Unsere erste Fahrradtour begann in Seehesten, früher Sensburg. Wir besichtigten eine Kachelofen-Manufaktur, die zu einem renovierungsbedürftigen Schloss gehörte und einen sehr schöner Nutz- und Bauerngarten. Der Verdienst aus der Manufaktur und dem Garten diente zur Renovierung des Schlosses.
Wir radelten durch sehr hügelige Landschaften auf Sandwegen, Kopfsteinpflaster, asphaltierten Holperstrassen und durch wunderschöne Eichenalleen. Dabei überquerten wir einen ehemaligen Flugplatz, der einst zur Wolfsschanze gehörte. Weiter fuhren wir durch ein riesiges Waldgebiet bei Rastenburg, bis wir die Ruinen des Führerhauptquartiers von Adolf Hitler erreichten. Hier hatten wir eine Führung durch die gesprengten Anlagen der „Wolfsschanze“ bzw. wir sahen, was nach der Sprengung geblieben ist. Hitler hatte den Decknamen „Wolf“.
Danach besuchten wir als Gegenprogramm die Wallfahrtskirche „Heiligelinde“. Diese Basilika ist um 1700 erbaut und wurde nicht zerstört. Wir hörten eine Orgelpräsentation mit beweglichen Figuren beim Spielen auf der Orgel - sehr beeindruckend !!
In Masuren gibt es kaum nennenswerte Sehenswürdigkeiten, dafür punktet Masuren mit einer besonders schönen Landschaft, bestehend aus vielen kleinen oder langgezogenen Seen, hügeligen Wäldern, Wiesen und Getreidefeldern. Es ist eine durch die Eiszeit entstandene Moränenlandschaft und gehört zum baltischen Höhenzug. Landschaftlich ähnlich wie die Holsteinische Schweiz oder auch wie Mecklenburg-Vorpommern. Der nördliche Teil besteht aus Mischwäldern und fruchtbarem Ackerland; der südliche Teil ist sandig mit Kiefernwäldern.
Auf einer anderen Radtour kehrten wir zur Mittagszeit in einem ehemaligen Jagd- und Forsthaus, das jetzt eine Gaststätte ist, ein. Dort gab es Zander oder drei Pfannkuchen mit Blaubeeren. Lecker!!! In dieser Gaststätte befindet sich im ersten Stock der „Salon der Gräfin Marion Dönhoff“. Nach dem Essen besichtigten wir das Museum. Die deutsche Journalistin Renate Marsch-Potocka, die mit der Gräfin befreundet war und hier wohnt, erzählte uns aus deren Leben und spielte uns auch eine CD vor, auf der Alice Schwarzer und Marion Gräfin Dönhoff abwechselnd aus ihrem Buch über die Flucht aus Ostpreußen vorlasen. Marion Gräfin Dönhoff war Chefredakteurin der Wochenzeitung „Die Zeit“. Sie verstarb 2002.
Weiter fuhren wir durch einige Dörfer von „Altgläubigen“. Diese Minderheit ist eine Sekte der russisch-orthodoxen Kirche, die vor dem 2. Weltkrieg aus religiösen Gründen verfolgt wurde. Außerdem wohnen hier auch viele reine Orthodoxen, was man an den Zwiebelturm-Kirchen erkennt. Auffallend ist, dass in diesen Dörfern die Holzhäuser der Altgläubigen dunkel gestrichen sind.

Salon der Gräfin Marion Dönhoff
Bei einer Geländetour durch die Johannisburger Heide auf Sand- und Waldwegen, auf Schotter und Kopfsteinpflaster mit permanenten Mückenangriffen erreichten wir einen herrlichen Badesee, wo ich zum ersten Mal in diesem Jahr badete. An einem anderen Badesee, wo wir Mittagspause machten, kam ein Priester mit einem Eimer und bespritzte uns und den Bus mit Weihwasser und wünschte uns eine gute Reise – nett. Anna übersetzte, dass er, als Schutzpatron der Reisenden, uns und unseren Bus segnete und eine gute Reise wünschte.
Zur Mittagspause am Bus gab es das obligatorische 3-Gänge-Menü - Wurst, Senf und Brot oder Milchreis mit Kirschen bzw. wurde unterwegs im Sklep etwas zu Essen gekauft. „Sklep“ sind die „Tante-Emma-Läden“ im Dorf.
Am letzten Tag besichtigten wir ein privates, liebevoll gestaltetes, masurisches Bauernhausmuseum in der Pension Christel. Christel begrüßte und verabschiedete jeden Gast. Sie sprach ostpreußischen Dialekt wie ein typisch ostpreußisches Marielchen. Sie erzählte von ihrer Familie und wie sie die alten Sachen, die zu besichtigen sind, geerbt hat. Die Pension und die gesamte Anlage ist sehr sauber und gepflegt. Besonders liebt sie ihren großen Blumengarten, den sie meistens selbst bearbeitet.
Zum Abschluss der Reise genossen wir eine Stakenfahrt auf der Krutinna. Es war wie im Spreewald. Klares, flaches Wasser, ca. 70 cm tief, auf dem Grund große bunte Steine und Wasserpflanzen. Am Ufer die grünen Bäume und ab und zu kamen wir an Gaststätten mit Kanuverleih vorbei. Bei dem schönen Wetter waren viele Freizeitboote auf dem Fluss - es herrschte eine Ruhe und Stille - einfach herrlich zum Abschalten und zum Urlaubsabschluss.
In unserem masurischen Hotel gab es morgens Frühstücksbüfett und abends wurde immer eine Suppenterrine auf den Tisch gestellt, aus der sich jeder bedienen durfte. Danach gab es Büfett mit viel Kohl, Sauerkraut, Zwiebeln, Fleisch und Fisch und natürlich Nachtisch, meist Kuchen oder Pudding. Es war alles sehr lecker und eine gutbürgerliche Küche. Am letzten Tag hatten wir einen Grillabend und waren noch lange auf der Terrasse am See.
Nach der Rückkehr von den täglichen Fahrradtouren hatten einige von uns noch im See gebadet oder sogar schon morgens vor dem Frühstück. Ebba und ich hatten zum Abschluss der Tagestouren immer einen halben Piccolo auf unserer schönen Seeterrasse genossen, bevor wir zum Abendessen gingen. Viel Spaß hatten wir, wenn der Ober uns nach dem Essen einen Wodka Magenbitter anbot. Das war ein Zungenbrecher: ausgesprochen „Goschka-jon-kowa“. Schmeckte ähnlich wie Bärenfang, aber nicht ganz so süß. Bärenfang ist ein ostpreußischer Honiglikör.
Auf unseren Radtouren sahen wir viele Storchennester und auf den Wiesen unzählige Störche. Bevorzugt waren die gerade frisch abgemähten Felder, wo viel Nahrung für die Jungstörche zu finden war. In den Wäldern gab es Blaubeeren und Pilze. Wir stellten unsere Räder ab und pflückten die Blaubeeren gleich in den Mund.
Die Touren waren teilweise wegen den schlechten Straßenverhältnissen und Berg- und Talfahrten sehr anstrengend. Man musste konzentriert und mit Abstand fahren. Außerdem gab Anna ein verhältnismäßig schnelles Tempo vor. Auf den Autostraßen musste man besonders vorsichtig fahren, weil die polnischen Autofahrer unwahrscheinlich schnell an unserer Gruppe vorbei fuhren.
Aufgefallen ist uns, dass viele Straßen und auch die Promenade sowie Freizeiteinrichtungen in Sensburg durch EU-Gelder finanziert wurden.
Am Wochenende war in Sensburg „Picknick Country-Music Festival“ direkt auf der Straße vor unserem Hotel, die deshalb abgesperrt war. Außer kulinarischen Verkaufsständen wurden Country-Hüte, Lederkleidung und -stiefel angeboten. Viele Leute, alt und jung, trugen diese Ledersachen, bevorzugt Hüte. Es war alles ruhig und friedlich. Ich hatte keinen Betrunkenen gesehen und nichts Ausfallendes. Es spielten einige Country-Bands und es wurde auch getanzt. Dieses Festival besuchten wohl überwiegend Motorradfahrer, denn die großen, blitzblanken Maschinen standen überall und wurden voller Stolz vorgeführt, auch mit lautem Auspuffknall usw. Die Leute zelteten friedlich auf der anliegenden, zugeteilten Campingwiese.
Auf der Rücktour übernachteten wir in Stettin. Ich ging noch zur nahegelegenen Hakenterrasse.
Am nächsten Tag machten wir in Wismar Mittagspause. Um 16.30 Uhr holte André mich in Kiel ab.
Zwei Tage Busfahrt nach Masuren, je ca.1.130 km. In Masuren fuhr der Bus ca. 700 km
und auf dem Fahrradtacho hatte ich 230 km für sechs Tagestouren.
4. Wien vom 10. - 17.09.2013
Mit Taxi und Kielius waren Lotti und ich rechtzeitig gegen 14.00 Uhr am Flughafen in Hamburg. Um 16.30 Uhr sollte unser Flieger nach Wien starten. Wir gingen in die Flughafenhalle rein, aber es war ziemlich dunkel. Die Rolltreppe nach oben stand still. Wir gingen weiter zum Lift. Dort sagte uns eine Angestellte, es ist zur Zeit totaler Stromausfall und nichts geht mehr. Kein Computer, keine Fliegerabfertigung, keine Uhrzeit – nichts!!! Nur die Notbeleuchtung in der Abfertigungshalle. Ab ca. 15.00 Uhr war der Strom wieder da und lange Schlangen bildeten sich vor den Buchungsschaltern. Wir flogen um 16.45 Uhr ab und waren um 18.00 Uhr in Wien. Am Flughafen kauften wir uns ein Wochenticket für alle Verkehrsmittel für 15,80 Euro und fuhren mit der S-Bahn zu unserem Hotel Congress, das ca. zwei Minuten von der Station entfernt war. Das Zimmer war sauber, lag zum Hinterhof und wir konnten das Fenster öffnen, ohne den Straßenlärm von der zentral gelegenen Hauptstraße zu hören. Das Frühstücksbüfett war auch gut, es wurde ständig nachgelegt und die Platten waren immer voll und sauber.
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