Der vorliegende Lehrgang ist bestrebt, diesen, den Schüler wenig aneifernden Umstand auszuschalten. Es werden zu diesem Zwecke alle Fähigkeiten so ziemlich gleichzeitig entwickelt. Das erfordert keinesfalls besondere Anstrengungen des Schülers, denn es genügen täglich zwei Stunden für die verschiedenen Übungen, die außerdem mit einigen Ausnahmen zu jeder Tageszeit durchgeführt werden können.
Wir stellen nun an den Schüler, ehe er mit dem eigentlichen Studium beginnt, einige große Anforderungen.
1 Verlangen wir von ihm Geduld. Die Erfolge können sich nicht augenblicklich einstellen. Wer in ein fremdes Land reist, muss erst lernen, sich dort zurechtzufinden, ehe er etwas unternimmt, und wer einen Ausblick haben will, darf die Mühe des Aufstiegs nicht scheuen. Nur die Geduld führt zum Ziel und der Ausdauernde und Beharrliche findet immer seinen Lohn; der Ungestüme aber bereitet sich Misserfolge.
2 Der Schüler soll schweigen. Es ist das ein okkultes Gesetz. Wer im Studium seiner Entwicklung anderen Personen von seinen Übungen oder Erfolgen Mitteilung macht, geht dieser Erfolge wieder verlustig. Nur derjenige, der seine Ausbildung vollendet hat und dessen Kräfte durch längere Zeit hindurch gefestigt sind, kann von seinen okkulten Fähigkeiten sprechen, obwohl der Ausgebildete schon von selbst darauf kommen wird, dass es vorteilhafter ist, diese Kräfte stillschweigend anzuwenden, als nutzlose Schaustellungen mit ihnen zu bereiten, welche nur der Eitelkeit dienen und dem Betreffenden wenig Nutzen bringen würden.
3 Die Übungen sollen nicht unterbrochen werden. Besonders der Anfänger muss darauf achten. Unterbrechungen werfen meist wieder zurück und verlängern das Studium. Manche Schüler haben sich schon sehr geschadet, indem sie mitten in der besten Entwicklung ohne besonderen Zwang ihre Übungen für einige Tage unterbrochen hatten und dann aller Erfolge verlustig gingen, so dass sie wieder von vorne anfangen mussten. Es soll eigentlich nur einen Grund zur Unterbrechung dieser Übungen geben und der heißt „Krankheit“. Diesen Grund kann man aber für jeden ernst strebenden Schüler getrost ausschließen, denn wer seine Kräfte entfaltet, verschließt den Krankheiten Tür und Tor.
4 Wir verlangen nicht, dass der Schüler sich unsere Weltanschauung zu eigen machen soll. Mag jeder glauben, was er will. Aber wir fordern von ihm, dass er die nachfolgenden Lehrsätze zu begreifen sucht, und sich vorhält, dass logischerweise gegen, die Möglichkeit dieser Anschauung nichts einzuwenden ist. Wenigstens für die Dauer seiner Entwicklung mag er sich mit diesen Lehrsätzen befreunden, sonst wird es ihm kaum möglich sein, sich mit dem Sinn der Übungen vertraut zu machen.
Wir müssen annehmen, dass die Materie in mehreren Zustandsformen existiert, und zwar in der „grobstofflichen“ sinnfälligen, und der „feinstofflichen“, nur dem okkulten Sinne zugänglichen Form.
Wir müssen ferner annehmen, dass der Mensch ebenfalls aus zwei solchen Zustandsformen besteht, und zwar aus einem grobstofflichen Körper, nämlich der fleischlichen Erscheinung, und aus einem feinstofflichen, nur unter gewissen Bedingungen sichtbaren Körper, dem Astralkörper. Diese beiden stofflichen Erscheinungsformen werden belebt und organisiert von einem unstofflichen rein geistigen Prinzip, der Seele, auch Psyche genannt, die eigentlich als das einzig Seiende, Unvergängliche anzusehen ist.
Dadurch, dass diese Psyche, dieser von dem Allgeist losgelöste und dadurch individuell gewordene Geistesfunke in den Stoff eingekerkert ist, wird sie von diesem verdunkelt und des Bewusstseins ihrer hohen Abstammung beraubt. Es ist nun ihre Aufgabe, trotz der fleischlichen Umklammerung, sich zu der Erkenntnis ihrer göttlichen Wesenheit durchzuarbeiten, da ihr nur die Erreichung dieses Zieles die wahre Glückseligkeit bringen kann. Sie muss deshalb durch die Materie auf sich selbst wirken, um diese Riesenaufgabe, der sie mit der Zeit unbedingt gerecht werden muss, vollenden zu können.
Zu diesem Zwecke muss sie sich von der Macht des Stoffes befreien, sie muss die Meisterin des Instrumentes werden und ihre Kräfte frei bekommen, damit sie ihre Schwingen entfalten kann.
Und darin liegt das ganze Programm der neupsychologischen Kräfteentwicklung.
„ Beherrschung des Stoffes — Befreiung der psychischen Kräfte !“
Die Beherrschung des Stoffes erfordert in erster Linie Geduld und Ruhe .
In dieser Beziehung steht es bei den meisten Menschen sehr schlecht. Ganz abgesehen davon, dass unter 100.000 Menschen vielleicht immer nur einer imstande ist, seinen Geist ruhig zu erhalten; so ist es schon sehr schwer, nach außen hin ruhig zu bleiben.
Ruhe, Geduld, Ausdauer und Pünktlichkeit , das müssen wir in erster Linie lernen. Jeden Tag zu einer bestimmten Zeit müssen wir einen absoluten Ruhezustand an unserem Körper herstellen. Wir sagten, dass wir lernen müssen, den Stoff zu beherrschen, das Fleisch in unsere Gewalt zu bekommen, und da müssen wir hauptsächlich mit den unwillkürlichen Muskelbewegungen den Kampf aufnehmen. Die Oberherrschaft des Geistes verlangt, dass nichts an unserem Körper geschehe ohne Zustimmung unseres bewussten Willens.
Wir strahlen fortwährend ein feines Fluid aus unserem Körper. Dieses Fluid (nach Freiherr von Reichenbach auch Od genannt) ist der Träger unserer psychischen Eigenschaften und unseres Willens.
Wenn wir nun auf eine Person unseren Einfluss richten wollen, so überstrahlen wir unbewusst die odische Emanation auf dieselbe. Diese Überstrahlung erleidet jedoch durch unsere unkontrollierten Muskelbewegungen fortwährende Unterbrechungen. Das hat zur Folge, dass auch die odische Strahlung unterbrochen wird und somit die Kraft der Übertragung eine erhebliche Einbuße erfährt.
Der Geist wird durch solche Störungen von seinen Objekten ebenfalls fortwährend abgezogen und muss seine Aufmerksamkeit diesen nichtigen Bewegungen zuwenden. Das aber ist eine Kraftzersplitterung.
Darum mache der Schüler mit Fleiß und Ernst jeden Tag zu einer bestimmten Stunde folgende Übung:
„Er setze sich an einen Tisch, möglichst aufrecht und in freier Haltung; die Fersen müssen fest geschlossen sein und ebenso die Knie. Der Schüler muss darauf achten, dass während der ganzen Übung die Knie und die Fersen so fest geschlossen bleiben, dass sich auch nicht ein Blatt Papier hindurch schieben lässt. Dann lege er beide Hände auf den Tisch, doch so, dass die Daumen unter die Tischkante kommen und schließe die Hände zusammen, indem er Zeigefinger an Zeigefinger drückt. Vor sich auf dem Tisch oder in Kopfhöhe an der Wand, keinesfalls aber in einer weiteren Entfernung als 1-2 Meter habe der Lernende ein Bild vor sich, dessen Darstellung geeignet ist, bessere Gefühle in ihm zu erwecken. Bilder, die irgendwie erregen oder eine Leidenschaft erwecken können, sind zu vermeiden, am besten ist ein Christusbild (Kopf oder Brustbild) zu verwenden.
Während man nun in dieser unbeweglichen Haltung am Tische sitzt, hat man das Bild ruhig zu betrachten, jedoch ohne jede Kopfbewegung. Man suche sodann seine Gedanken nur auf dieses Bild zu richten und jeden anderen Gedanken, der sich einschleichen wollte, energisch abzuweisen. Man muss sich geistig so in das Bild versenken, dass die ganze Umgebung aufhört zu sein; es dürfen für den Lernenden während dieser Übung nur zwei Dinge existieren, er und sein Objekt, das Bild.
Diese Übung soll mindestens eine Viertelstunde währen; wer über Zeit verfügt, mag sie langsam bis zu einer halben Stunde steigern.
Die meisten Menschen sind auch beim Sprechen, also gerade dann, wenn sie Eindruck machen wollen, wenn sie ihre Strahlungen praktisch verwerten sollen, von einer solchen Unruhe, dass sie sich aller Wirkung berauben. In Rücksicht auf die vielen total unnötigen und unangebrachten Körperbewegungen sei an den Grundsatz erinnert, dass die Gebärde mit den Worten übereinstimmen müsse . Nun ist für denjenigen, der sich eines klaren sprachlichen Ausdruckes bedient, die Unterstützung des Wortes nur teilweise und meist überhaupt nicht nötig. Das allzu große Gebärdenspiel beim Sprechen ist eine Kraftvergeudung. Damit ist nicht gesagt, dass man sich wie eine Pagode halten soll, aber man muss darauf achten, wenigstens die unbewussten Muskelbewegungen einzustellen und den Körper scharf unter seine Kontrolle zu bekommen.
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