Er konnte damals auch entscheiden, mit welchem Schiff er wohin fahren wollte.
Er konnte an Land bleiben, bis das Geld alle war, oder fahren bis das Portemonnaie platzte. Wir waren Weltenbummler, Abenteurer und Entdecker, aber niemals die Menschen, für die uns damals die Landratten hielten.
Und ohne uns Seemänner hätten die Leute an Land keinen Kaffee, Kakao, Gewürze und die vielen anderen Dinge, die für das schöne Leben an Land wichtig waren. Und egal, welches Wetter herrschte, ob Orkan, Bullenhitze, Eisfahrt, Nebel oder herrlicher Sonnenschein auf ruhiger See, tat mit eisernem Gesicht stets der Seemann seine Pflicht.
Nun, der Alltag auf See wurde ja ausreichend geschildert. Pennen, arbeiten, pennen usw. Gutes Wetter, schlechtes Wetter. Gute Kollegen, schlechte Kollegen. Guter Bootsmann, schlechter Bootsmann. Gutes Essen, schlechtes Essen. Und so könnte es immer weiter gehen. Anders als an Land, konnte aber der Seemann nach Feierabend nicht weg.
Mit anderen Worten, er war ständig an seinem Arbeitsplatz, immer dicht zusammen mit der Mannschaft, seinen Vorgesetzten und Kollegen, ob er sie mochte oder nicht.
Auch seine Kammer musste er mit einem anderen teilen. Ob der nun beim Schlafen schnarchte, pupste oder streng roch, hatte einem egal zu sein. Man musste miteinander auskommen.
Erst nach der Reise, zurück im Heimathafen, konnte er abmustern und sich ein anders Schiff suchen, in der Hoffnung, es dort besser zu haben.
Anders der Landmensch. Er geht nach der Arbeit nach Hause, vielleicht zu seiner Frau, bekommt sein Lieblingsessen, kann sich ausnörgeln über seinen Chef, trinkt sein Bier in der Kneipe, mit seinen Freunden, geht vielleicht kegeln oder Skat spielen oder auch „fremd“. Am Wochenende ist dann Tanzen oder Fußball angesagt. Er hat die Freiheit, sich in der Freizeit frei bewegen zu können.
Der Seemann konnte nur warten, bis das Schiff im Hafen lag und konnte dann nur die Angebote annehmen, die sich dort boten. Kneipe oder Kultur. Je nachdem, wo wir uns gerade befanden.
In den USA zum Beispiel, konnte man einiges unternehmen. Man konnte in das Landesinnere fahren, Stadtrundfahrten oder ähnliches machen. In der Karibik oder in Indonesien war so etwas kaum möglich. Die Häfen bestanden zum Teil nur aus einer kleinen Pier, ein paar Schuppen, einer Hauptstraße mit einigen Kneipen, in denen sehnsüchtig die Mädchen auf einen spendierfreudigen Seemann warteten.
Also ging „Hein Seemann“ an Land, genehmigte sich endlich mal einen schönen „Cuba Libre“, gebracht von einer Latina, sah andere Menschen, vor allem fröhliche, gut aussehende Mädchen, die dem Seemann ein paar schöne Stunden bereiten wollte. Der Seemann „verliebte“ sich schnell und die Mädels „verliebten“ sich auch schnell in ihn. Doch eines war klar, war das Schiff weg, war die Liebe weg. Doch das war im Moment egal, es tat eben gut. Das galt für beide Seiten. Mancher Seemann ist irgendwo in Südamerika hängen geblieben, hat eine Kneipe oder einen Laden aufgemacht, und ob er glücklich wurde, weiß keiner. Auch manches Mädchen wurde nach Europa geholt, aber das ging wahrscheinlich auch selten gut. Denn aus einer Hure kann man keine Hausfrau machen. So jedenfalls die Meinung alter Fahrensleute. Ich schwankte in meinem jugendlichen Leichtsinn auch immer zwischen Liebe und Leichtsinn. Oft wollte auch ich an Land bleiben, bei irgendeiner Maria oder Juanita. Doch es siegte immer die Vernunft. Oder ich wurde rechtzeitig nüchtern. Die Gefahr und Versuchung war immer sehr groß, denn die Gastfreundschaft der Südländer war verlockend. Sicher hätte ich zuerst ein paradiesisches Leben gehabt, aber wie sollte ich denn mein Lebensunterhalt finanzieren? Was hätte ich denn dort machen sollen? Beschützer brauchten die Mädchen nicht. Wenn ich z. B. Zimmermann gewesen wäre, dann hätte ich in manch Ländern etwas aufbauen können. Aber mit Kenntnissen über Rostkloppen oder Anstreichen wird man in den Tropen auch kein reicher Mann.
Heute ist mir natürlich klar, dass man als junger Mensch immer sehr schnell ins Schwärmen geraten kann, sich von einer Sache immer schnell begeistern lässt und daher auch leicht zu verführen ist.
So habe ich damals instinktiv immer das Richtige gemacht, mich nie verleiten lassen, den Verlockungen an Land nachgegeben.
Und: Ich tat stets mit eisernem Gesicht, als deutscher Seemann meine Pflicht.
Und so erklärt dieses Gedicht das Leben der Seeleute von damals so:
Seefahrt tut Not
Wer noch nie getaugt auf Erden,
kann noch immer Seemann werden.
Wer auch hierzu nicht mehr taugt,
wird als Schauermann verbraucht.
Der Teufel soll den Dichter henken,
der mit dieser Ferse Schmach
spottet unser Müh und Plag.
Denn fährt auf weitem Weltenmeer
stolz ein deutsches Schiff daher,
tut mit eisernem Gesicht
stets der Seemann seine Pflicht.
Auf des Schiffs Kommandobrücke
späht mit scharfem Adlerblicke
eisern stehend der Kapitän.
Dunkel ist`s, nichts kann er sehn.
Blitze zucken, Donner grollen
und der Pott fängt an zu rollen.
In der Masten Takelage
heult des Sturmes Wehgelage.
Alles muss er schnell bedenken,
um das stolze Schiff zu lenken.
Ohne Essen, ohne Schlafen,
bis das Schiff im sicheren Hafen,
Tut mit eisernem Gesicht,
stets der Seemann seine Pflicht.
In der Mitte der Maschine,
fauchend dreht sich die Turbine.
Heizer schwarz auf allen Vieren,
ölen, putzen, wischen, schmieren.
Und den Chief sieht man mit Grauen,
auf die Peilungstafel schauen.
Kummervoll, grad wie im Grab,
liest den Ölverbrauch er ab.
Doch mit eisernem Gesicht,
tut der Seemann seine Pflicht.
In der Kombüse, welch Vergnügen,
sieht man Pott und Pfanne fliegen.
Oberkoch, vor Schmerzen stumm,
rührt in dem Bouillontopf rum.
Wo der Wind, wie das so geht,
ein Stück Fleisch hinein geweht.
Und der Topf mit Dauersoße
schwimmt schon draußen in der Gosse.
Jammernd schreit der Mannschaftskoch:
„ Reichen soll`s bis Hamburg noch.“
Und mit eisernem Gesicht,
tut der Seemann seine Pflicht.
Und an Deck in Wasserschwaden
kann man bis zum Halse baden.
Zimmer-, Bootsleut und Matrosen,
eingekrempelt ihre Hosen,
dichten Luken, ziehen Stricke,
Laschen hier und da noch Stücke.
Eisern zupackt ihre Faust,
kommt ein Brecher angesaust,
Ab und zu ein rauer Scherz,
zeigt des Seemannes goldenes Herz.
Und mit eisernem Gesicht
tut der Seemann seine Pflicht.
Auf dem Deck der Passagiere,
klirrt Geschirr und knallt die Türe.
„ Steward“ ruft es hier und dort,
er wetzt hin von Ort zu Ort.
Selbst ganz grün im Angesicht,
übel werden darf`s ihm nicht.
Flüstert er im süßen Ton,
dass die Sonne schiene schon.
Derweil wischt er von der Erde,
dass sie wieder sauber werde,
das Menü der letzten Wochen,
Читать дальше