Da ist in erster Linie das Gesicht gemeint. Unser unbewusstes Mienenspiel während des Sprechens, das auf die Strahlung so störend einwirkt, muss vermieden werden. Das Auge und die ganze Partie um das Auge herum, die Stirn, die Wangen usw. müssen unbeweglich bleiben und nur jene Muskeln dürfen tätig sein, welche zum Sprechen nötig sind.
Um das zu erreichen, ist folgende Übung durchzuführen:
Der Schüler setze sich vor einen Tisch und nehme eine leichte ungezwungene aber aufrechte Haltung an, so dass er es nicht nötig hat, während der Übung sich zu bewegen. Vor sich auf den Tisch soll er einen Stehspiegel haben, und seine Aufgabe besteht jetzt darin, sein Spiegelbild während einer Viertelstunde genau zu beobachten. Es darf sich die ganze Zeit über, trotzdem das Auge nach allen Richtungen zu schauen hat, kein Lid, kein Muskel bewegen, das Gesicht muss wie aus Marmor gemeißelt sein.
Man muss die ganze Willenskraft anwenden, um diese Übungen durchzuführen. Das anfängliche Misslingen darf den Schüler nicht entmutigen; was ihm heute nicht gelingt, gelingt ihm morgen. Auf keinen Fall aber darf er, wenn er auch anfänglich seine Muskeln noch nicht nach Wunsch in die Gewalt bekommt und die Übungen mehrfach durch Zucken und Blinzeln unterbrochen werden, dieselben vor einer Viertelstunde beenden.
Aber auch Geduld muss sich der Schüler aneignen. Nur wer Geduld hat, versteht sich zu meistern und dann erst kann er andere Menschen beeinflussen. Nachstehende Übungen sind, so einfach sie auch scheinen mögen, darauf berechnet, den Schüler zu Geduld und Ausdauer zu zwingen.
Man schütte in einen Becher je eine Handvoll Erbsen, Bohnen, Linsen, Reiskörner, Hanf, Kaffeebohnen u. a., vermenge den Inhalt tüchtig und leere ihn dann auf den Tisch. Es sei nun des Schülers Aufgabe, den Inhalt sorgfältig zu sortieren, Bohnen zu Bohnen, Linsen zu Linsen, Erbsen zu Erbsen usw. Wenn man dann nervös und ungeduldig zu werden beginnt und die ganze Arbeit über den Haufen werfen möchte, ermahne man sich sofort und, eingedenk des hohen Zieles, das man sich gesteckt hat, zwinge man sich unter allen Umständen zur ununterbrochenen Durchführung dieser Übung. Geht‘s gar nicht anders, so konzentriere man dabei seine Gedanken auf irgendeine heitere Begebenheit oder singe sich ein lustiges Lied — das hilft immer.
Ferner lasse man sich von einer anderen Person ein Knäuel Wolle vollständig verknüpfen. Und nun gehe man daran, diese Wolle zu entwirren und alle Knoten zu lösen. Der Knäuel darf naturgemäß nicht allzu groß sein, da dessen Lösung sonst zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Jede dieser Geduldsübungen soll nämlich nicht mehr als eine halbe Stunde in Anspruch nehmen. Man wechsle ab, den einen Tag das Körnerlesen, den andern das Fadenentwirren. Wer Geduldspiele in seinem Besitz hat, übe außerdem noch damit.
Es kann der Schüler nicht genug ermahnt werden, diesen Übungen ja recht große Sorgfalt zuzuwenden, denn Ruhe, Geduld und Beharrlichkeit bilden die Basis, auf welcher die Entwicklung physischer Kräfte beruht. Der Schüler, der es ernst mit dieser Entwicklung meint, wird außerdem gut tun, sich jeden Tag einmal zu einer Arbeit zu zwingen, die er bisher nur ungern verrichtet hat. Er sage sich, dass jede Arbeit, welcher Art sie auch immer sei, so sie nur einem unserer Mitmenschen Nutzen bringt und nicht gegen die Moral verstößt, gut ist und uns dient.
Auch wird ihm angeraten, sich — zur Stärkung seiner Willenskraft — zu zwingen, so oft als möglich mit einer Person zu verkehren, die ihm nicht sympathisch ist, oder mit der er Zwistigkeiten gehabt hat. Je mehr Überwindung ihm ein solcher Verkehr kostet, desto besser ist es für die Ausbildung seiner Willenskraft und seines inneren Menschen. Selbstverständlich liegt der Sinn dieser Übung darin, mit jener Person in der liebevollsten Weise zu verkehren und sich von ihr unter keinen Umständen aus der Ruhe bringen zu lassen. Der Mächtigere ist immer der Ruhige.
Und an dieser Stelle sollen dem Schüler gleich Verhaltungsmaßregeln gegeben werden bezüglich seiner nunmehrigen Lebensweise, die für die Dauer der Entwicklung ziemlich streng eingehalten werden soll.
Der Schüler enthalte sich so viel als möglich des Alkoholgenusses ! Abends darf kein Alkohol genossen werden, ebenso wenig erregende Getränke wie Tee oder Kaffee. Zu den übrigen Zeiten schadet Tee- oder Kaffeegenuss weniger. Auch des Rauchens mag sich der Schüler für einige Zeit etwas enthalten . Auf keinen Fall aber darf, der Morgen- und Abendübungen halber, zu diesen Zeiten geraucht werden. Man merke sich genau, dass mindestens zwei Stunden vor jeder Übung nichts gegessen, kein Alkohol genossen und auch nicht geraucht werden darf. Tagsüber ist das vorläufig noch gestattet, doch wird schon für den Anfang die größte Mäßigung empfohlen. Der Schüler mag sich darauf einrichten, dass er in einem vorgeschritteneren Stadium der Entwicklung überhaupt nicht rauchen, keinen Alkohol und kein Fleisch genießen darf. Darum wird es für Raucher gut sein, sich innerhalb einiger Wochen des Rauchens langsam zu entwöhnen. Auch der Alkoholgenuss soll langsam eingestellt werden. Keineswegs aber ist ein plötzlicher Abbruch dieser Gewohnheiten angezeigt. Man verringere einfach mit jedem Tag das Quantum Nikotin oder Alkohol, so dass man schließlich ohne Erschütterung des Organismus imstande ist, ganz zu entsagen. Auch Fleischesser dürfen nicht plötzlich aufhören, sondern sollten sich von Beginn des Kurses an nur jeden zweiten Tag, später nur zweimal in der Woche den Fleischgenuss gestatten. Abends darf während der Entwicklungsperiode unter keinen Umständen weder Fleisch genossen noch geraucht oder Alkohol getrunken werden.
Der Schüler wird vor allen Abendvergnügungen gewarnt. Er soll des Abends Theater, Konzerte, Bierhäuser, usw. strenge vermeiden. In einer späteren Entwicklungsstufe wird es ihm schon klar werden, warum wir ihm solche Einschränkungen auferlegen müssen.
Verheiratete Personen wollen sich während ihrer Entwicklung des sexuellen Verkehrs enthalten; sollte aber im Laufe eines Monats eine einmalige Befriedigung nicht hintanzuhalten sein, so müssen die Übungen für 36 Stunden unterbrochen werden. Ledige Personen dürfen keinen Geschlechtsverkehr pflegen und müssen ihre Reinheit in dieser Beziehung unter allen Umständen bewahren; wenn junge männliche Schüler während der Entwicklungszeit mit Dirnen verkehren wollten, so würden sie sich an Leib und Seele nie wieder gut zu machenden Schaden zufügen!
Diese sämtlichen Vorschriften gelten natürlich nur für die Entwicklungsdauer. Wer seine Kräfte entwickelt hat, kann ab und zu ein Glas Bier oder Wein zu sich nehmen, er kann auch ab und zu etwas rauchen. Auch die Vorschrift, den sexuellen Verkehr für Verheiratete betreffend, ist dann aufgehoben; der Entwickelte kennt das Maß und wird gar nichts mehr zur Leidenschaft anwachsen lassen — er ist Herr über sich geworden.
Der Schüler halte sich streng an drei Mahlzei ten , und zwar soll er morgens, mittags und abends essen. Die Hauptmahlzeit ist zu Mittag. Abends ist eine größere Nahrungszufuhr zu vermeiden. Man esse nur bis zur leichten Sättigung, der Magen darf nie überladen werden. Dagegen wird aber vor jeder Unterernährung eindringlichst gewarnt. Wenn ein Schüler einer Lehre angehört, die eine extreme Ernährung anempfiehlt, so mag er sich für die Dauer dieses Kurses von solchen Anschauungen zurückziehen; die hier vorgelegten Übungen vertragen sich mit einer systematischen Unterernährung und Säfteentmischung keinesfalls.
Über die Auswahl der Speisen wird erst die folgende Stufe berichten: der Schüler soll nur langsam seine Lebensweise ändern.
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