"Allerdings."
"Wie steht es mit den Teufeln? Werden sie kooperieren?"
Raphaele betrachtet seine Hände. "Da stehen wir ganz am Anfang. Die Kontaktaufnahme ist ein Hochseilakt. Ein falscher Schritt, und der Schuss geht nach hinten los."
"Aber wir werden es schaffen, nicht wahr?"
"Wenn Gott will. Wir tun, was wir können."
Forcone legt seinem Neffen beruhigend die Hand auf den Unterarm und drückt ihn sanft. "Ich habe volles Vertrauen zu dir."
"Onkel, wenn du erlaubst – ist die Einbindung der Teufel wirklich notwendig? Der Plan würde auch ohne sie zum Erfolg führen."
Forcone blickt Raphaele gerade in die Augen. Der Neffe bemerkt, wie ein Funke des alten Feuers in sie zurückkehrt. "So fragen normale Menschen. Aber du, Raphaele, bist kein normaler Mensch. Du wirst der capobastone von Palace sein, vielleicht auch mehr als das. Für dich gelten andere Maßstäbe."
In Raphaeles Gesicht zeigt sich Erschrecken. "Verzeih, Onkel, ich wollte nicht respektlos sein."
"Das ist keine Frage des Respekts, sondern der Führungsstärke."
"Onkel?"
"Als capobastone wird dir Macht verliehen, die du zum Wohl der Familie und der gesamten 'ndrina einsetzen musst. Versagst du, stürzt du alle, die auf dich vertrauen, ins Verderben."
"Ich weiß, Onkel."
"Was ich damit sagen will: Deine Pläne müssen besser sein als die normaler Menschen. Deine Pläne müssen alles, was möglicherweise geschehen kann, einbeziehen. Sie müssen sein, als hätte Gott selbst sie geschmiedet."
"Denkst du, Onkel, dass ich scheitern werde?"
"Hätte ich dich als capobastone vorgesehen, wenn ich das glauben würde?"
Raphaele senkt den Blick. "Nein, Onkel. Es ist nur ..."
"Was möchtest du sagen?"
"Mir ist bewusst, dass ich nicht der capobastone bin, den du dir gewünscht hättest. Es sind nur die tragischen Umstände, die mich in diese Position gehoben haben."
Wieder senkt sich ein bleiernes Gewicht auf Forcones Herz. Emanuele, geliebter Sohn. Was soll nun werden? Rasch drängt er die schwarzen Gedanken zur Seite. "Natürlich wäre mein Sohn die erste Wahl gewesen, das ist uns beiden klar. Aber da Gott es anders bestimmt hat, bin ich glücklich, einen so fähigen und verlässlichen Mann an meiner Seite zu haben, wie du es bist."
Raphaele blickt hoffnungsvoll auf seinen Onkel. "Ist das wirklich deine Ansicht?"
"Sei sicher, ich werde immer hinter dir stehen."
Raphaele greift sanft die rechte Hand seines Onkels, führt sie zum Mund und küsst sie. "Ich danke dir, Onkel."
"Mit Gottes Hilfe wirst du ein großer capobastone werden."
Schweigend blicken sich die Männer an. "Darf ich dich fragen, was das mit den Teufeln zu tun hat?"
"Ein guter Plan berücksichtigt Details, Dinge, die auf den ersten Blick keine Bedeutung haben, aber letztendlich über Erfolg oder Misserfolg entscheiden."
"Und die Einbeziehung der Teufel ist ein solches Detail?"
"Erst die Teufel machen das strategische Ziel möglich, das wir anstreben."
Raphaele versinkt in intensive Überlegungen. Inwiefern die Teufel das Projekt positiv beeinflussen können, ist ihm auch jetzt nicht klar. Trotzdem muss er das Thema ruhen lassen, um in der Wertschätzung seines Onkels nicht abzugleiten. Ein begriffsstutziger capobastone? Das würde sein Onkel, der selbst einer der Größten und ihnen ist, nicht dulden. Er wird die Antwort selbst finden müssen.
"Ich habe heute Nacht einen Telefontermin mit einem Vertrauten in der Botschaft, von der wir sprachen", berichtet er seinem Onkel. "Ich werde bei dieser Gelegenheit noch einmal Druck machen."
"Tu das, Neffe." Forcone fühlt bleierne Müdigkeit auf sich herabsinken.
Phase 5 \\ 5. August – 21:04 Uhr
Wenige Minuten nach einundzwanzig Uhr hört Kostrow die Eingangstür. Kurz danach betritt Stephan Sieblat das gemeinsame Büro. Kostrow blickt von seinem Notebook hoch. "Ich dachte, du kommst heute nicht mehr."
Sieblat setzt sich zwanglos auf eine Ecke des Schreibtischs und schielt auf den Notebookbildschirm. "Kommt ganz gut, der neue Name."
Kostrow folgt dem Blick seines Partners, sucht vergeblich auf dem Bildschirm herum, bis ihm klar wird, was gemeint ist. "Ich bin mir nicht mehr so sicher."
"Warum?"
"Miriam findet ihn großkotzig, Frau Geist auch."
"Gut."
"Gut?"
"Wie viele Prozent unserer Kunden sind weiblich?"
Kostrow stellt eine kurze Überschlagsrechnung an. "Etwa sechs Prozent."
"Na bitte."
"Was soll das heißen, na bitte?"
"Frauen sind vernünftig, Männer wollen beeindruckt werden. Der Name ist goldrichtig."
"Wenn man's so sieht ..." Kostrow fühlt sich augenblicklich wohler. Dann fällt ihm der Vormittagstermin ein. "Übrigens, Muhrmann war heute da."
"Weiß ich."
Kostrow ist verblüfft. "Woher weißt du nun das schon wieder?"
Wortlos zieht Sieblat sein Smartphone aus der Innentasche seines Sakkos und wedelt damit herum. "Weil Frau Geist zuverlässig alle Termin einträgt, im Gegensatz zu einem gewissen Geschäftspartner, mit dem ich das Pech habe, zusammenzuarbeiten."
"Dumpfbacke."
"Neuer Auftrag?"
Kostrow lehnt sich zurück. "Ja, tatsächlich. Ich hätte das nicht erwartet."
"Warum nicht?"
"Da fragst du? Nach dem Mist, den wir beim letzten Mal abgeliefert haben?"
"War kein Mist. Wir haben den Umständen entsprechend das Optimale geleistet."
"Sehe ich nicht so."
"Wir haben alle Ressourcen genutzt, die für uns erreichbar waren. Damit konnte nicht mehr Substanz entstehen."
"Weißt du noch, wie unser alter Firmenname gelautet hat?"
"Was hat das damit zu tun?"
"Kostrow und Partner, Detektei."
"Ja, und?"
"Detektei, verstehst du?"
"Kein Wort."
"Für den Fall, dass das deiner Erinnerung entglitten ist – eine Detektei ist nicht dazu da, erreichbare Ressourcen zu verwerten, sondern sich neue Ressourcen zu erschließen. Gerüchteweise nennt man so etwas Ermittlungsarbeit."
"Haben wir doch versucht."
"Unsere Versuche kann man bestenfalls halbherzig nennen, wenn nicht Schlimmeres."
Sieblat rutscht von der Schreibtischecke und lässt sich in einen der beiden bequemen Sessel auf der anderen Seite des Schreibtischs fallen. "Ich räume ein, da ist was Wahres dran."
"Na immerhin etwas."
"Also, wenn ich mal offen sprechen darf – die Sache war so etwas von langweilig, dass ich einfach nicht die erforderliche Motivation entwickeln konnte."
"Und wenn etwas langweilig ist, müssen wir nicht volle Leistung bringen?"
Sieblat hebt beschwörend die Hände. "Schon gut, schon gut, ich gelobe Besserung. Aber so lange ich dir bei den Abschlussberichten hilfreich zur Seite stehe, kann uns eigentlich nichts passieren."
"Ach wirklich?"
"Siehst du ja bei Muhrmann – neuer Auftrag. Er ist auf meine Argumentation eingestiegen."
"Na toll."
"Und wie ist die neue Sache?"
"Langweilig."
Sieblat stöhnt und reibt sich die Augen. Kostrow holt Luft. "Keine Panik, ich werde mich reinhängen", sagt Sieblat schnell.
Kostrow macht sich wieder an seine Projektplanung, während Sieblat sich im verwaisten Empfangsraum einen Kaffee holt. Ein unterschwelliger Gedanke pocht hartnäckig an Kostrows Unterbewusstsein, stört ihn in seiner Konzentration. Jeder Versuch, den Störenfried zu fassen, führt zu dessen Zurückweichen. Nach einigen Minuten ist die Jagd erfolgreich. Der Gedanke gibt sich zu erkennen: Koi.
Wieder wendet Kostrow sich von seiner Arbeit am Computer ab, blickt auf seinen Partner, der sich mit dem Kaffeebecher in beiden Händen im Besuchersessel räkelt. "Sag mal, könntest du mir bei einer Sache helfen?"
"Definiere Sache."
"Hat nichts mit der Agentur zu tun. Da ist etwas, das mir seit einigen Wochen nicht aus dem Kopf geht."
"Liebeskummer? Wenn es um Miriam geht, lass jede Hoffnung fahren. Ich bin in jedem Fall auf ihrer Seite, du Beziehungszombie."
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