Zumindest im Vergleich mit seiner Haut. Tobias‘ Körper ist ganz heiß. Ich kann mir das Rauschen seines Blutes unter der Haut förmlich vorstellen.
Unsere Küsse werden immer intensiver. Unsere Zungen beteiligen sich, wollen auch mitspielen. Mal umarmen sie sich, mal kämpfen sie. Zanken sich um Platz. Wollen mehr, mehr, mehr fühlen. Und unsere Lippen ebenso. Tobias bedeckt mein Gesicht mit Küssen, mit warmem Speichel. Ich mache dasselbe. Nach einer Weile ziehe ich sein Unterhemd über seinen Kopf. Tobias‘ Brust entblößt sich vor mir. Meine Haut drückt gegen seine. Meine Brustwarzen gegen seine. Seine sind steif. Meine ebenso.
Die Erregung lodert in mir. Es ist eine schöne, warme, überschäumende Hitze. Die in dem Tempo wächst und wächst, in dem sich unsere Körper berühren.
Ich stehe auf. Tobias ebenso. Tobias lehnt sich mit dem Rücken gegen den Tisch. Ich gleite an ihm hinunter. Er lehnt sich zurück, stützt sich gegen den Tisch. Ich knie mich zwischen seine Beine, vor ihn. Ich sehe zu ihm hinauf. Fixiere ihn mit meinen Auge, als ich langsam, absichtlich reizvoll, seinen Gürtel öffne. Ich mache es langsam, langsam. Ich kann die Frustration förmlich in seinem Blick sehen. Und er stöhnt. Sagt mir sogar, dass ich ihn verrückt mache. Ich mache weiter. Langsam, ganz langsam.
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