Sandie überreichte jedem Senator im Vorbeigehen eine elegante Ledermappe, die offenbar jeweils nur wenige Blätter enthielt. Ted hielt seine Mappe Pattie entgegen. „Das sind“, erläuterte er dann, „einige wichtige Briefe, die im Spiel um Europas Erdgasversorgung wichtig sein werden, sozusagen unsere Kriegserklärungen an Deutschland und Russland, denn wenn Tom auch gesagt hat, dass wir in diesem Spiel sofort brutal zuschlagen müssen, geben wir den Kombattanten doch eine winzige Chance, klein beizugeben... Das sieht für die Öffentlichkeit dann besser aus.
Und, Pattie, du wirst ihm bitte sagen, dass unsere Ölindustrie das unbedingt braucht – am besten wegen der unglaublich vielen Arbeitsplätze, die er damit in naher Zukunft schaffen wird, er mag das!
Keine Sorge, Pattie, er kann zwischen Öl und Gas nicht unterscheiden. Es interessiert ihn auch nicht. Wir fangen zunächst mit Sanktionen an, die, anzunehmen sich die Russen nicht leisten können, ohne ihr Gesicht zu verlieren.
Sanktionen kommen nämlich bei unseren Leuten gut an, weißt du, das finden die gut – so überlegt... Wir beginnen mit vergleichsweise unbedeutenden Sanktionen, z.B. Kontensperrungen für Leute aus Putins dritter Reihe, dann ziehen wir die Schlinge langsam zu. Immer weiter. Irgendwann müssen sie reagieren und sich wehren. Und dann haben wir sie. Dann zeigen wir auf sie und behaupten, die hätten angefangen. Glaubt uns jeder sofort! Und dann schlagen wir zu – sehr schnell und sehr hart, wie Tom gesagt hat.
Und dann kommt dieser ganze unangenehme Straßenköterkram, von dem Tom auch erzählt hat.
Die Russen werden schließlich wieder den Schwanz einziehen wie damals in Kuba, und die Deutschen werden überhaupt kneifen, die sind die geborenen Kneifer. Das sind Europäer, auch die Russen, die wollen nicht mehr kämpfen, das wirst du sehen... Die haben immer noch die Schnauze vom 2. Weltkrieg voll – und die Russen zusätzlich von ihrem Afghanistan-Abenteuer, bei dem sie eigentlich gegen uns angetreten waren. Das hat bloß niemand zugegeben.
Wir aber haben keine Angst vor der Auseinandersetzung. Wir sind ja auch keine Europäer. Von diesen sogenannten Kulturnationen hätte sich heute keine mehr einen ganzen Kontinent unterworfen oder geraubt, keine! Ja, damals ein bisschen am Rand, aber nicht alles. Wir schon. Unsere Vorfahren hatten damals keine Skrupel, nicht beim Landraub von den Rothäuten und nicht bei Sklavenimporten, und wir haben sie immer noch nicht, Gott sei Dank. Uns fehlt dieses lächerliche Bedenken-Gen.
Denn wir sind das von Gott auserwählte Volk, das alles darf – Gott sei Dank.“
Ted machte eine Pause, in der nun Ron sagte: „Besser hätte ich es nicht formulieren können, oder Tom? Das ist unsere Maxime, das ist, was America First in Wirklichkeit bedeutet!“
„Let´s go! Pattie, du fährst bei mir im Wagen mit“, bestimmte Ted. Wenig später fuhr eine Kolonne von gepanzerten Wagen sehr schnell und mit sehr viel Blaulicht und Sirenengeheule vom Kapitol zum White House.
„Pattie“, sagte Ted unterwegs, „ich gehe davon aus, dass du den Präsidenten noch nicht persönlich kennst. Ist das richtig?“. Pattie nickte und fragte sich in diesem Moment völlig unpassend, welche Krawattenfarbe der Präsident wohl zum dunklen Anzug tragen würde? Fast hätte sie spontan losgekichert.
„Du musst wissen, das Wichtigste im Umgang mit ihm ist, ihm klar zu machen, dass du ihn bewunderst, als Präsident ebenso wie als Mann, dass du ihn sehr bewunderst, also quasi grenzenlos! Das mag er. Gib ihm das Gefühl, er sei der Größte. Wenn du das schaffst, dann werden wir ihn im Sack haben. Den Rest machen wir dann. Das wird klappen, garantiert. Und du und deine Fracking-Gas-Industrie werdet gewinnen und verdienen, versprochen!“
Ein wenig später beugte er sich während der Fahrt noch einmal zu ihr herüber und sagte leise: „Pattie, eine Sache noch, die ist sogar mir ein bisschen unangenehm, aber wenn er dir an den Po fassen sollte, dann lass ihn, um Himmels Willen. Auch wenn dir danach ist, ihm gleich eine reinzuhauen..., er glaubt, er könne sich das erlauben..., lass es bitte für den Moment zu. Kneif innerlich die Backen zusammen und spar dir deine Rache für später auf – irgendwann wird er nicht mehr Präsident sein! Aber im Moment ist er der Präsident, den wir für unser Vorhaben brauchen, glaube mir. Wird das gehen?“
Statt einer Antwort oder als Antwort zuckte Pattie nur wortlos mit den Schultern. Mein Gott, wie viele Kerle hatten sich das unverschämte Verhalten im frühen Verlauf ihrer Karriere herausgenommen? Privilegierte Arschlöcher, alle!
Und nun würde der Präsident in ihrer privaten Sammlung der Unerbetenen, Grapscher, Zufasser und Streichler eben einen Ehrenplatz erhalten. Vielleicht würde sie irgendwann einmal mit Melania sprechen. Wer weiss, welche Sitzordnung sie wann zusammenbringen würde?
Okay, das soll hier noch erwähnt werden: Das Gespräch mit dem Präsidenten war kurz und erfolgreich, seine Krawatte rot mit einem kleinen Muster, seine Schuhe jedenfalls keine Boots und sein Griff im perfekten Moment fest.
Zu Patties Überraschung war Gotteskrieger und Reverend James auch anwesend, der seinem theologischen Sohn überzeugend bestätigte, dass es Gottes Wille sei, den gottlosen Russen das verdammte Gasgeschäft wegzunehmen, ja, dass das die Heilige Pflicht des Präsidenten, nein dieses Präsidenten sei, und dass der von der Schwester Pattie vorgezeichnete Weg ihr von Gott persönlich in die Feder diktiert worden sei. Und der Präsident glaubte den Sermon! Oder Patties Po war überwältigend. Auch das ist möglich.
Pattie und Adian im TRUMP
Ab Freitag, 24. bis 26. Mai 2019. Das verlängerte Wochenende mit Adian hielt in jeder Hinsicht, was Pattie und Adian sich davon versprochen hatten.
Der Champagner- und Kaviarlieferdienst funktionierte erfreulich dezent und perfekt – der livrierte Boy in der Maßuniform gab vor, Französisch zu parlieren (nach einem außerordentlichen Trinkgeld aber so, dass sie ihn verstanden), der Champagner hatte die richtige Temperatur, die beiden mitgelieferten Gläser waren vorgekühlt (aber nicht zu kalt) und zum Kaviar gab es genügend Blinies. Außerdem lagen der Lieferung spezielle kleine weiße Schildpattlöffel mit silbernem Griff und eingraviertem Servierdatum „auf Kosten des Hauses“ bei.
Teuer, natürlich, aber kein Problem für Patties Spesenkonto und für USA-Verhältnisse ungewöhnlich stilvoll, eben typisch TRUMP-Apartments, Ultra-Platin-Card-Service. Himmel, was willst du mehr?
Ach so, das Plastikteil hatte Mr. President mit der roten Krawatte ihr nach dem prüfenden Griff mit einem Augenzwinkern unauffällig zugesteckt.
Am Abend lief bei FOX eine kurze EXTRA-NEWS, die Pattie und ihre drei Musketiere beim Betreten des Oval Office und Handshake mit Mr. President zeigte.
Pattie fragte Adian nicht, wie und wann er das alles organisiert hatte. Es wäre der völlig falsche Moment zwischen seidenen Bettdecken und Kissen, und sie wollte es eigentlich auch gar nicht wissen.
Russischer Geheimdienstbericht
Washington DC
Sonnabend, 25. Mai 2019
Transkript eines mündlich eingegangenen Berichtes (256Bit verschlüsselt) der Quelle US2078 via Satellit
Sofort weiterleiten an Orlow (SD Gazprom)
Es besteht offenbar ein Plan für einen Angriff auf die NorthStream-Pipelines. Eine verlässliche Quelle in Washington berichtet von der Vorbereitung einer Aktion zur Zerstörung der beiden Ostsee-Pipelines NorthStream 1 und 2, so dass über sie kein Gas mehr nach Westeuropa gelangen kann. US-amerikanische Firmen wollen das durch LNG-Gas ersetzen.
Hinter der Aktion stehen diverse US-Senatoren und eine Mrs. Pattie Bronski von der All American Gas Company, Washington DC.
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