Das Rokoko ist eine in den letzten vierzig Jahren von der deutschen literaturwissenschaftlichen Forschung vernachlässigte Epoche, die es wieder ins allgemeine Bewusstsein zu heben gilt. Der Band »Erotisches Rokoko. Literatur der Sinnlichkeit« will einen wichtigen Beitrag zur Neuentdeckung leisten und darüber hinaus wegen der Lebendigkeit der Texte und der offenen Thematisierung von Erotik und Sexualität einen größeren Interessentenkreis ansprechen.
Der Herausgeber wählt diesen Weg der Publikation, da es ihm nicht gelungen ist, einen Verleger für einen Text-/Bildband in Printform, der literarische Texte und Abbildungen einander gegenüber stellen wollte, zu gewinnen.
Liebe! allerliebste Liebe!
Segne mir mit deinem Triebe.
Lass mich deinen Reiz empfinden,
Lass mich deine Glut entzünden,
Lass mich deinen Zucker schmecken,
Lass mich durch ein Lied erwecken,
Wenn ich Zeit und Lust versäume,
Müßig wach’ und müßig träume.
Lass mir hübsch durch dein Genießen
Zeit und Stunden schneller fließen.
Lass mirs an der Müh zu wählen,
Aber nie an Schönen fehlen,
Und damit auch viel Beschwerden
Durch ein Mittel minder werden,
Lass mir künftig nur von allen
Eine schön sein und gefallen.
Lehr ihr denn, sich gut zu schicken,
Gut zu spielen, gut zu blicken,
Lehr ihr meine Neigung kennen,
Klug zu frieren, klug zu brennen,
Lehr ihr witzig abzuschlagen,
Lehr ihr reizend ja zu sagen.
Aus den Worten, aus den Werken
Lass ihr Wunsch und Willen merken;
Aber lehr ihr, Wunsch und Willen
nicht zur Unzeit zu erfüllen,
Dass sie sich erst artig schäme
Und sich nicht zu bald bequeme.
Lehr ihr alle frohe Mienen,
Die der Lust zum Vorteil dienen,
Lehr ihr alle Fröhlichkeiten,
Lehr ihr auch, was sie bedeuten,
Dass sie stets in Unschuld prange,
Dass sie nicht zuviel verlange,
Dass sie mirs vernünftig klage,
Wenn ich ihr zuviel versage.
Lehr ihr, wie man nie veralte,
Wie man Reiz und Wert behalte,
Wenn auch einst auf Brust und Wangen
Aller Rosen Schmuck vergangen.
Lehr ihr, wenn wir uns vereinen,
Treu zu sein und treu zu scheinen,
Dass sie mich mit nichts betrübe
Und mich immer stärker liebe.
Lehr auch mich, durch deine Lehren,
Solchen Engel zu verehren,
Dass er, wenn ich ihn vergnüge,
Keine Lust zum W kriege.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Mädchen, lass mich dich doch küssen!
Zaudre nicht, sonst wirst du müssen.
Hurtig! hurtig schenkt mir ein!
Auf das Küssen schmeckt der Wein!
Dieser Wein hat Geist und Feuer.
Mädchen tu doch etwas freier.
Gönn mir vorigen Genuss:
Auf das Trinken schmeckt ein Kuss!
Gotthold Ephraim Lessing
Soll ich trinken oder küssen?
Hier winkt Bacchus, dort Cithere.
Beide winken, beide lächeln.
Bacchus mit gesetzten Minen,
Und Cithere mit verliebten.
Bacchus zeigt mir seine Reben,
Seht, sie sinken, schwer von Trauben!
Aber seht nur, dort im Schatten,
Dort im Schatten, unter Reben,
Liegt ein Mädchen lang gestrecket!
Seht, es schläft, es lächelt schlafend,
Und es lächelte Cithere
Nicht so reizend, als sie winkte.
O wie süß mag es nicht schlummern!
O wie reizend liegt das Mädchen!
Um den weißen regen Busen,
Hangen schwarze reife Trauben,
Und es glänzen um den Locken,
Um den rabenschwarzen Locken,
Goldne Blumen in den Schatten.
Weingott, winke nur nicht länger;
Denn ich muss erst, bei dem Mädchen,
Unter deinen Trauben schlummern.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Liebstes Mädchen, sei nicht müßig,
Sieh, wir sind zur Müh’ erschaffen!
Sei nicht müßig, gib mir Küsse,
Gib mir hundert, gib mir tausend,
Küsse, bis ich nicht mehr zähle;
Küsse heute, küsse morgen,
Denn du sollst nichts tun als küssen!
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Ein kleines schwarzes Mädchen,
Hielt auf dem weichsten Bette,
Die sanfte Mittagsruhe.
Es schlief, wie Mädchen schlafen,
Es lächelte im Schlafe;
Es regte sich der Busen,
So oft es Atem holte.
Es tat, als wollt es wachen;
Es warf sich hin und wieder,
Und lächelte noch zweimal;
Es steckte bei dem Lächeln,
Die rechte Hand im Busen.
Ich bückte mich und lauschte
Die Linke zu erblicken;
Allein sie war verborgen.
Doch, als ich nicht mehr lauschte,
Zog es sie schnell zurücke,
Und warf sie zu der Rechten,
Und faltete die Hände,
Wie fromme Beterinnen,
Die Händ’ aus Andacht falten.
Ach! sprach ich zu den Brüdern,
Ach seht, das Mädchen betet!
Warum mag doch das Mädchen,
Den harten Himmel bitten?
Vernimm es, sprach ein Bruder:
Ich weiß, dass fromme Mädchen
Gott oft um Männer bitten,
Und dass sie oft, in Träumen,
Die Bitten wiederholen,
In Träumen Männer haben,
Und glauben sie zu küssen.
Dies glaub es, lieber Bruder,
Dies glaubet auch das Mädchen.
Gleich schlich ich zu dem Mädchen,
Und fragt es: Willst du küssen?
Da streckte mir das Mädchen
Die Lippen schnell entgegen,
Und eh ich sie berührte,
Ertönten schon die Schmätzchen.
Nun sagt einmal, ihr Schönen,
Zu mir und meinen Brüdern:
Ihr wollt nur immer küssen.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
O Reize voll Verderben!
Wir sehen euch und sterben.
O Augen, unser Grab!
O Chloris, darf ich flehen?
Dich sicher anzusehen,
Lass erst den Flor herab!
Gotthold Ephraim Lessing
Es sank hinab das flatternde Gewand,
O, welch ein Blick! – die göttliche Belinde,
Die nun, wie Venus einst am Ida stand,
Ward um und um ein Spiel der sanften Winde! –
Ach, als ich allen Reiz enthüllet fand,
Floss in mein Herz das süße Gift der Sünde.
Erstaunt, entzückt, mir selber unbewusst,
Bemächtigte sich die Gewalt der Sinnen
Ach! allzubald der Tugend meiner Brust.
Du, der du sagst: ich will den Sieg gewinnen;
Ach lass doch nie das süße Gift der Lust,
Lass es doch nie nach deinem Herzen rinnen.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
So bald ein Mädchen spinnen kann,
So bald fängt es zu fragen an:
Ihr Schwestern sagt, was ist ein Mann?
Und seine Schwestern sagen ‘s dann,
Und dann denkt es so oft daran,
Dass es nicht länger warten kann;
Es küsst und nimmt sich einen Mann.
So bald ein Knab im Donat liest,
Fragt er: Ihr Brüder, wenn ihrs wisst,
So sagt mir, was ein Mädchen ist?
Dann sagt ein Bruder, voller List:
Es ist nicht, was du Knabe bist.
Dann eilt der Knab, und liebt und küsst
Zu wissen, was ein Mädchen ist.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Was mag das für ein Ding wohl sein –
Sprach Röschen einst im Kämmerlein –
Was hier in dies Ding kommt hinein?
Und mit der Finger zarter Hand
Hob sie das zierliche Gewand,
Bis sie entblößt am Bette stand.
Sie fühlte forschend hin und her
In ihrem kleinen Wonne-Meer,
Sie fragte abermals und wieder,
Sie legte zitternd sich danieder,
Und wie vom Blitzes-Strahl gerührt,
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