Nach einer Weile fragte ich, was er arbeitete. Und da erzählte er es. Ich fand ihn wie gesagt bereits vorher attraktiv, wirklich. Ein Typ, der in jeder Beziehung exakt meinem Geschmack entsprach. Aber jetzt war es, als würde noch etwas darüber hinaus passieren. Es war wirklich so. Ich konnte mich nicht zurückhalten. Ich konnte nicht denken, vernünftig sein – überhaupt nicht normal sein. Nein, ich wurde so geil. Ich wurde mit einem Mal so verdammt geil, als er das erzählte. Und ich konnte ihn mir vorstellen – in seiner Uniform. Im Beruf. Sofort konnte ich das. Er war nett und lustig, wie gesagt. Charmant. Aber er hatte auch eine Autorität an sich. Eine Selbstsicherheit. Das hatte ich bereits bemerkt, als er mich draußen vor dem Club traf. Die Haltung, der gerade Rücken. Sein Blick, der nicht flackerte. Ich konnte ihn direkt in seinem zukünftigen Beruf sehen. Ich hatte bereits da beschlossen, dass ich ihn wollte. Wirklich, wirklich. Aber jetzt wollte ich ihn umso mehr. Nein, jetzt musste ich ihn sogar haben. So fühlte ich. Mein ganzer Körper fühlte so. Ich hatte keine andere Wahl. Ich musste, musste ihn bekommen. So dachte ich. Es war, als würde man einen Knopf bei mir drücken. Der Funke in mir wurde entzündet. Der Wille, ihn zu bekommen. Der Wille, ihn zu spüren. Ihn zu schmecken. Aber auch, und vielleicht vor allem: ihn in dieser Uniform zu sehen, zu bekommen. Ich überlegte, ob ich es ihm sagen sollte oder nicht. Ich fragte ihn stattdessen, ob er bemerkt hätte, dass der Beruf irgendeine besondere Wirkung hatte, wenn es um das Daten ging. Andreas nickte. Und er lächelte. Alles an ihm strahlte. Und ich verstand, dass ich es ihm erzählen konnte, ohne dass er mich verurteilen würde. Oder mich zurückweisen, für meine sexuelle Vorliebe. Er würde es verstehen. Er würde es sogar, mögen, dachte ich,.
Und ich hatte Recht.
Andreas war mein Erster. Mein erster Polizist.
Wir kamen nie zusammen. Aber wir hatten Sex. Viel Sex. Und ich liebte jeden Moment davon. Das Einzige, was ich mir gewünscht hätte, was Andreas aber nicht wollte, war die Einbindung seiner Uniform in unsere sexuellen Abenteuer. Er sagte, dass es eine Sache des Prinzips wäre. Dass wir gerne so tun könnten, als wäre er Polizist, Rollenspiele spielen und so weiter. Aber die Uniform durfte nie dabei sein.
Irgendwann hörten wir auf uns zu treffen. Und ich glaube wirklich, dass die Uniform die Sache hätte ändern können. Vielleicht hätten wir uns weiter getroffen. Vielleicht hätte Andreas mich weiter gefickt. Ich weiß es nicht, aber vielleicht.
Nach Andreas traf ich mehrere Polizisten. Ich fühlte mich weiterhin aufgrund ihres Berufes von ihnen angezogen. Man kann sich selbstverständlich fragen, ob das richtig oder falsch ist. Derart auf eine Berufsgruppe anzuspringen. Aber ich habe nicht danach gefragt. Ich mochte es ja. Daher machte ich weiter. Es resultierte darin, dass ich mehrere Polizisten traf. Aber wir verstanden uns nie auf die gleiche Weise wie Andreas und ich es getan hatten. Ich hatte Sex mit drei weiteren Polizisten. Auch diese Treffen fanden komplett ohne die Beteiligung der Uniform statt. Ich datete noch ein paar weitere. Aber es wurde nie mehr daraus als ein Bier, vielleicht zwei. Oder ein Hamburger. Eine Beobachtung, die ich übrigens gemacht habe: viele Polizisten scheinen den Hamburger auf Platz eins ihrer Favoriten-Liste stehen zu haben, wenn es um Essen geht. Ich habe einen Polizisten einmal danach gefragt und warum dies seiner Meinung nach ein gemeinsamer Nenner zu sein schien. Er hatte eine gute Antwort darauf. Er erzählte, dass dies tatsächlich etwas mit dem Job zu tun habe. Nicht die Burger im Speziellen, aber Fast Food. Ich fragte natürlich, wie es dazu kam. Da erzählte er, dass es um den Zeitfaktor ging. Dass sie oftmals nicht wussten, wie lang die Mittagspause oder Rast sein würde. Und dass, wenn sie draußen unterwegs waren und patrouillierten, dann schnell in einem Fast Food-Restaurant oder Burger-Laden vorbeischauen konnten. Einen Burger im Auto essen. Wurden sie zum Einsatz gerufen, konnten sie schnell weiterfahren. Und das Essen mitnehmen.
Ja, das klingt natürlich vernünftig, wenn man das so sieht.
*
Der Verhörraum ist klein. Eng. Aber es ist nicht so dunkel wie im Film und in TV-Serien. Hier gibt es einen weißen und scheinbar stabilen Tisch und zwei Stühle. Aber auch ein kleines Sofa für zwei Personen. Ebenso ein Bücherregal, das außer einigen Notizblöcken und ein paar Stiften auch eine Wasserkanne und ein paar Pappbecher enthält.
- „Weißt du, warum du hier bist, Johan?“, fragt er mich.
- „Ich wurde zu einem Verhör eingeladen“, antworte ich wahrheitsgemäß.
- „Weißt du, was dir vorgeworfen wird?“
- „Nein“, antworte ich.
- „Plagiat“, antwortet der Polizist. „Dir wird vorgeworfen, abgeschrieben zu haben.“
- „Was denn abgeschrieben?“, frage ich.
- „Texte“, antwortet er.
- „Texte?“
- „Wie viele erotische Kurzgeschichten hast du bisher eigentlich schon geschrieben?“
- „59“, antworte ich.
- „59 erotische Kurzgeschichten?“
- „Ja“, sage ich. „Aber ich arbeite an mehr.“
- „Das ist…nicht wenig“, antwortet er.
- „Nein“, sage ich. „Das ist schon was.“
- „Woher bekommst du deine Inspiration?“
- „Von allen möglichen Seiten“, antworte ich. „Manchmal habe ich einfach nur eine Idee. Oder einen Titel. Oder jemand erzählt mir etwas. Etwas, das ich dann als Inspiration verwenden kann, wenn ich die Geschichte schreibe. Manchmal schaue ich auch auf Pornoseiten nach, was gut ankommt. Nach den Kategorien. Oder jemand schreibt mir und sagt, was seiner Meinung nach an erotischen Kurzgeschichten fehlt.“
- „Du schaust Pornos, um Ideen zu bekommen?“
- „Manchmal“, antworte ich.
- „Magst du Pornos?“
- „Was hat das mit der Sache zu tun?“
- „Antworte auf die Frage!“
- „Ja“, antworte ich. „Ich mag Pornos. Mögen Sie Pornos?“
- „Ich verhöre dich, Johan. Nicht umgekehrt.“
- „Natürlich.“
- „Kommt es vor, dass du die Texte von jemand anderem abschreibst?“
- „Niemals“, antworte ich. „Ich habe viel zu viel Fantasie um das nötig zu haben.“
- „Du weißt vielleicht, dass das illegal ist.“
- „Selbstverständlich.“
- „Wenn ich dir also sage, dass wir einen Tipp bekommen haben, dass du eine bereits geschriebene Kurzgeschichte kopiert haben sollst, dann meinst du, dass da nichts Wahres dran ist?“
- „Wirklich“, antworte ich. „Ich würde so etwas niemals tun.“
*
Und jetzt sitze ich also hier. In einem Verhörraum. Beschuldigt, dass ich die Kurzgeschichte eines anderen abgeschrieben und unter meinem Namen veröffentlicht haben soll. Ha! So bescheuert.
Auf der Polizeimarke steht sein Name: Tobias. Er ist einige Jahre älter als ich, würde ich schätzen. Irgendwas zwischen 35 und 40. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Er ist groß, aber ich muss dennoch etwas größer sein als er. Tobias hat kurze, dunkelbraune Haare. Er hat hellblaue Augen. Keine Bartstoppeln, weshalb sein Alter so schwer einzuordnen ist. Tobias strahlt Ruhe aus und er ist ernst. Er lächelt nicht. Er lacht nicht. Nein, er ist konzentriert. Sein Blick ist intensiv. Es fühlt sich an als versuche er, mich zu durchschauen. Versucht wohl zu erkennen, ob ich etwas verberge. Will herausfinden, ob ich lüge oder ob ich die Wahrheit sage.
Bin ich nervös? Ich sollte es natürlich sein. Es kommt nicht jeden Tag vor, dass man bei einem Polizeiverhör sitzt. Fragen gestellt bekommt. Aber nein, ich bin nicht nervös. Ich habe nichts zu befürchten. Nicht, solange ich mich an die Wahrheit halte.
Tobias sitzt mir gegenüber. Es sind vielleicht 60 Zentimeter zwischen uns. Er trägt seine Uniform – selbstverständlich. Nicht die, die die Polizisten tragen, wenn sie draußen unterwegs sind, auf Streife. Dann ist es eher eine Jacke. Jetzt trägt Tobias ein Hemd. Ein hellblaues. Das schwarze Emblem leuchtet auf seiner Brust, mit seiner Berufsbezeichnung in goldenen Buchstaben darauf. Das Hemd ist bis zum obersten Knopf zugeknöpft. Er trägt außerdem eine Krawatte. Seine Hose ist schwarz, sitzt mit Hilfe eines Gürtels an seinem Platz. Das habe ich bereits bemerkt, als er in den Raum kam. Tobias beobachtet mich. Ich beobachte ihn. Was denkt er? Was glaubt er, was ich denke?
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