Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass zusätzlich ein dramatisches und einschneidendes Ereignis die beiden enger zusammengeführt hat.
Auch die erste Zeit des Zusammenlebens dürfte nicht einfach gewesen sein. Damals wie heute kannten die Menschen den Wolf als gefährliches Raubtier und hatten, wie vor jedem großen Raubtier, Angst vor ihm. Wenn man zudem an die vielen Mythen vom „bösen Wolf“ denkt, die selbst in unserer Zeit noch lebendig sind, dann kann man sich vorstellen, dass die eiszeitlichen Jäger, besonders aber ihre Familien, am Anfang gegenüber dem neuen Jagdgefährten skeptisch waren.
In der folgenden Geschichte versuche ich deshalb, diese Prozesse der Annäherung und die ersten Schritte des Zusammenlebens zu beschreiben, so wie sie stattgefunden haben könnten.
Vorab stelle ich aber zum besseren Verständnis für die Leser einige Grundinformationen über die Zeit, in der ich diesen Prozess stattfinden lasse.
Im Anhang stelle ich dann für den interessierten Leser weiteres Material über diese Zeit zur Verfügung.
Die Steinzeit ist die längste Periode der Menschheitsgeschichte. Sie reicht vom Beginn der Menschwerdung vor etwa drei Millionen Jahren, bis zum Beginn der Bronzezeit vor etwa 4.200 Jahren. Damals begannen die frühen Menschen, aufrecht zu gehen und die ersten Werkzeuge aus Stein, Holz oder tierischen Materialien zu benutzen.
Die Wissenschaft untergliedert die Steinzeit in drei Hauptabschnitte:
1. Die Altsteinzeit
Diese untergliedert sich wiederum in drei Abschnitte:
1.1. Die ältere Altsteinzeit. Sie begann etwa vor 2,5 Millionen Jahren.
1.2. Die mittlere Altsteinzeit. Sie begann vor etwa 130.000 Jahren und
1.3. Die jüngere Altsteinzeit, die vor etwa 40.000 Jahren begann und am Ende der Eiszeit endete.
2. Die Mittelsteinzeit
Sie begann mit dem Ende der letzten Eiszeit etwa 10.000 Jahre vor Chr. und endete mit dem Beginn der Sesshaftwerdung der Menschen. Die Menschen dieser Zeit waren immer noch Jäger und Sammler und wanderten von Süden (Spanien und Südfrankreich) kommend die Küsten entlang nach Norden. Da das Binnenland nach dem Rückgang des Eises von dichten Urwäldern bedeckt war, benutzten sie die Flussläufe, um ins Landesinnere vorzudringen. Sie führten ein nomadisches Leben und ernährten sich größtenteils von Früchten des Meeres und der Flüsse.
Die Mittelsteinzeit ist also eine Übergangsperiode in eine neue Lebensart des Menschen.
3. Die Jungsteinzeit.
Sie begann in Mesopotamien etwa 11.000 Jahre v. Chr. und in Mitteleuropa etwa 5.500 v. Chr. In dieser Zeit wurden die Menschen sesshaft, betrieben Ackerbau und hatten bereits erste Haustiere gezähmt.
Da diese Geschichte in der jüngeren Altsteinzeit spielt, möchte ich auf diese etwas näher eingehen.
In der jüngeren Altsteinzeit, mitten in der letzten Eiszeit, wanderte der moderne Mensch vor etwa 40.000 Jahren in Europa ein. Er traf hier auf den bereits seit Langem in diesen Regionen lebenden Neandertaler.
Dieser verschwand in der Zeit nach dem Eintreffen des modernen Menschen vor etwa 28.000 Jahren. Seine letzten Spuren verlieren sich in Südspanien, in Gibraltar. Bis heute rätselt die Wissenschaft über die Ursachen seines Verschwindens. Neuere Forschungen schließen aber nicht mehr aus, dass er nicht ausgestorben ist, sondern sich mit dem modernen Menschen vermischt hat und in ihm aufgegangen sein könnte.
Die Menschen in der jüngeren Altsteinzeit.
Der klassische Neandertaler lebte in Europa seit etwa 130.000 Jahren vor unserer Zeitrechnung, also während der gesamten letzten Eiszeit. Vor 30.000 bis 28.000 Jahren verschwand er. Der moderne Mensch kam vor etwa 40.000 Jahren nach Europa, lebte hier also mindestens 10.000 Jahre lang neben oder zusammen mit dem Neandertaler. Die Wissenschaft geht davon aus, dass er von Afrika kommend über Kleinasien nach Europa einwanderte. Ob er auch den Weg über Gibraltar genommen hat, der Meeresspiegel lag während der letzten Eiszeit um 100 bis 150 m tiefer als heute und damit war diese Meerenge wesentlich schmaler, ist eher unwahrscheinlich.
Mit dem Eintreffen des modernen Menschen begann eine neue Periode der menschlichen Geschichte in Europa: die jüngere Altsteinzeit.
Das hat weniger mit seinem Eintreffen zu tun, als vielmehr mit dem plötzlichen Auftauchen vollkommen neuartiger Funde aus dieser Zeit: Nicht nur die Höhlenmalereien, die vor allem in Südfrankreich und Spanien entdeckt wurden, verdeutlichen dies. Es wurde Schmuck gefunden, figürliche Darstellungen von Tieren, Frauengestalten und erste Musikinstrumente (Flöten) aus Knochen oder Elfenbein. Von diesen Flöten wurden bisher sechs in Höhlen auf der Schwäbischen Alb entdeckt.
In der jüngeren Altsteinzeit fand geradezu eine kreative Explosion statt, die Wissenschaftler oft als „human revolution“ bezeichnen.
Anhand der gefundenen Werkzeuge ist festzustellen, dass die Menschen damals begannen, das Feuersteinmaterial gekonnter und präziser zu bearbeiten und damit auch bessere und effektivere Geräte und Jagdwaffen herzustellen.
Auch aus anderen Materialien, wie Knochen und Geweihen von erlegten Tieren, wurde eine Vielzahl von Gebrauchsgegenständen hergestellt. Beispielsweise konnten sie sich mit einer Ahle (aus Feuerstein oder Knochen) und einer Nadel (aus einem zugeschnittenen spitzen Knochenstück mit einer Öse für den Faden aus Tiersehen) aus den gegerbten Fellen erlegter Tiere warme Kleidung nähen. Solche Pelzkleidung benötigten sie bei dem damals in Europa herrschenden Klima dringend.
Die Menschen entwickelten in dieser Zeit eine Fülle von Werkzeugen und Geräten, die ihnen das Überleben in ihrer sehr feindlichen Umwelt erleichterten. Und das gilt, neueren Forschungen zufolge, für beide damals in Europa auftretenden Menschengruppen, sowohl für den modernen Menschen als auch für den Neandertaler.
Die bedeutendsten und für ihr Überleben wichtigsten Geräte waren ihre Jagdwaffen, mit denen sie in der Lage waren, selbst große Tiere, wie den Mammut, das Wollnashorn, das Wisent, den Riesenhirsch, das Wildpferd und viele andere Tiere zu erlegen. Denn von der Jagd und ihrem Erfolg hing ihr Überleben ab. So entwickelten sie neben sehr viel schlankeren und schärferen Lanzenspitzen aus Feuerstein auch die Speerschleuder, den Bumerang und Pfeil und Bogen.
Ferner begannen sie bereits mit einer Technik, die später in der mittleren Steinzeit noch weiterentwickelt wurde: Dem Einsetzen von sogenannten Mikrolithen (scharfe Feuersteinsplitter), die unterhalb der Spitzen ihrer Lanzen an den Schäften angebracht wurden und die beim Zustoßen mit dieser Waffe dem gejagten Tier große und sehr stark blutende Wunden rissen. Obendrein wurde die Lagerung von Nahrung besser entwickelt, wie Funde von Behältern und anderen Gegenständen zum Speichern von Lebensmitteln belegen.
Der Wolfsbau
Zum ersten Mal in seinem jetzt vierzehn Tage währenden Leben erwachte der Welpe und konnte seine Augen zu kleinen Schlitzen öffnen. Er sah sich in der Höhle um.
Bisher war seine Welt immer dunkel gewesen. Er hatte sich ganz an seinem Geruchssinn orientiert, um die Nähe seiner Mutter zu suchen und insbesondere die Milch spendenden Zitzen zu finden. Die Mutter bedeutete für ihn Wärme, Geborgenheit und Leben. Er hatte auch die körperliche Nähe seiner Geschwister gespürt, die sich neben ihn zu den Nahrung spendenden Zitzen schoben. Wenn er sich satt getrunken hatte, war er immer eng an seine Mutter und seine Geschwister gedrückt wieder eingeschlafen.
Jetzt konnte er auf einmal hell und dunkel unterscheiden und nahm auch leises Atmen wahr, das von seinen drei neben ihm schlafenden Geschwistern herkam. Nicht nur seine Augen öffneten sich, sondern auch seine bisher eingerollten Ohren begannen aufzuklappen. Diese Fülle an neuen Eindrücken musste er erst einmal verarbeiten.
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