»Muss ich mich immer noch vor dir in acht nehmen, wenn wir uns lieben, heute Abend zum Beispiel?«
»Aber Arnoldi, das ist vorbei. Ich liebe dich. Und ich brauche einen Vater für mein Kind. Da werde ich dich doch nicht. ....«
»Auch nicht, weil ich noch eine andere Frau habe?«
»Ich kenne es so, dass Männer mehrere Frauen haben können. Ich würde die Andere–wie heißt sie denn?«
»Judith«
»gerne mal kennenlernen. Geht das?«
»Da könnte man mal drüber nachdenken. Judith weiß jedenfalls von dir, auch, dass du ein Kind bekommst. Von mir. Sie war nicht böse, hat ja ebenfalls einen anderen Mann geheiratet, einen Massai.«
»Einen Afrikaner? Wie kommt sie denn an den?«
»Sie machte eine Safari, also Urlaub, in Tansania und Kenia. Dabei muss sie den wohl kennengelernt haben. Er ist ein Schamane, wie Judith mir sagte, als ich mit ihr telefonierte. Er hat mir das Leben gerettet, als ich von der Tarantel gestochen worden war. Aber das weißt du ja bereits.«
»Wohl auch so ein Kismet wie zwischen uns beiden. Bekommt sie von dem auch Kinder, die dann schwarz-weiß sind?« »Glaube nicht, sie ist ja schon älter. Und der Mann hat zwei andere Frauen und damit sechs Kinder. Hat Judith oder Juhari, wie sie da heißt, mir gesagt.«
»Aber Liebe machen kann sie noch gut? Besser als ich?«
»Mira, du bist jung, Judith ist älter. Du bist wild und feurig, Judith hat jetzt eine ruhigere Art. Ich mag und genieße Beides. Und sie hat mit ihrem kräftigen Moran auch wohl heiße Gefechte auszutragen. Aber ob er sie immer besiegt? Ich mag euch beide.«
»Ich hab nur dich. Eine Arab kann keine zwei Männer haben, höchstens nacheinander, wenn der Erste gestorben ist und sie Glück hat, vielleicht seinen Bruder zu bekommen. Sonst muss sie einsam leben oder wird zur Schlikka.«
»Ach, Mira, wir wollen doch nicht schon wieder vom Sterben reden. Das haben wir gerade erst durch und sind nochmal davon gekommen.«
Botho saß dabei, hörte zu und grinste sich eins. Das meiste musste er übersetzen, wobei Mira dann rot anlief. Auch Arabermädchen haben ein Gefühl für Schamhaftigkeit.
So ging der Tag des Wiedersehens langsam in den Abend über. Botho hatte diesmal keinen wundgerittenen Hintern, aber er gäbe alles dafür, wenn er wieder wie vor einigen Wochen behandelt würde. Ob die Wundbehandlerin von damals sich wohl abermals um sein körperliches Wohlbefinden kümmern wird? Er weiß noch immer nicht, wer es war.
Zur Wiedersehensfeier hatte wieder ein Hammel dran glauben müssen, das Dorf dankte aber ebenso seinem Schöpfer, dass keine Menschenleben zu beklagen sind. Auch wenn es ein Fest zwischendurch ist: Ein derartiges Inferno möchte niemand erneut erleben. Doch Wüstenbewohner müssen stets damit rechnen.
Fast alle Bewohner des kleinen Oasendorfes versammelten sich um das mit Kameldung angeheizte Feuer. In der Regel gibt es keinerlei Holz zum Verbrennen hier. Nur jetzt, nach dem Sturm, die abgedrehten Palmenstämme. Aber die brennen noch nicht, müssen erst trocknen. So würden sie stinkenden Qualm in die reine Luft schicken. Deshalb sind es auch keine hochauflodernden Flammen, um die man sitzt. Ein kuscheliger Brand ist es, der alle nur spärlich beleuchtet. Da wagt es sogar Mira, näher an Arnold heranzurücken und in ihm eine andere Glut zu entfachen. Sie weiß durchaus, was sie will. Er aber auch.
»Mira, hast du dir wieder einen Dolch zurechtgelegt«, flüstert Arnold, »oder kann ich ganz beruhigt neben dir schlafen?«
»Heute hoffe ich, dass DU eine Waffe besitzt, denn du wirst doch unser Kleines gegen Angreifer verteidigen?«
So frotzelten die beiden, ehe sie sich mit vollgeschlagenen Bäuchen in ihre Hütte verzogen. Es ergibt sich höchstwahrscheinlich eine angenehmere Nacht als unter dem Zeltleinen mit dem Wüstensand drauf. Und Botho? Eine Bleibe zum Übernachten hat man immer für einen Gast, aber ob er wieder Besuch erhalten wird?
*
Juhari ist beliebt bei den Stammesangehörigen der Ndorobos. Sie hat sich schnell integriert, was Voraussetzung ist, um ihr Vorhaben, Beschneidungen von Mädchen und Frauen zu verhindern, in die Tat umsetzen zu können. Der Anfang ist gemacht. Ihre >Mitfrauen<, also die zwei anderen Schönen der Nacht , und auch Hakim, hat die Neue mit beredten Worten zu überzeugen vermocht. Das Problem aber sind, wie immer, die Männer. Wenn Juhari diese Spezies hinter sich gebracht hätte, stände ihrer Mission kaum noch etwas im Wege. Doch die Beherrscher ihrer Sippen, welche einzig ihren Gott über sich akzeptieren, wollen von ihren Jahrhunderte alten Ansichten nicht lassen. Vom Irrglauben, dass unverstümmelte Frauen unästhetisch, krankheitsanfällig, begehrlich für Andere und ein Geburtsrisiko darstellen. Welcher Guru hat den Kriegern das bloß in die Gene übertragen. Deshalb verzichtet diese Gattung Mensch eher auf die Genüsse der Nächte, als sich bekehren zu lassen. Männern könnte ja ein Stein aus der Krone fallen.
Juhari wird aber nicht mit der Axt durch den Wald flitzen. Sie weiß, dass ihre Überzeugungsarbeit Zeit benötigt. Aus dem Grunde sind Kinder, und besonders Mädchen, ihre bevorzugten Ansprechpartner. Als Allererstes möchte sie dazu beitragen, den Analphabetismus zu bekämpfen, weil das der Einstieg ins Verständnis ihrer Mission ist. Sie versucht, zunächst eine Schule zu gründen, eine Dorfschule unter freiem Himmel, die offen wäre für alle Dorfbewohner, welche etwas mehr von der Welt kennenlernen möchten.
Hakim, Juharis Zweiter, hat sein Wissen durch Überlieferung erhalten. Vom Vater auf den Sohn, denn so wird in den Ländern Afrikas die Heilkunde weitergegeben. Das ist nicht uneffektiv, mancher Kranke ist durch das Wissen um die Kräfte der Natur geheilt worden. In nicht wenigen Fällen versagte aber auch die Kunst der Schamanen. Dann war es eben der Wille der Götter, weil der Hilfesuchende nicht im Sinne der Geister gehandelt hat.
Juhari ist nun keineswegs eine ausgebildete Lehrerin, aber um den Massai ein Grundwissen an Schrift und Zahlenrechnen zu vermitteln, reicht es allemal. Man ist ja nicht in Europa, wo jeder i-Punkt durch ein Zertifikat belegt sein muss. Hier kommt es auf Intuition an, und die ist bei Judith in reichem Maß vorhanden.
Es sind einige Wochen nach den Hochzeitsfeierlichkeiten vergangen. Hakim hat gewisse Bedürfnisse ehrlich und gleichmäßig auf seine Frauen aufgeteilt. Keine fühlt sich vernachlässigt, auch Juhari nicht. Wenn sie sich am Morgen danach vor ihren Hütten treffen, wird ausgiebig über die Nacht palavert. Hanaa und Nyota hatten in der Hochzeitsnacht Juharis ja hautnah miterlebt, wie sie mit ihrem gemeinsamen Mann umgegangen ist. Nicht Hakim hat seinen Willen durchgesetzt, sondern die weiße Frau. Und es hat die beiden Spanner dermaßen fasziniert, dass sie ebenfalls erleben möchten, wie atemlos man (Frau) doch werden kann. Nur- sie sind beschnitten. Da fehlen ihnen die Attribute, die zur Lusterzeugung vonnöten sind. Ein Grund mehr, Juhari in ihrer Mission zu unterstützen. Die zukünftige Generation soll von den erregenden Genüssen nicht länger ausgeschlossen bleiben. Aber man sieht auch ein, dass eine Geburtenkontrolle wichtig für die Welt und für ein besseres Auskommen mit dem Einkommen auch bei den Massai erforderlich ist.
Es liegt kein Plan vor, nach dem der Schamane seine Frauen beehrt. Das passiert immer recht spontan. Deshalb weiß am Morgen niemand, wessen Nest der Hahn nächtlich wohl besucht hat. Aber dann wird gegackert.
»Wer von euch hat denn heute Nacht Besuch erhalten« fragt Juhari neugierig, » und wie war er denn?« Hakim war dieses Mal bei Hanaa. »Er ist ruhiger geworden, nicht mehr so hektisch wie sonst immer. Das hast du wohl bewirkt, Juhari«, meint Hanaa.
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