sondern im Entzug auch zum Delirium tremens. Dies ist ein
Wahnzustand, der durch optische Täuschungen (zum Bei-
spiel weiße Mäuse sehen) und akustische Halluzinationen
(zum Beispiel Stimmen hören) gekennzeichnet ist. Das Deli-
rium tremens kann ohne eine medizinische Behandlung zum
Tode führen. Dies sind nur die häufigsten körperlichen Fol-
gen des regelmäßigen und überhöhten Alkoholkonsums.
Alkohol schädigt den gesamten Körper. Nach dem Rauchen
und dem Bluthochdruck ist der Alkoholkonsum der drittgröß-
te Risikofaktor für gesundheitliche Schäden.
Der übermäßige Alkoholkonsum führt zudem zur erhöhten
Unfallgefahr, erhöhter Risikobereitschaft und zu Gewalttaten
unter Alkoholeinfluss. Allein in 2005 starben in Deutschland
603 Personen infolge so genannter „Alkoholunfälle“, dies
sind Verkehrsunfälle, bei denen zumindest einer der betei-
ligten Personen unter Alkoholeinfluss stand (DHS, Jahrbuch
Sucht 2007).
Die Gewalttaten unter Alkoholeinfluss reichen von Prügelei-
en unter Betrunkenen, Gewalt gegenüber dem Partner und
den Kindern, bis hin zur Tötung eines anderen Menschen.
So hatte ich vor Jahren in der ambulanten Behandlung zwei
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junge Männer, die ihre Freundinnen im Affekt und unter ho-
hem Alkoholeinfluss erwürgt bzw. erstickt haben. Alkohol
löst nicht nur Hemmungen, sondern setzt auch Aggressio-
nen frei, die sich manchmal über Jahre aufgestaut haben.
Auch ein gesundheitlich bzw. körperlich unbedenklicher Al-
koholkonsum kann eine Gefährdung darstellen. Wer täglich
Alkohol konsumiert, sei es auch nur in geringen Mengen,
läuft Gefahr, sich psychisch immer mehr an Alkohol zu ge-
wöhnen. Alkohol gehört dann schnell zu Ihrem alltäglichen
Wohlbefinden, wie selbstverständlich dazu. Ihr Alltag wird
immer mehr vom Rhythmus des Alkoholkonsums bestimmt.
Mit dem täglichen Konsum von Alkohol steigt mit der Zeit
auch die körperliche Verträglichkeit, es kommt zur soge-
nannten Toleranzsteigerung. Dies bedeutet, dass sich je-
mand, der regelmäßig Alkohol trinkt, immer mehr an den
Alkohol gewöhnt und mit der Zeit immer mehr „vertragen
kann“. Daher finden sich Personen, die mit über 1,6 Promil e
Auto fahren, subjektiv noch fahrtüchtig. Die hohen Zahlen
der Verkehrsunfälle und der Verkehrstoten, die auf Fahren
unter Alkoholeinfluss zurückgeführt werden müssen, bele-
gen das Gegenteil.
Der Betreffende braucht mit der Zeit immer mehr Alkohol,
um die gleiche Wirkung zu erzielen. Hierdurch kommt es oft
zur Steigerung der Trinkmenge. Alkohol ist dann nicht län-
ger Genussmittel, sondern wird zum Suchtmittel, von dem
der Betroffene immer mehr körperlich und psychisch abhän-
gig ist.
Die Gefahr alkoholabhängig zu werden beginnt da, wo Sie
Alkohol nicht als Genussmittel, sondern insbesondere we-
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gen seiner Wirkung konsumieren. Betroffene in der Bera-
tung und der Therapie geben meist folgende Gründe für
ihren regelmäßigen und übermäßigen Alkoholkonsum an:
„Alkohol erleichterte mir den Kontakt mit anderen Men-
schen, machte mich gesprächiger, half mir vom Alltagstrott
abschalten zu können, erleichterte mir Belastungen, Stress,
Leere und Einsamkeit besser ertragen zu können“.
Wie eine fünfzigjährige Frau, die sich zur Entgiftung in ei-
nem Krankenhaus befand, es ausdrückt: “ Früher habe ich
gelegentlich nach der Arbeit, mit Freunden oder bei Fest-
lichkeiten mal ein Glas Wein oder ein Bier genossen. Nach
der Scheidung von meinem Mann und nachdem mein Sohn
ein Alter erreicht hatte, wo er viel mit Freunden unterwegs
war, ich viel alleine zuhause war und nur noch vor dem
Fernseher saß, habe ich angefangen vermehrt Alkohol zu
trinken. Alkohol half mir die Langeweile und Einsamkeit
besser ertragen zu können“.
Alkoholabhängigkeit
Bei der Alkoholabhängigkeit unterscheidet man die körperli-
che und die psychische Abhängigkeit. Die körperliche Ab-
hängigkeit vom Alkohol äußert sich in sogenannten Ent-
zugserscheinungen. Der Körper gewöhnt sich mit der Zeit
an Alkohol und reagiert mit Entzug, wenn der Alkoholspiegel
nachlässt. Diese Entzugserscheinungen reichen von innerer
Unruhe, dem starken Verlangen wieder Alkohol zu trinken
bis zum morgendlichen Zittern der Hände, vermehrtem
Schwitzen, Schlafstörungen, Abgeschlagenheit, Übelkeit
und Angstgefühlen bis hin zu Krampfanfällen. Alkohol wird
dann oft schon am Morgen eingesetzt, um diese Entzugser-
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scheinungen zumindest vorübergehend wieder zu beseiti-
gen. Dies ist der „körperliche Teufelskreis der Sucht“.
Ich habe in der Beratung und in der Therapie mit vielen Be-
troffenen Kontakt, die noch nie Entzugserscheinungen hat-
ten, für sich jedoch trotzdem klar haben alkoholabhängig zu
sein. Die Frage der körperlichen Abhängigkeit bzw. ob und
wann jemand gesundheitliche Schäden durch Alkohol auf-
weist, wird nicht nur von der Menge und der Häufigkeit des
Alkoholkonsums, sondern noch von vielen anderen Fakto-
ren beeinflusst. Es spielt zum Beispiel eine Rolle, ob sich
jemand irgendwann fast nur noch durch Alkohol ernährt o-
der ob er auch noch normale Nahrungsmittel zu sich nimmt.
Der regelmäßige und überhöhte Alkoholkonsum führt jedoch
nicht nur zu körperlichen Folgeschäden, sondern auch zu
psychischen und sozialen Problemen. Alkohol verstärkt auf
Dauer genau das, wofür man ihn einsetzt und schafft dar-
über hinaus zusätzliche Probleme. Jemand der Alkohol ein-
setzt, um Ängste und Unsicherheit, Minderwertigkeitsgefüh-
le und mangelndes Selbstvertrauen zu überwinden, der traut
sich mit der Zeit nüchtern immer weniger zu. Wer aufgrund
beruflicher Probleme zum Alkohol greift, läuft Gefahr, hier-
durch irgendwann seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Wer sei-
ne Einsamkeit durch Alkohol glaubt erträglicher machen zu
können, der wird durch den überhöhten Alkoholkonsum im-
mer einsamer. Bekannte, Nachbarn und auch Familienan-
gehörige ziehen sich mit der Zeit immer mehr zurück. Wer
viel vertragen kann, ist ein ganzer Kerl, wer jedoch immer
wieder durch überhöhten Alkoholkonsum auffällt, der wird
gemieden, auf den zeigt man mit den Fingern. Betroffene
selbst ziehen sich immer mehr zurück, um in Gesellschaft
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nicht aufzufallen bzw. um es zu vermeiden, auf den über-
höhten Alkoholkonsum angesprochen zu werden.
Die Übergänge vom Genuss zur Gewöhnung bis hin zur
Abhängigkeit sind fließend. Auch derjenige, der vom Alkohol
abhängig wird, hat Alkohol nicht bewusst konsumiert, um
irgendwann einmal suchtkrank zu werden.
Meist erst, wenn die körperlichen, psychischen und sozialen
Folgeschäden durch den gewohnheitsmäßigen, überhöhten
Alkoholkonsum unübersehbar werden, fangen Menschen
an, sich mit ihrem Alkoholkonsum auseinanderzusetzen.
Manche jedoch nicht einmal dann. So hatte ich einmal einen
etwa 30-jährigen Mann in der Beratung, bei dem fast alles
zutraf, was man sich an Schäden durch Alkohol vorstellen
kann: überhöhte Leberwerte, körperliche Zusammenbrüche,
alkoholbedingte Nervenschädigung in den Beinen, wieder-
holter Verlust des Partners und der Arbeitsstelle durch Alko-
hol, Führerscheinverlust, Straftaten unter vermehrtem Alko-
holkonsum etc. Trotzdem sitzt der Mann mir in der Beratung
gegenüber und erklärt: “Sie haben recht, ich sollte etwas
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