„IHR KÖNNTET EIGENTLICH MAL EIN WENIG MEINE AUTORITÄT ACHTEN!“, verschaffte sich Chris Ruhe im Stimmgewirr. „Es bleibt dabei. Faith und Raven gehen auf Beobachtung im Waldgebiet. Ich werde Marcel und Shirley noch ein bisschen Einweisung in die Welt des Paranormalen geben. Raven, geht jetzt los, bevor die Nacht zu weit vorangeschritten ist.“
„Wieso braucht Faith keine Theorie?“
„Keine Sorge, die kriegt sie von mir noch nachgeholt. Und jetzt ist Schluss mit der Diskussion.“
Raven wirkte leichte genervt. „Von einem Kindergarten, der auszog um Dämonen zu bekämpfen. Komm mit Faith. Wir müssen uns noch ausrüsten.“
„Wozu?“
„Ich glaube nicht, dass deine Engelskräfte alleine ausreichen, wenn wir auf diese Kreaturen treffen.“
Faith begleitete Raven in die Waffenkammer des Anwesens. Dort fand sie ein wahres Arsenal an Ausrüstung. Raven nahm sich ein Langschwert und eine Pistole mit Silberkugeln als Munition. Faith entschied sich für eine Armbrust, die über einen speziellen Mechanismus verfügte. Konnte man bei einer handelsüblichen Armbrust immer nur einen Pfeil pro Schuss abfeuern, verfügte diese Armbrust über ein Magazin, in welches man 20 Pfeile einspannen und abschießen konnte. Die Pfeile der Armbrust waren mit einer Silberlegierung überzogen, was für die meisten Dämonen tödlich war.
Gemeinsam zogen die beiden hinaus in die Nachtluft. Es war Ende August, aber die Nachtluft war noch angenehm warm.
Auf dem Weg zum Wald kamen sie am Norfolker Friedhof vorbei. Sie hörten dort panische Schreie und als sie sich umsahen, kam ein Jugendlicher in Panik durch das Haupttor gerannt, gefolgt von einer bleichen Gestalt mit spitzen Eckzähnen. Raven stellte sich zwischen den Angreifer und den Jungen, zog einen Pflock aus seiner Umhängetasche und rammte sie dem anrennenden Vampir in den Brustkorb. Die Bestie ließ einen entsetzten Schmerzensschrei los und zerfiel im fahlen Licht der Laterne zu Staub. Der Pflock fiel geräuschvoll auf den Asphalt. Der flüchtende Jugendliche zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub, als Raven sich umwand und ihn ansprach.
„Das wäre erledigt, Junge. Was hattest du denn mitten in der Nacht auf einem Friedhof verloren? War wohl eine besondere Mutprobe?“
„Nein, Sir“, entgegnete der Jugendliche. Ich hatte eine Nachtwanderung mit Freunden unternommen und in der Nähe des Waldes überkam mich … Na ja, sie wissen schon … Ich musste …“
„Du musstest pissen“, beendete Raven den Satz des Jungen.
„Genau.“
„Da muss dich ja der Blutsauger ganz schön erschreckt haben. Dein Hosenstall steht noch offen.“
„Nein, nein. Nicht der Vampir. Es war ein Wesen, was ich noch nie gesehen habe. Noch nicht mal in den kühnsten Horrorfilmen. Das Tier oder was auch immer es war, hatte den Kopf eines Dinosauriers und der Rest des Körpers war behaart. Es sah wie ein kleiner Tyrannosaurus Rex mit Fell aus. Es wollte mich angreifen, also bin ich geflüchtet. Als ich es abgehängt hatte, bin ich diesem Dracula Verschnitt in die Fänge gelaufen.“
„Und dann bist du uns über den Weg gerannt und wir haben den Blutsauger fein säuberlich von seinem irdischen Dasein befreit.“
„Genau. Geht das wirklich so einfach mit einem Pflock ins Herz?“
Raven lächelte. „Es gibt noch die Möglichkeit den Vampiren einfach den Kopf abzuschlagen, aber das macht zu viel Dreck. Dann lieber ein sauberer Stoß mit dem Pflock ins Herz. Und du siehst jetzt zu, dass du nach Hause kommst. Bis die Stadt beginnt, ist es ja nicht mehr weit und da sollten dir keine Gestalten mehr über den Weg laufen.“
Der Junge war fasziniert von Raven: „Sind Sie so eine Art Ghostbuster oder warum wissen Sie so viel über diese Wesen?“
„Ghostbuster? Also diesen Vergleich habe ich noch nie gehört. Aber kann man so sagen.“
„Voll cool.“
Sie begleiteten den Jungen bis sie nahe genug an den Häusern der Hauptstraße waren, dann ließen sie ihn alleine nach Hause laufen und Faith und Raven widmeten sich ihrer eigentlichen Aufgabe. Es musste einen Zusammenhang geben, zwischen den verschwunden Schülern der Virginia-High und den Dino-Wesen. Der Vollmond am Himmel spendete ein wenig Licht, während sie sich über die Waldwege orientierten. Sie ahnten nicht, dass sechs leuchtend gelbe Augenpaare sie verfolgten und fixierten. Raven wurde die Sache bald zu bunt. Schließlich waren sie schon über zwei Stunden unterwegs und hatten diese unheimlichen Echsenwesen nicht entdeckt.
„Das kann doch nicht wahr sein. Ein Junge geht einfach nur in den Wald schiffen und wird von diesen Wesen angegriffen. Wir laufen eine halbe Ewigkeit und haben gar nichts Komisches bemerkt.“
Faith versuchte ihren Begleiter zu beruhigen: „Ich kann dich verstehen Raven. Ich bin aber auch echt froh, dass du mir von den Stiefeln abgeraten hast. Mit denen hätte ich jetzt wahrscheinlich Blasen an den Füßen.“
Raven lachte: „Die hättest du dann mit deinen Pfeilen zum Platzen bringen können. Und Silber ist gut für die Wundheilung. Scherz beiseite, ich hätte jetzt nichts gegen noch einen kleinen Kampf mit einem Vampir oder einer …“
Er kam nicht weiter. Plötzlich und wie aus dem Nichts stürzten sich aus den Baumwipfeln drei Echsenwesen auf Faith und Raven und aus den Gebüschen kamen noch einmal drei. Faith wurde von einem der Wesen umgerissen. Das Biest setzte nach und schnappte mit seinen langen gefährlichen Reißzähnen nach der jungen van Helsing. Doch Faith rollte sich instinktiv zur Seite, sodass der Biss ins Leere ging. Sie nutzte die kurze Verschnaufpause, lud ihre Waffe mit Pfeilen und feuerte sie ab. Das Biest ging getroffen zu Boden. Zwei weitere der Echsenwesen versuchten Faith in die Zange zu nehmen und attackierten sie. Faith sprang in die Luft, sodass die Wesen mit ihren Köpfen zusammenstießen und Faith sie mit einer weiteren Ladung Pfeile bombardieren konnte. Drei von diesen fossilen Wesen waren tot. Raven hatte zwei mit seiner Pistole hingerichtet und ein weiteres mit einer Kugel verwundet. Er wollte nochmal nachsetzen, doch er ließ das Wesen gewähren.
„Warum erledigst du es nicht, Raven?“
„Weil, ich glaube, dass uns dieses Wesen zu seinem Schöpfer bringen wird. Folgen wir ihm einfach.“
Faith und Raven folgten der Blutspur, die das Wesen hinterließ. Vor einer weißen Mauer blieb es stehen, klingelte, wartete bis zum Öffnen des Tores und kroch herein. Faith und Raven nutzten die Gelegenheit und schlüpften kurz vor dem Schließen des Tores ebenfalls hinein. Die Bestie schien noch reichlich Energie zu haben, dass es die Feuerwehrleiter hinaufkletterte und auf dem Dach verschwand. Faith und Raven folgten mit einigem Abstand und erblickten am Ende der Leiter eine riesige Dachterrasse mit einer großen Hütte, ja fast schon einem Haus auf dem Haus darauf. Die beiden versteckten sich hinter einer der grünen Hecken, während die Tür der Hütte geöffnet wurde. Der Schöpfer des Biestes trat hinaus und betrachtete seine Schöpfung. Faith stockte der Atem. Sie kannte den Mann. Er war recht groß und schlaksig und wirkte damit fast unscheinbar, aber durch den Mondschein, der den ganzen Mann in leichtes blasses Licht tauchte sah sie die Arme. Es war ein Lehrer der Virginia-High. Sie konnte es nicht glauben, dass die Gerüchte wahr waren über Professor Joe Schtidler. Der Professor hatte in seinem Haus ein kleines Laboratorium aufgebaut, wo er mysteriöse Kreaturen erschuf.
„Es ist unfassbar!“, flüsterte sie Raven zu. „Das ist Professor Schtidler.“
„Du kennst diesen Kerl?“
„Ja, er ist Lehrer an unserer Schule. Ich kann es kaum glauben, dass das was man über ihn erzählt wahr ist.“
Ravens Gesicht wurde ernst. „Wir dürfen jetzt keine Panikaktion starten. Lass uns die Situation beobachten und zuschlagen, wenn wir es überblicken können.“
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