Jax grinst, wahrscheinlich wegen meines geschäftlichen Befehlstons, den ich gerade aufgelegt habe. Aber im Geschäftsmodus fühle ich mich immer sicherer. Auch Männern wie ihm gegenüber. Ein Geschäft zu führen, liegt mir wohl im Blut. Das ist etwas, was ich kann. Wo ich einfach funktioniere, weil ich damit aufgewachsen bin, anderen Menschen zu sagen, was sie tun sollen und was ich von ihnen erwarte. Mein Vater hat mich schon früh darin eingearbeitet, irgendwann seine Immobilienfirma zu übernehmen. Und schon sehr bald habe ich gelernt, einen bestimmten Tonfall anzuschlagen, wenn ich will, dass Männer mich ernst nehmen. Zur Übernahme seiner Firma durch mich ist es nie gekommen, weil Richard die Geschäftsführung nach dem Tod meiner Eltern übernommen hat. Schon ein Jahr nach meinem Collegeabschluss war ich nur noch Hausfrau und Ehefrau gewesen. Seit sieben langen Jahren. Außer Olivia gibt es nichts in meinem Leben, das mich erfüllt.
»Alles klar. Bis gleich.«
Katelyn
Jax wirft mir ein breites Grinsen zu und zwinkert auf eine Art, die nicht für eine verheiratete Frau bestimmt sein sollte. Mein Magen zieht sich zusammen und nervös lege ich meine Finger um den Zündschlüssel. Ich weiche seinem Blick aus und hasse das schlechte Gewissen, das mich überkommt, nur weil dieses Zwinkern mir besser gefällt, als es sollte. Aber warum habe ich überhaupt ein schlechtes Gewissen? Noch vor ein paar Minuten habe ich selbst gesehen, wie wenig mein eigener Mann von unserer Ehe und damit wohl auch von mir hält.
Ich wusste schon immer, dass er mich nicht respektiert, dass ich neben ihm nicht gleichberechtigt bin in dieser Ehe. Aber dass er mich so wenig respektiert … So laufen die Dinge eben, wenn die Ehe ein Geschäftsabschluss ist.
Ich schließe die Augen, atme tief durch und starte den Motor. Ich werfe einen Blick in den Rückspiegel, wo ich seinem begegne. Er nickt mir zu und ich fahre langsam weiter, biege an der nächsten Ecke ab und dann gleich auf den kleinen Parkplatz neben dem Café, in dem ich oft mit Olivia ein Stück Kuchen esse, nachdem ich sie aus der Schule abgeholt habe. Bevor ich aussteige, werfe ich einen flüchtigen Blick in den Spiegel und kneife die Lippen zusammen, als ich die blonde Strähne sehe, die sich aus meiner Frisur gelöst hat. Ich stecke sie eilig zurück in eine der zahllosen Metallspangen, mit denen ich meine vollen schweren Haare versuche zu bändigen, dann öffne ich die Autotür.
Als Jax mit seinem schwarzen Journey neben mir einparkt, krampft mein Magen erneut. Schon der Gedanke, dass ich gleich mit ihm an einem der Tische sitzen werde, lässt mich nervös werden. Ich straffe die Schultern, bevor ich aussteige und schalte in den Geschäftsmodus um. Dies hier ist nichts weiter als ein geschäftliches Treffen. Wir tauschen unsere Daten aus, sowas mache ich jeden Tag. Habe ich gemacht. Bis Olivia auf die Welt kam. Seither habe ich nicht mehr gearbeitet, weil Richard das so wollte. Seither hatte ich kaum Kontakt mit Männern, außer natürlich Richard, entschuldige ich vor mir selbst meine Nervosität und dieses Kribbeln in der Magengrube.
Ich klammere mich an meine Handtasche und mustere den schwarzen Journey. Ein großes, sportliches, aber luxuriöses Auto. Es passt irgendwie zu diesem Mann, es strahlt genauso viel Selbstsicherheit und Arroganz aus wie er. Ein Wunder, dass Jax mich nicht in Grund und Boden geschrien hat auf der Kreuzung. Richard hätte es getan, wenn ich seinen Mercedes auch nur gekratzt hätte. Aber der Journey hat auch deutlich weniger Blessuren davongetragen als mein Beetle.
Jax steigt aus dem Wagen und schließt die Tür. Er lehnt sich über die Motorhaube und schaut zu mir herüber. »Lassen Sie uns hier draußen sitzen«, sagt er und weist mit seinem Kinn zur Terrasse mit den kleinen Sitzgruppen. Da es erst Mittag ist, sind wir die einzigen Gäste. Erst nach Schulschluss kommen einige Mütter mit ihren Kindern hierher. Die Nähe zur Sonderschule hat dem Café zu einigen Stammgästen verholfen. Die Besitzer des Cafés wiederum haben sich mit der Errichtung eines Spielplatzes dafür revanchiert.
»Gerne«, sage ich und gehe an den Autos vorbei auf die Terrasse zu. Jax zieht mir einen Stuhl zurück, ich setze mich, bedanke mich bei ihm, dann setzt er sich mir gegenüber.
Wir bestellen beide Kaffee. Ich spüre schon wieder diese Nervosität, also lenke ich mich ab und krame Geldbörse und Handy aus meiner Handtasche. »Ich muss nur schnell einer Freundin schreiben«, sage ich entschuldigend. »Ich wollte eigentlich meine Tochter von der Schule abholen.«
»Sie können sie auch erst holen und kommen dann wieder her.«
»Nein, kein Problem. Meine Freundin kann sie mitbringen. Wir wollten uns ohnehin hier treffen.« Ich lecke mir nervös über die Lippen. Es werden hier gleich sehr viele Mütter und Kinder eintreffen. Und sie alle werden mich hier mit einem fremden Mann sitzen sehen. Bei dem Gedanken schießt Hitze in mein Gesicht und das schlechte Gewissen überkommt mich wieder. Aber ich schiebe es von mir und bin überrascht, dass ich stattdessen plötzlich Wut fühle. Wut auf meinen Ehemann und sein schmutziges Geheimnis. Und etwas tief in mir sagt mir, dass dieses Gefühl richtig ist. Ganz anders als das schlechte Gewissen und die Panik, die mich überkommt, wenn ich mir vorstelle, wie Richard reagieren würde, wenn er wüsste, dass ich mit einem anderen Mann einen Kaffee trinke.
Ich tippe die Nachricht, während ich seinen Blick auf mir spüre und lege das Handy auf den Tisch, dann nehme ich die Versichertenkarte und die Visitenkarte aus meiner Geldbörse und schiebe beides zu ihm rüber. Er macht von beidem ein Foto mit seinem Handy und schiebt mir dann seine Karten über den Tisch. Ich mache es wie er und fotografiere alles ab. Dana stellt wortlos den Kaffee auf dem Tisch ab und wirft mir dann ein unsicheres Lächeln zu. Ich werde ihr später erklären müssen, warum ich heute mit einem Mann hier sitze.
»Ich werde mich um Ihren Wagen kümmern«, sagt Jax.
Überrascht sehe ich zu ihm auf. »Wie meinen Sie das?« Ich hole mein Notizbuch hervor. Ich trage immer alle wichtigen Sachen in mein Notizbuch ein, dann weiß ich jederzeit, wo ich nach ihnen suchen muss. Dieses Notizbuch gibt mir das Gefühl zurück, immer und zu jeder Zeit die Kontrolle über mein Leben zu behalten. Alles muss nach genauen Regeln laufen, weil ich Angst davor habe, dass sonst mein altes Ich wieder an die Oberfläche drängt. Bis auf Richard, bei ihm weiß ich nie, was er im nächsten Moment tut, weswegen ich gelernt habe, mit allem zu rechnen.
Ich beginne, Jax’ Personalien einzutragen. Name: Jackson Edlund, Wohnort: Columbus, Ohio, Geburtsdatum: 28.08.1978 … Ich rechne schnell im Kopf nach, aber Jax kommt mir zuvor.
»Siebenunddreißig. Sieben Jahre älter als Sie.«
»Danke«, gebe ich schnippisch zurück. »Ich kann rechnen. Nicht, dass es mich interessiert hätte, wie viel älter Sie sind als ich.«
Ich klappe mein Buch zu und trinke von meinem Kaffee. Wieder beobachtet mich Jax ganz genau. Mir ist danach, mich auf dem Stuhl unbehaglich zu winden, aber ich unterdrücke dieses Bedürfnis vehement. Ich werde nicht zulassen, dass er bemerkt, wie sehr er mich verunsichert. Ich würde niemals erlauben, dass ein Geschäftspartner meine Unsicherheit bemerkt. »Das raubt dir jegliche gute Verhandlungsposition«, hat mein Vater immer gesagt.
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, werfe ich ein, nachdem ich noch einen Schluck von meinem schwarzen Kaffee genommen habe. »Kaffee schwarz lässt dich stark wirken, wie jemand, mit dem man rechnen muss«, auch etwas, das mein Vater immer wieder gesagt hat.
»Wie ich mich um Ihr Auto kümmern werde?«, will Jax amüsiert wissen. Um seine Augenwinkel herum vertiefen sich die Lachfalten. Verdankt er diese Fältchen seinem Alter oder ist er ein Mensch, der viel und häufig lacht? Er schiebt sein markantes Kinn vor, dann brummt er leise: »Ich werde es abholen lassen. Ein Freund von mir hat in der Stadt eine Werkstatt.«
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