„Ja aber keine Sorge Kleiner. Das liegt nur an deinem leckeren Geschmack. Aber im Moment habe ich keinen Hunger. Du musst dir also deshalb keine Gedanken machen. Auch wenn du es magst, verschlungen zu werden. Du wirst etwas warten müssen, bis ich das wieder machen kann.“ Inzwischen war es schon mitten in der Nacht und der Lindwurm gähnte noch einmal. „Wenn du willst, kannst du heute Nacht an mich gekuschelt schlafen. Wir könnten uns dann gegenseitig etwas wärmen. Es ist zwar nicht kalt, aber ich mag es, mich nachts an ein lebendes Wesen ankuscheln zu können“, sagte der Lindwurm lächelnd.
„Gerne“, antwortete Velyne und sprang vom Lindwurm. „Aber wo willst du schlafen?“ fragte er mit neugieriger Stimme.
„Hm, mein Nest ist ziemlich weit weg von hier, weil ich euch zwei Wölfen fast einen ganzen Tag lang gefolgt bin. Aber dort drüben am Ufer von diesem See sieht es sehr gemütlich aus. Dorthin sollten wir gehen.“ Lächelnd deutete der Lindwurm zu einem See ganz in der Nähe. Das Ufer sah aus wie ein schöner weicher Sandstrand.
„Ja, das sieht gemütlich aus. Gehst du vor? Dann werde ich dir folgen.“ Velyne stupste den Lindwurm ein wenig. Das hatte er auch mit seinem Bruder immer getan. Dem Lindwurm störte das jedoch nicht und er kicherte nur.
„Ja ich geh ja schon. Nur Geduld, kleiner Wolf. Wir Lindwürmer sind nicht die schnellsten“, erwiderte der Lindwurm lachend und machte sich gleich auf den Weg. Am Ufer angekommen machte er es sich bequem. Er legte sich sehr nahe ans Ufer. Sein langer Schweif hing dabei sogar ein Stückchen im Wasser. „So, hier ist es gemütlich“, meinte er.
Velyne gefiel der See sehr. Ein schöner Platz zum Schlafen, so lange es nicht regnete. Doch nach Regen sah es in dieser sternenklaren Sommernacht nicht aus. Der Wolf war inzwischen auch schon sehr müde und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Zufrieden legte sich neben die Schnauze des Lindwurms und drückte sich an ihn. „Dann wünsch ich dir eine gute Nacht, Lindwurm“, sagte er mit freundlicher Stimme.
Der Lindwurm gähnte herzhaft und streichelte dem Wolf über sein Fell. „Gute Nacht, Kleiner. Und bleib immer schön in meiner Nähe, auch wenn du nachts mal aufwachen solltest. Ich weiß nämlich nicht, ob hier vielleicht auch Raubtiere unterwegs sind. Aber wenn du bei mir bleibst bist du sicher. An mich wagt sich nämlich kein Räuber heran, weil wir Lindwürmer einen ganz üblen Ruf haben.“
„Tatsächlich? Das hätte ich nicht gedacht. Aber ich werde nicht von deiner Seite weichen.“
„Ja, die meisten Tiere halten uns für böse und gefährlich. Dabei können wir auch nett sein“, erklärte der Lindwurm noch und machte es sich nun bequem und schloss die Augen. Er drückte sich vorsichtig ein wenig an den Wolf und spürte seine Wärme. Genießend schnurrend schlief er ein. Auch Velyne schloss seine Augen und schlief sanft ein.
Der Lindwurm schlief in dieser Nacht sehr gut. Erst als es wieder hell wurde, wachte er auf.
Velyne hingegen schlief noch. Der kleine Wolf war ein Langschläfer, da er das Jagen immer seinem Bruder überlassen hatte. Er wälzte sich vergnügt hin und her und schien seinen Traum zu genießen.
„Gähnend streckte sich der Lindwurm am nächsten Morgen. Er fragte sich, ob der Wolf wohl etwas frühstücken möchte. Er nahm sich vor, ihn das zu fragen, doch als er sah, dass er noch schlief, wartete der Lindwurm noch etwas ab. Es war ja noch früh am Morgen und auch der Lindwurm schlief ganz gerne mal ein wenig länger. So gab er dem Wolf noch etwas Zeit.
Velyne rollte sich hin und her und quietschte dabei vergnügt. Von außen hin sah das Ganze ziemlich komisch aus, doch der Wolf schien einen sehr schönen Traum zu haben. Genießende, zusammenhanglose Worte konnte man immer wieder von ihm hören.
Lächelnd sah der Lindwurm dem Wolf zu. Er wollte ihn nicht wecken, so lange er so vergnügt aussah, daher gönnte er dem Wolf noch ein paar Minuten. Doch irgendwann weckte der Lindwurm Velyne dann doch auf. „Hey, Kleiner, wenn du so weitermachst, verschläfst du noch den ganzen Tag. Wach auf. Die Sonne scheint und es ist ein herrlicher Tag.“
„Hm?“ Velyne öffnete nur schwer seine Augen und gähnte. Doch als er die Sonne sah und die warme Sommerluft um seine Nase wehen spürte, erhob sich der Wolf .
„Wahrlich ein schöner Tag. Und was steht heute auf dem Plan?“, fragte er und streckte sich gemütlich.
„Möchtest du etwas essen? Du musst doch Hunger haben. Du hattest noch nichts gehabt, seit du bei mir bist. Ich könnte dir ein paar Fische im See fangen, falls du Fische magst. Ich habe keine Ahnung, ob Wölfe auch Fische mögen. Hier in dem See gibt es sicher viele Fische und ich bin sehr gut darin Fische zu fangen“, bot sich der Lindwurm freundlich an und streichelte dem Wolf gleich noch mal über sein Fell.
Der Wolf streckte sich aus, während ihn der Lindwurm abschleckte. „Ja gerne, wenn es dir nichts ausmacht. Im Fischen bin ich ganz und gar nicht gut. Die Fische sind mir einfach viel zu schnell und zu glitschig. Aber ich mag sie ganz gern“, sagte der Wolf erfreut.
„Das macht doch nichts, Kleiner. Ich bin gut im Fische fangen. Ich muss noch nicht mal zum Atmen auftauchen, da ich auch unter Wasser leben und atmen kann. Ich werde nicht lange brauchen, um dir ein paar leckere Fische zu fangen. Warte hier, ich bin gleich wieder da.“ Der Lindwurm kroch schnell ins Wasser und tauchte unter um sich nach essbaren Fischen umzusehen. Bald schon fand er, wonach er suchte.
Velyne wartete gespannt auf den Lindwurm. Er hatte seinen Bruder inzwischen völlig vergessen. Zumindest musste er jetzt nicht zu einem Kämpfer werden. Das allein war für Velyne schon Grund genug um gut gelaunt zu sein. Der kleine Wolf heulte vergnügt vor sich hin und sprang am Ufer hin und her.
Es dauerte gar nicht lange, bis der Lindwurm mit einer Ladung Fische im Maul wieder aus dem Wasser kroch. Er ließ sie alle am Ufer fallen. „Hier, such dir einfach aus, was du möchtest. Der Rest ist dann für mich“, sagte der Lindwurm freundlich. Noch nie zuvor hatte er etwas Essbares mit jemanden geteilt. Andererseits hatte er bisher auch noch nie jemanden gehabt, mit dem er hätte teilen können.
„Den da“, sagte Velyne und er zeigte mit der Pfote auf einen der Fische. „Der sieht ziemlich lebhaft aus. Aber hier an Land kann er wenigstens nicht flüchten.“ Grinsend schnappte sich Velyne den Fisch. Er war wirklich schon sehr hungrig, wie er erst jetzt so richtig merkte.
Der Lindwurm sah dem Wolf dabei zu. Der Fisch schien ihm zu schmecken. Obwohl der Lindwurm bisher einen Wolf noch nie beim Fische fressen beobachtet hatte. Für den Lindwurm wäre es unvorstellbar gewesen, etwas nicht am Stück hinunterzuschlingen. Doch für den Wolf war das anscheinend normal.
„Hast du noch ein paar übrig?“, fragte der Wolf und deutete grinsend auf seinen knurrenden Magen.
„Klar, nimm dir ruhig so viele du willst. Wenn die nicht reichen, dann sind im See noch jede Menge davon“, sagte der Lindwurm lächelnd. Für den Lindwurm waren die Fische alle ziemlich klein und wäre der Wolf nicht bei ihm gewesen, dann hätte er so kleine Fische sicher gar nicht gefangen, sondern sich lieber auf die Suche nach etwas Größerem gemacht. Für einen Wolf waren die Fische allerdings schon ziemlich groß. Sicher würden viele davon übrig bleiben, denn Velyne sah nicht so aus, als ob er auch nur die Hälfte der Fische fressen könnte, die der Lindwurm gefangen hatte.
Velyne schnappte sich einen Fisch nach dem Anderen und verputzte sie gleich schnell wie den Ersten. Doch nach weiteren vier Fischen war er satt. „Danke, nun bin ich wirklich voll“, hechelte Velyne. Er war dem Lindwurm dankbar, denn er allein hätte niemals auch nur einen Fisch fangen können und jagen war er auch noch nie ohne White Fangs Hilfe.
Читать дальше