Als sie allein sich sah, verspürt
Sie plötzlich – ach – das Schönste aller Schönen
Und rief errötend und mit Sehnen:
Wie kann die Zeit man schöner sich vertreiben,
Ich will nun vor der Hand beim Fragen bleiben!
Anonym
O wie viel Leben, wie viel Zeit
Hab ich, als kaum beseelt, verloren,
Eh mich die Gunst der Zärtlichkeit
Begeistert und für sich erkoren!
Nun mich dein süßer Kuss erfreut,
O nun belebt sich meine Zeit!
Nun bin ich erst geboren!
Friedrich von Hagedorn
Mein Mädchen mit dem schwarzen Haare
Vollendet heute sechzehn Jahre
Und ich nur achtzehn: Welch ein Glück!
Die Sehnsucht weckt uns jeden Morgen,
Und die Unwissenheit der Sorgen
Versüßt uns jeden Augenblick.
Wir wachsen und, mit uns, die Triebe:
Denn unsrer Jugend gönnt die Liebe
Viel Unschuld; aber nicht zu viel.
Verstand kommt freilich nicht vor Jahren;
Allein, was wir bereits erfahren,
Ist gleichwohl auch kein Kinderspiel.
Der Liebreiz, der uns früh verbunden,
Beschäftigt unsre frohen Stunden
Und bringt dich wieder, güldne Zeit!
Zwar lehren wir und lernen beide;
Doch unsre Wissenschaft ist Freude
Und unsre Kunst Geselligkeit.
Ich will die besten Blumen pflücken,
Euch, Wunder der Natur, zu schmücken:
Dich, freies Haar! dich, schöne Brust!
Wir wollen diesen Tag zu feiern,
Den allerschönsten Bund erneuern,
Den Bund der Jugend und der Lust.
Dann soll ein Bad in sichern Flüssen,
Auf dieses Bad ein frisches Küssen,
Auf frische Küsse frischer Wein,
Auf Wein ein Tanz, bei Spiel und Liedern
Mit regen Schwestern, muntern Brüdern:
Das alles soll mich heut erfreun.
So fröhlich soll der Tag verstreichen!
Ihm soll kein Tag an Freude gleichen.
Nichts übertreff’ ihn als die Nacht!
Die Zeit erwünschter Finsternisse,
Die wacher Schöner stille Küsse
Den Müttern unerforschlich macht.
Friedrich von Hagedorn
Sagt mir doch, geliebte Schönen,
Ist euch Amor denn nicht sichtbar?
Oder sagt ihrs niemand wieder,
Weil er allzu oft erscheinet?
O! ihr dürft es nicht verbergen,
Wenn er euch gleich oft erscheinet.
Kann ein Gott euch Schande bringen?
Wenn er euch des Nachts belauschet,
Wenn er euch des Tages locket:
O! so sagt es, euch zur Ehre,
Freunden oder Gönnern wieder.
Dann wird euch in jeder loben.
Oder wollt ihr ‘s mir entdecken:
So will ich, ihr sollt es sehen,
Euch einmal den Amor fangen.
Dann könnt ihr mit goldnen Stricken
Ihn an euer Bette binden,
Dass er Wunsch und Klagen höre.
Dann könnt ihr ihm alles klagen
Und ihn eher nicht befreien,
Bis er sich mit euch versöhnet,
Bis er alle Kammersorgen
Mit der Kammerlust verwechselt;
Bis er sich in allen Stücken
Gütig, wie ein Gott, erwiesen.
O! wie werdet ihr die Güte
Des gefangenen Gottes preisen.
Ruft mich nur, wenn er erscheinet,
Denn ich weiß ihn gut zu fangen.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Die Zephyr wiegten sich auf sanft geschwollnen Wellen,
Und Frühling war ums stille Meer:
Der leichten Scherze flüchtigs Heer,
Die jungen Freuden, ihre Gesellen,
Und Grazien mit sanftumschlungner Hand
Umringten den beblümten Strand:
Da sah die Fabel Cytheren
Vom Schaume des Meeres gebären.
Doch Damon störet kühn den alten Aberglauben;
Bei einem Glase blanken Wein
Sah er das Ding weit besser ein:
Die frohen Winzer kelterten Trauben;
Es schäumete der Most mit Ungestüm,
Und Chloe zeigt es lächelnd ihm:
Da sah er ganz deutlich Cytheren
Vom Schaume des Weines gebären.
Christian Felix Weiße
Die Eigenschaften einer Geliebten
Nach Marots Vorschrift
Die ich mir zum Mädchen wähle,
Soll von aufgeweckter Seele,
Soll von schlanker Länge sein.
Holde Sanftmut, Witz im Scherze,
Rührt mein Herze,
Nicht ein glatt Gesicht allein.
All zu jung taugt nur zum Spielen.
Fleischig sei sie anzufühlen,
Und gewölbt die weiße Brust.
Die Brunette soll vor allen
Mir gefallen:
Sie ist dauerhaft zur Lust.
Setzt noch unter diese Dinge,
Dass sie artig tanz’ und singe:
Was ist solchem Mädchen gleich?
Sagt, ihr Mädchenkenner! saget:
Wer ‘s erjaget,
Hat der nicht ein Königreich?
Johann Peter Uz
Mädchen, wollt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg ich in dem Schatten!
Seht mich nur, ihr müsst mich lieben!
Rosen blühen auf den Wangen,
In den Adern glühet Feuer,
In den Mienen lacht Vergnügen,
In den Augen locket Liebe,
Und bewegen sich die Lippen,
So bewegt sie Scherz und Freude.
Mädchen, wollt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg ich in den Schatten,
Mädchen seht, wie schön ich liege!
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Wie schamhaft, wie bescheiden ist
Mein Mädchen, die sanfte Blondine!
Als ich sie öffentlich geküsst,
Sprach sie mit zorniger Miene:
»Wie? Unverschämter, geh! Was denkt die Welt von mir?
Heut Abends fordr’ ich selbst noch Rechenschaft von dir.«
Wie schamhaft sittsam ist sie nicht
Mein Mädchen, die keusche Blondine!
Ich kam zu ihr: Schon brannte Licht,
Ich wagt ‘s – – mit drohender Miene
Rief sie: »O schäm dich! Sieh! Der Nachbar guckt heraus«:
Sie zog den Vorhang vor, und blies die Lichter aus.
Christian Felix Weisse
Die schiele Thestylis hat Augen in dem Kopfe,
So hat ein Luchs sie nicht.
Glaubt ihr, sie sieht euch ins Gesicht,
So sieht sie nach dem Hosenknopfe.
Gotthold Ephraim Lessing
Nachlässig hingestreckt,
Die Brust mit Flor bedeckt,
Der jedem Lüftchen wich,
Das säuselnd ihn durchstrich,
Ließ unter jenen Linden
Mein Glück mich Lauren finden.
Sie schlief, und weit und breit
Schlug jede Blum’ ihr Haupt zur Erden,
Aus missvergnügter Traurigkeit,
Von Lauren nicht gesehn zu werden.
Sie schlief, und weit und breit
Erschallten keine Nachtigallen,
Aus weiser Furchtsamkeit,
Ihr minder zu gefallen,
Als ihr der Schlaf gefiel,
Als ihr der Traum gefiel,
Den sie vielleicht jetzt träumte,
Von dem, ich hoff’ es, träumte,
Der staunend bei ihr stand,
Und viel zu viel empfand,
Um deutlich zu empfinden,
Um noch es zu empfinden,
Wie viel er da empfand.
Ich ließ mich sanfte nieder,
Ich segnete, ich küsste sie,
Ich segnete, und küsste wieder:
Und schnell erwachte sie.
Schnell taten sich die Augen auf.
Die Augen? – nein, der Himmel tat sich auf.
Gotthold Ephraim Lessing
Du kleines Lager, wo vergnügt
Die Schönheit mit der Unschuld liegt!
Beglücktes Heiligtum der Liebe,
Bei dem, gewöhnt an frechen Raub,
Ein roher Satyr schüchtern bliebe!
Dir will ich noch das letzte Laub
Der längst gestorbnen Rose streuen;
Dich soll ein Dichter nicht entweihen,
Der gerne mit dem Amor spielt,
Und doch den Wert der Weisheit fühlt.
Geheimer Schauder! Stille Lust!
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