Benedict Dana
Mo Morris und der Staat der Flüchtlinge
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Inhaltsverzeichnis
Titel Benedict Dana Mo Morris und der Staat der Flüchtlinge Dieses ebook wurde erstellt bei
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Epilog
Impressum neobooks
Die Existenz eines UN-Flüchtlingsstaates („UN Refugee Nation“) und einer „UN-City“ ist fiktiv. Genauso gibt es die südlibysche Sklavenplantage „wahat alsama“ in dieser Form nicht.
Figuren und Handlung sind frei erfunden. Mögliche Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig. Die Zusammenarbeit der italienischen Mafia mit einem Flüchtlings-Schlepperring beruht in dieser Geschichte auf Fiktion.
Als Mary Kelly ihr Fahrrad an das Tor der Einfahrt lehnte, geschah genau das, was meist geschah, wenn sie „Mo“ sah: Sie musste unweigerlich lächeln und in diesem besonderen Lächeln spiegelte sich die ganze Sympathie wider, die sie über all die Jahre für ihn gesammelt hatte. Dr. Morton Morris, ihr Kollege an der kleinen Universität der New Yorker Vorstadt Rutherford, war mittlerweile berühmt und es gab fast niemanden in den USA, der nicht schon einmal von dem sympathischen und humorvollen Kriminologen, dem man eine besondere Intuitionsgabe nachsagte, gehört hätte. Sein Spitzname „Inspector Mo“, den er sich durch seine gelegentliche Arbeit als freier Berater der New Yorker Polizei zugezogen hatte, war allerdings nur in bestimmten Kreisen bekannt, genau wie all die kleinen, witzigen Geschichten, die man sich aufgrund seines außergewöhnlichen Charakters über ihn zu erzählen pflegte.
Mary, die hübsche und kluge Psychologiedozentin, die Morton schon seit Jahren verehrte, ohne dass es je zu einer echten Beziehung gekommen wäre, war an diesem sonnigen Maivormittag in einer besonderen Mission unterwegs. Sie wollte ihm persönlich eine Nachricht des Direktors der Universität überbringen und da gerade die Sommersemesterferien angebrochen waren, hatte sie alle Zeit der Welt dafür.
Das rote Backsteinhaus mit seinen drei Giebeln und weißen, vorspringenden Holzfenstern hatte immer etwas heruntergekommen ausgesehen, aber seit einigen Monaten hatte sich seine gesamte Erscheinung stark verändert: Der früher so verwilderte Garten war mit zahlreichen, bunt blühenden Ziersträuchern neu angelegt, die Einfahrt mit Natursteinen frisch gepflastert und die Holzveranda, die großzügig den Eingang umfasste und sich ein Stück weit um die linke Hausecke herumzog, glänzte in neuem Weiß.
Beim Betreten des Vorgartens sprintete Mos Cockerspaniel „Dr. Watson“ auf Mary zu und sprang freudig an ihr hoch. Sie hatte in dem jungen, verspielten Hund seit jeher so etwas wie ein Alter Ego des unverbesserlichen Junggesellen gesehen, genauso wie in seiner resoluten und etwas spleenigen Haushälterin Ruth Higgins, die zu diesem Zeitpunkt zu ihren täglichen Besorgungen unterwegs war. Als Mo aus dem Haus trat und ihr entgegenkam, blieb ihr Blick für einen Moment an einem neuen, noch nicht befestigten Schild hängen, das auf dem Rasen lag und die Worte „Dr. Morton Morris, Privatdetektiv“ trug. Nachdem sie ihn mit der vertrauten und zugleich etwas distanzierten Umarmung begrüßt hatte, die seit langem zwischen ihnen üblich war, deutete sie auf das Schild und meinte verwundert:
„Du scheinst ja wirklich ernst zu machen! Willst du wirklich deinen Job an der Universität aufgeben? Du weißt doch noch gar nicht, ob dir das Leben als Privatdetektiv überhaupt liegt!“
„Könnte es sein, dass du hierher gekommen bist, um mir die Kündigung auszureden?“, entgegnete er mit dem feinsinnigen Lächeln, das für ihn typisch war und in dem sich stets etwas von seiner berüchtigten Intuitionsgabe widerzuspiegeln schien. Da er mit seiner Vermutung goldrichtig lag, wich sie einer Antwort aus und drängte darauf, ins Haus zu gehen, um auch dort das Ergebnis der Renovierungen in Augenschein zu nehmen. Sie ließ ihren Blick mit ein paar lobenden Worten durch den Garten und über die Fassade schweifen und folgte ihm dann die Stufen zur Veranda hinauf. In der Tat sah das behagliche Haus, das entfernt an einen altenglischen, viktorianischen Stil angelehnt war, an allen Ecken und Enden wie aus dem Ei gepellt aus. Sie wusste genau, woher das Geld für die umfassenden Renovierungsmaßnahmen stammte, ja indirekt wusste es fast das ganze Land, denn die große Belohnung, die Mo für die Lösung seines letzten Falles eingestrichen hatte, war der Öffentlichkeit allgemein bekannt.
Als sie von der kühlen, halbdunklen Diele in Empfang genommen wurden, blieb sie vor einem großen, an der Wand lehnenden Gemälde stehen, genau wie schon bei ihrem letzten Besuch. Es zeigte einen Berg mit einer Art Burg voller verschlungener Türme, Erker und Zinnen, aus der Lichtgestalten die Hände flehend in den Himmel streckten; ein mächtiger Lichtstrahl ging von dem Dach des fantastischen Gebäudes aus und ließ überall Lichtflocken über ein ödes, lediglich von einem See belebtes und mit lauter Computerschrott bedecktes Land nieder regnen. Die Bedeutung des aussagekräftigen Motivs war ihr längst geläufig, da das Bild eine besondere Verbindung zu Mos letztem Fall aufwies, als ein großer Internetblackout die USA in Atem gehalten hatte. Olivia Carrigan, die Malerin des Gemäldes, die es Mo geschenkt hatte, hatte in diesem Fall eine tiefer gehende Bedeutungsebene repräsentiert, die bis heute Rätsel aufgab.
Mo stieß schwungvoll die hohe, zweiflügelige Tür auf, die aus der Diele in den Hauptwohnraum führte, und präsentierte seiner Besucherin mit einer weit ausholenden Geste stolz das Ergebnis der wochenlangen Aufräumarbeiten. Das Tohuwabohu aus zahllosen Papier- und Zeitschriftenstapeln, überquellenden Bücherregalen und den verschiedensten, überall wild verstreuten Dingen, das früher den Raum bestimmt hatte, war restlos verschwunden und hatte dem Bild eines stilechten, altenglischen Salons Platz gemacht. Die tadellose Ordnung hob den Wert der Antiquitäten, die unverändert an ihrem Platz standen, neu hervor und ließ das klassische Interieur, das eines Meisterdetektivs wie Sherlock Holmes würdig gewesen wäre, voll zur Geltung kommen. Die linke, holzvertäfelte Wand, vor der sich eine alte Standuhr befand, ging in ein hohes Bücherregal über, das den hinteren Teil des Salons wie eine große Bibliothek wirken ließ. Der mitten im Raum stehende antike Schreibtisch, vor dem fein säuberlich zwei Besucherstühle positioniert waren, sah wie der Arbeitsplatz in einer vornehmen Anwaltskanzlei aus, und auf dem ungewöhnlich langen, von einem alten Ledersofa und einigen Sesseln eingerahmten Couchtisch, der früher über und über mit allem möglichen Krimskrams übersät gewesen war, war jetzt nur noch ein brandneuer Laptop und eine leere Kaffeetasse zu sehen.
Als sie durch das blitzblanke, in den Garten weisende Panoramafenster sah, das vor wenigen Wochen noch von vergilbten, durch den Cockerspaniel zerfetzten Gardinen verhängt gewesen war, wurde ihr Erstaunen nochmals verstärkt. In der ebenfalls renovierten Garage stand neben einem alten VW Käfer ein imposanter Chevrolet im SUV-Stil, der im Vergleich zu dem VW riesengroß aussah. Der Ruf eines etwas spleenigen, witzigen und unangepassten Zeitgenossen, den sich Mo an der Universität erworben hatte, hatte auch ein wenig mit dem alten Käfer zu tun gehabt, der nun endgültig zu einem Museumsstück geworden war. Für Mary, die als Doktorin der Psychologie einige Menschenkenntnis besaß, war dies ein untrügliches Zeichen, dass eine bedeutende Veränderung in dem Wesen ihres Freundes vor sich gegangen war.
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