Durch die Einführung des BTHGs wurden die Leistungen der Eingliederungshilfe in vier Gruppen unterteilt, die unter dem Oberbegriff „Leistungen zur Teilhabe“ geführt werden. Teil dessen ist auch die Förderung zu einer vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das Gesetz umfasst neben Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (z.B. Psychotherapie, Hilfemittel) ebenso Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. in Werkstätten für behinderte Menschen), zur Bildung (z.B. Hilfen zur Hochschulbildung) sowie zur sozialen Teilhabe (z.B. Umbau einer Wohnung, KFZ-Hilfe) (ebd., S. 21; SGB IX, §90 Absatz 2-5). Die bezogenen Leistungen werden als Sach-, Geld- oder Dienstleistung erbracht (§105, SGB IX, Absatz 1). Dies bedeutet, dass die Fachleistungen der Eingliederungshilfe klar von den Leistungen zum Lebensunterhalt getrennt sind und getrennt voneinander finanziert werden. Demzufolge findet auch in diesem Bezug ein Systemwechsel statt, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht, indem nicht der Ort der Unterbringung entscheidend ist, sondern der Bedarf und der Wunsch der Einzelnen (Bundesamt für Arbeit und Soziales, 2008, S. 3). Die zu erhaltene Unterstützung ist „ausschließlich am notwendigen individuellen Bedarf ausgerichtet. Es wird nicht mehr zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Maßnahmen der Eingliederungshilfe differenziert. Die Eingliederungshilfe konzentriert sich auf die Fachleistung“ (ebd., S. 7).
Im Zusammenhang des BTHGs wurden die stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe durch die beson-deren Wohnformen abgelöst (ebd., S. 25). Demnach wird unter besondere Wohnformen ein gemeinschaftliches Wohnen von mehreren Personen mit Behinderungen in einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung oder in Wohngruppen verstanden. Die in diesen Wohnformen lebenden Men-schen haben ihr eigenes Zimmer und teilen sich gemeinschaftlich Küche und Aufenthaltsräume. Die dort tätigen Mitarbeiterinnen sind für alle Menschen, die in der Wohngemeinschaft leben, zuständig. Zusätzlich erhalten die Adressatinnen individuelle Assistenzleistungen, bspw. zur individuellen Förderung oder zur Freizeitgestaltung. Diese Assistenzleistungen sollen an den Bedarfen, Wünschen und Zielen der Einzelnen ausgerichtet sein, sodass eine personenzentrierte Unterstützung stattfindet (Landschaftsverband Rheinland, 2020, o. A).
In der Bundesrepublik Deutschland beziehen laut des statistischen Bundesamtes (2020, o. A.) 776.293 Menschen Eingliederungshilfe, davon leben über die Hälfte (497.388) in Einrichtungen (Stand: 31.12.2018).
Für die folgende Arbeit gilt, dass unter besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe die zuvor beschriebenen gemeinschaftlichen Wohnmöglichkeiten mit einer Rund-um-die-Uhr Betreuung gemeint sind, in denen im Rahmen des gesetzlichen Umfangs der Eingliederungshilfe Assistenzleistungen zur individuellen Förderung und personen- zentrierter Unterstützung erbracht werden.
Das WKS-Modell wurde zu Beginn der 1990er Jahre von Willem Kleine Schaars und Marja Appel in de Blockhorst, einer besonderen Wohnform in den Niederlanden, entwickelt (Appel & Kleine Schaars, 2008, S. 9). Zu diesem Zeitpunkt stand innerhalb der Behindertenhilfe die Vision im Raum die Adressatinnen selbst-bestimmter handeln zu lassen, was bisher in der Praxis zu wenig integriert war. Ihr Ziel bestand darin „die Unabhängigkeit unserer Klienten zu vergrößern und zu sichern“ (ebd., S. 12). Seit der ersten Veröffentlichung im Jahre 1992 befindet sich das WKS-Modell in der stetigen Weiterentwicklung.
Kurz gefasst geht das WKS-Modell von den Möglichkeiten der Adressatinnen, die den Mittelpunkt darstellen und die Richtung vorgeben sowie von deren sozialen Umfeld aus. Unabhängig von den individuellen Einschränkungen, hat jeder Mensch einen Handlungsrahmen in dem sie selbst und eigenständig Entscheidungen für sich treffen kann. Innerhalb dieses Rahmens ist jede Einzelne selbst für ihre Entscheidungen verantwortlich. Dieser Rahmen ist nicht statisch, sondern fortlaufend in Entwicklung. Ziel des Modells ist langfristig den Rahmen jeder Einzelnen kontinuierlich zu erweitern (Kleine Schaars, 2010, S. 10 f., 16, 18, 77). Dabei beschreibt das WKS-Modell den pädagogischen Umgang mit den Adressatinnen und umfasst entsprechende Veränderungen innerhalb der organisatorischen Strukturen.
Laut den Autoren ist das Modell sowohl bei Menschen mit einer Behinderung anwendbar, als auch auf all diejenigen, die in Abhängigkeit leben und „die vorüber- gehend oder ständig Hilfe und Begleitung brauchen, weil sie im gegebenen Moment nicht gut allein zurecht kommen“ übertragbar (Appel & Kleine Schaars, 2008., S. 11). Beispiele hierfür sind neben schwer erziehbaren Jugendlichen, auch Menschen, die in beschützenden Einrichtungen oder psychiatrischen Kliniken leben, also auch Anwendungsfelder wie die Altenhilfe und Schule (ebd., S. 11; Kleine Schaars, 2010, S. 77). Jedoch unter-scheiden sich die Handlungsspielräume einer Anwendung des WKS- Modells je nach Feld (ebd., S. 77).
Die Autoren selbst bezeichnen das WKS-Modell als eine Methode (ebd., S. 23). Analog zur Differenzierung zwischen Konzept, Methode und Techniken nach Geißler und Hege setzt das WKS-Modell als eine Methode das Konzept der Selbstbestimmung mit Hilfe von verschiedenen Techniken wie aktives Zuhören um. Das WKS-Modell stellt demnach einen vorausgedachten Plan dar, der die Vorgehensweise sowie die Interventionen in der sozialpädagogischen Praxis beschreibt (Galuske, 2013, S. 31, nach Geißler & Hege, 1995). Entgegengesetzt dieser Auffassung kann das WKS-Modell auch als einen Methodenkoffer angesehen werden, der unterschiedliche Methoden und Techniken umfasst. Um der irreführenden Bezeichnung einer Methode als ein Modell entgegenzuwirken, wird das WKS-Modell für die folgende Arbeit als ein Methodenkoffer verstanden, der die Konzepte der Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Adressatinnen umsetzt und in dem verschiedene Methoden mit dazugehörigen Techniken enthalten sind.
Auf die Inhalte des WKS-Modells mit ihren angewandten Methoden und Techniken sowie ihrer Umsetzung in Organisationen wird in Kapitel 4 präzise eingegangen.
1 „... simply a process by which people gain control over their lives, democratic participation in the life of their community (Rappaport, 1987), and a critical understanding of their environment (Zimmerman, Israel, Schulz, Checkoway, 1992)“ (Perkins & Zimmermann, 1995, S. 570).↩
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