9 Die Arme werden in die Hüften gestemmt. Nun hebe man abwechselnd das linke und das rechte Bein in starker Kniebeugung so hoch, dass das Knie nahe der Brust kommt. Dabei muss der Oberkörper stramm und unbeweglich gehalten werden, ebenso das ruhende Bein. Die Übung wird fünfmal hintereinander gemacht.
10 Die Fersen fest geschlossen, die Arme in den Hüften, der Oberkörper stramm und unbeweglich. In dieser Haltung erhebe man sich auf die Fußspitzen und lasse sich achtmal niedersinken; so dass das Gesäß in die Nähe der Fersen kommt, aber auf denselben nicht aufliegen darf.
11 Man steht aufrecht und hat die Hände in die Hüften gestützt. Abwechselnd wird das linke und das rechte Bein wie bei der Übung Nr. 9 hochgehoben und mit voller Muskelanspannung nach vorn gestreckt. Das ruhende Bein und der Oberkörper müssen stramm und unbeweglich bleiben. Diese Übung wird mit jedem Bein fünfmal durchgeführt.
12 Tiefatmen durch die Nase.
13 Übung 1 dreimal, gleich anschließend Übung 6 zweimal, dann Übung 10 zweimal; Übung 2 dreimal, Übung 7 zweimal, Übung 9 zweimal, dann Übung 3 dreimal, Übung 11 zweimal und Übung 4 dreimal. Diese kombinierte Übung ist ohne Ruhepause durchzuführen.
14 Tiefatmen durch die Nase.
Wenn der Schüler die Überzeugung gewonnen hat, dass er die Übungen der ersten Stufe voll und ganz beherrscht, so mag er dieselben durch die nachstehenden Übungen ergänzen.
Die Übung mit dem Spiegel zum Zwecke der Muskelbeherrschung bleibt; ebenso die Ruheübung mit den geschlossenen Knien und Fersen und der Konzentration auf das Christusbild.
Dagegen kann das Sortieren der Körner bzw. das Lösen des verwirrten Wolleknäuels wegfallen. Man soll diese Übung nunmehr nur dann machen, wenn man sich ungeduldig oder zum Zorn geneigt fühlt. In einem solchen Augenblicke zwinge man sich sofort dazu.
Der Schüler darf unter keinen Umständen mehr eine solche Regung ausströmen lassen, sondern muss sie augenblicklich bekämpfen, denn das sind die größten Feinde einer erfolgreichen Entwicklung. Zorn und Ungeduld sind die größten Kräftezersplitterer, leichtsinnigen Menschen vergleichbar, die ihr Gut und Habe in toller Hast verschleudern und verjubeln.
Man gewöhne sich an, stets einen Becher mit solchen Körnern bzw. ein stark verwirrtes Knäuel Wolle bei sich zu tragen, um sie gegebenenfalls sofort verwenden zu können. Man wird zu diesem Zwecke am besten einen flachen Becher kaufen, wie er bei Touristen üblich ist und der bequem in der Tasche getragen werden kann.
Wir gehen nun zu der für den Anfänger so sehr wichtigen Atemübung über. Der Schüler hat dieselbe bis zu 15 Sekunden, also die einmalige Atemprozedur bis auf 3/ 4Minuten gesteigert. Seine Lunge ist jetzt an das Voll- und Tiefatmen gewöhnt. Trotzdem übt er in der in Stufe I beschriebenen Weise weiter, nur wird unmittelbar daran noch folgendes Experiment angeschlossen.
Man atmet bei geschlossenem Munde stoßweise durch die Nase ein. Es werden hintereinander zehn bis fünfzehn kurze Atemzüge genommen (ohne dazwischen auszuatmen) bis die Lunge ganz mit Luft angefüllt ist. Der Vorgang ist ähnlich wie wenn man sich in schlechter Luft befindet oder gezwungen ist, scharfe, reizende Düfte einzuatmen. In solchen Fällen vermeidet man es auch in langen Zügen einzuatmen. Hat man nun mit der obigen Anzahl ganz kurzer Atemzüge die Lunge angefüllt, dann wird der Atem noch einige Sekunden zurückgehalten, um schließlich mit einem einzigen langen Zuge durch die Nase wieder entfernt zu werden. Diese Übung, die stets dreimal hintereinander gemacht werden soll, folge vorläufig auf jede andere Atemübung und dient der Reinigung der Lunge.
Auch die Übung mit dem schwarzen Kreis wird beibehalten, nur wolle der Schüler jetzt einen Kreis nehmen, der kleiner ist, ungefähr nur ein Markstück groß. Außerdem lässt sich diese Übung auch noch dadurch unterstützen, dass wir tagsüber, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wenn wir z. B. uns in unserer Arbeit eine kleine Pause gönnen, für einige Minuten einen scharf hervortretenden Punkt irgendeines Gegenstandes in das Auge fassen und denselben unverwandt ansehen, ohne die Stellung des Auges zu verändern und ohne zu blinzeln oder mit den Lidern zu zucken.
Die „Plastisch-Denkübung“ mit Gegenständen wird fortgesetzt, doch empfiehlt es sich jetzt, die Augen dabei geöffnet zu halten. Dadurch wird dieses Experiment allerdings etwas schwerer werden, denn nun heißt es, die Gegenstände mit der größten körperlichen Deutlichkeit vor den leiblichen Augen zu sehen. Hier muss die Einbildung sehr viel nachhelfen, man muss sich mit Aufgebot der ganzen Willenskraft zwingen bei offenem Auge die Gegenstände in der Luft schweben sehen zu wollen !
Der Schüler muss auch seine Aufmerksamkeit auf ein fortgesetztes plastisches Denken richten. Die meisten Menschen denken nur mit Worten und nicht mit Vorstellungen. Der Schüler muss sich bestreben beides zugleich zu tun. Jedes Wort muss sich sofort mit der ihm zugehörigen Vorstellung verbinden, und zwar mit intensiver lebenswarmer Klarheit und Plastik. Wer z. B. einen Satz denkt, der von Gegenständen handelt, gewöhne sich an, diesen Gegenstand und die mit ihm verbundene Handlung gleichzeitig mit dem gedachten Wort in plastisch greifbarer Deutlichkeit vor seinem geistigen Auge aufsteigen zu lassen.
Nach und nach muss es ihm gelingen, seine ganze Gedankenwelt so intensiv zu gestalten, dass sie sofort im Moment des Entstehens nicht nur mit plastischen Vorstellungen, sondern auch mit lebenswarmen Empfindungen verbunden ist. Richtig denken heißt — alles Gedachte geistig miterleben!
Wir müssen nun beginnen, uns in der Gedankenkonzentration zu üben. Je schärfer wir imstande sind, unsere Gedanken ausschließlich auf einen Mittelpunk zu konzentrieren, gleichsam wie man die Sonnenstrahlen in einem Brennglase auffängt, desto mehr ziehen wir uns von den Eindrücken der Außenwelt ab.
Wir nehmen uns einen täglichen Gebrauchsgegenstand zur Hand, wie etwa eine Schere, ein Taschenmesser, einen Bleistift usw. Dabei aber wollen wir beachten, dass es für den Anfänger angezeigt ist, nicht allzu einfache Gegenstände zu wählen, denn je einfacher ein Gegenstand ist, desto schwerer ist die Konzentration auf ihn. Ein Taschenmesser z. B. wird in dieser Hinsicht gewiss weniger Schwierigkeiten bilden als ein Bleistift oder gar ein unbeschriebenes Blatt Papier.
Der Schüler suche einen abgeschlossenen Raum auf in welchem er nicht gestört werden kann, setze sich bequem nieder und verschließe seine Ohren mit Wattepfropfen, welche tüchtig mit Wachs durchknetet und an einer Schnur befestigt sind, woran man sie leicht wieder aus dem Ohr herausziehen kann. Bevor man sie in das Ohr steckt, mag man sie immer erst etwas durchkneten, um sie weicher zu gestalten und in eine birnenartige Form zu bringen. Hat man nun auf solche Weise seine Ohren hermetisch verschlossen, so dass kein Geräusch hindurchzudringen vermag, so legt man den erwählten Gegenstand vor sich auf den Tisch und zwingt seine Gedanken, sich ausschließlich nur mit demselben zu beschäftigen. Der Gedankengang, der sich hierbei entwickelt, befasst sich vorläufig nur mit dem Äußeren und dem Zwecke dieses Gegenstandes. Hat man z. B. eine Schere gewählt, so würde man folgenden Gedanken Raum geben: „Das ist eine Schere. Sie besteht aus zwei Teilen, die durch eine Niete zusammengehalten sind. Jeder dieser Teile ist an der Innenseite scharf geschliffen und hat unten am Handgriff eine nullförmige Ausrundung, die zur Aufnahme der Finger dient. Die Schere ist aus Metall gemacht, ungefähr 15 Zentimeter lang und schön poliert. Sie ist schon seit längerer Zeit in meinem Besitz und dient mir zum Zerschneiden von Papier, Stoffen u. a.“
Читать дальше