„Dummheiten?“, mischte sich ihr Vater ein. „Mein Kind macht Dummheiten. Nein, unser Kind ist das bravste Mädchen auf Erden. Sie würde nie irgendwelche Dummheiten machen.“ Er lächelte. Es stimmte. Faith hatte selbst in der schweren Teenager Zeit nie irgendwelche Verfehlungen begangen. Sie war ein Musterkind in der Schule und an den Wochenenden ging sie mit ihren besten Freunden etwas trinken oder ins Kino.
„Siehst du Mum“, erwiderte Faith, „Dad bestätigt es. Keine Dummheiten.“ Sie lachte.
„Dein Vater würde dir alles bestätigen“, entgegnete Alice mit einem Grinsen auf den Lippen. „Schon als Baby hast du ihn um den Finger wickeln können.“
„Apropos, um den Finger wickeln. Dad, ich bräuchte ein wenig Taschengeld.“
Daniel schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich wusste, dass da Hintergedanken im Spiel waren. Also gut Faith. Wie viel brauchst du?“
Faith überlegte. Ihre Eltern waren weder arm noch reich und Faith fehlte es an gar nichts. Dennoch bettelte sie nie um mehr Geld als nötig. „Na ja, so 50 Dollar wären nicht schlecht.“
Ihr Vater griff in seine Gesäßtasche, zückte sein Portemonnaie und reichte ihr einen 50 Dollarschein. „Hier. Aber das muss für das gesamte Wochenende reichen.“
Freudestrahlend und dankbar blickte sie ihren Vater an. „Danke Dad. Du bist der Beste.“ Sie gab ihm einen Schmatzer auf die Wange.
„Ist schon gut Faith. Und nun los, bevor du zu spät zu eurer Verabredung kommst.“
Sie lächelte, umarmte ihre Mutter und verschwand durch die Haustür in den nächsten Sommerferien-Ausgeh-Abend.
Alice und Daniel blickten ihr aus dem Küchenfenster hinterher und kümmerten sich um den restlichen Abwasch.
„Du sollst sie doch nicht so verwöhnen“, meinte Alice mit leichtem Vorwurf. „Wir können nicht ewig für sie sorgen und sie muss lernen mit Geld umzugehen.“
„Ich möchte aber nicht, dass sie sich einen Nebenjob sucht“, entgegnete Daniel. „Sie soll sich auf die Schule konzentrieren, aufs College gehen, ihren Abschluss machen und danach soll sie sich mit dem Beruf beschäftigen, der sie interessiert und ihr Freude bereitet.“
„Wenn du meinst. In gewisser Weise hast du auch Recht, Schatz. Unsere Tochter ist schon sehr verantwortungsbewusst für ihr Alter.“
Sie trocknete die letzte Gabel ab und legte sie in die Schublade.
„Und was wollen wir mit unserem Freitagabend anfangen?“
Daniel lächelte verschmitzt. „Gar nichts.“
„Gar nichts?
„Ja, lass uns im Wohnzimmer ein bisschen fernsehen oder …“
Alice lächelte. „Oder?“
„Wir könnten nach oben ins Schlafzimmer gehen und schlafen.“
„Schlafen?“
„Schlafen! Ich bin so schrecklich müde und verspannt.“
„Dagegen kenne ich ein hervorragendes Mittel.“ Sie ging ins Badezimmer und winkte mit einer Flasche Massageöl. „Soll ich schon mal hochgehen und auf dich warten?“
„Geh ruhig hoch. Ich bringe den Rest mit.“ Er hing die Handtücher zum Trocknen auf und holte aus dem Kühlschrank eine Flasche Sekt, sowie ein Schälchen mit Erdbeeren. Gerade als er die Treppe hoch zum Schlafzimmer betrat, klingelte es an der Tür.
„Wer kann das nur sein?“, fragte Alice von oben herab.
„Weiß nicht. Vielleicht Freunde von Faith.“ Er stellte die Flasche und das Schälchen auf ein Sideboard ab.
Es klingelte erneut.
„Jaja. Bin schon da. Kleinen Moment.“
Bemüht eine gutgelaunte Miene aufzusetzen ging Daniel an die Tür. Er hoffte, dass es wirklich Freunde seiner Tochter waren, die er dann in Richtung Kino schicken konnte.
Er öffnete. Vor der Tür standen zwei junge Frauen, die überaus attraktiv wirkten. Die Blonde der Beiden trug ein enges ärmelloses schwarzes T-Shirt und eine enggeschnittene Blue-Jeans, die ihre weibliche Figur betonte. Die Rothaarige hatte ein weißes Top mit Blümchenmuster, sowie einen engen Jeansminirock und schwarze kniehohe Lederstiefel an.
Daniel wirkte verblüfft. „Guten Abend. Wer sind Sie?“
„Hallo“, entgegnete die Rothaarige und hielt ihm eine Flasche Sekt und einen eingepackten Kuchen hin. „Wir sind gegenüber eingezogen und wollten uns nur in der Nachbarschaft vorstellen.“
Dankend nahm Daniel die Präsente entgegen. „Das ist sehr nett von Ihnen. Sie werden sehen, dass Sie in eine sehr angenehme und nette Nachbarschaft gezogen sind. Hier hilft jeder jedem. Kommen Sie doch rein, dann können Sie auch meine Frau Alice kennenlernen.“
„Da sagen wir nicht nein, bei einer so reizenden Einladung“, erwiderte die Blondine.
Daniel führte sie in das Haus, während Alice herunterkam. Sie hatte sich ein gelbes Sommerkleid übergeworfen, worunter sich die schwarze Reizwäsche, womit sie ihren Ehemann verführen wollte hervorblitzte.
Die Blonde nahm das als Vorlage für eine Konversation. „Es tut uns leid. Wir wollten Sie nicht stören, sondern uns nur in der Nachbarschaft vorstellen. Wenn Sie möchten, gehen wir wieder.“
„Nein, nein“, entgegnete Alice, „Sie sind uns willkommen und auf neue Nachbarschaft muss man unbedingt anstoßen.“
„Ganz unbedingt“, erwiderte die Rothaarige. „Bei Ihnen riecht es auch lecker. Da bekomme ich doch gleich wieder Hunger.“
Faith Miller und ihre Freunde Marcel Kingston und Shirley Frank gingen die beleuchtete Hauptstraße entlang. Es war nach 22:00 Uhr und der Kinofilm war vorbei. Unterwegs neckte sich das Trio.
„Der Film war doch totale Zeitvergeudung“, stöhnte Faith. „Wären wir doch lieber in die Komödie mit Johnny Depp gegangen.“
„Ja. Oder in diesen Liebesstreifen mit Leonardo Di Caprio“, fügte Shirley hinzu.
„Liebesstreifen oder Johnny Depp? Och nö“, entgegnete Marcel. „Außerdem fand ich den Film voll cool. Wie diese Samurais durch die Luft geflogen sind. Ratz. Peng. Krach. Rattatong.“
Faith rollte gelangweilt mit den Augen. „War doch klar, dass Jungs den Film gut finden.“
„Außerdem waren das Ninjas, Marcel. Ninjas.“
„Jaja. Schon gut.“, brummte Marcel und um das Thema zu wechseln, fügte er schmunzelnd an. „Ich liebe den Sommer, da hat man wenigstens was fürs Auge.“
Er lächelte verschmitzt.
„Wieso fürs Auge?“, fragte Shirley.
„Na ja. Schönes Wetter, die Außenterrassen der Cafés sind geöffnet. Und hmmm, na ja, auch du hast schöne Beine. Ähm, einen schönen Minirock an.“
„Wenn ich das richtig sehe, spielen bei unserem großen Bruder die Hormone verrückt“, meinte Faith schmunzelnd.
„Was Hormone? Ich? Also wirklich.“
„Marcel, du schaust immer noch auf meine Beine“, sagte Shirley mit scharfem Ton.
„Ups. Hoppla. War keine Absicht. Und deine Eltern haben nichts dagegen, wenn wir so spät noch zu Besuch bei dir sind, Faith?“
„Keine Sorge. Ihr seid wie Geschwister für mich und haben euch auch gerne, um sich herum. Außerdem denke ich mal, sind die beiden heute Abend mit sich selber beschäftigt.“
Shirley blickte ihre Freundin an. „Wie meinst du das?“
Faith grinste. „Na ja, ich habe gesehen, dass mein Dad Sekt und Erdbeeren im Kühlschrank gebunkert hatte.“
„Oh.“
Sie gingen weiter und bogen in die Straße von Faith‘ Elternhaus ein. Im bleichen Licht der Straßenlaterne fiel Faith etwas auf. Sie stoppte kurz.
„Hier stimmt was nicht.“
„Was denn?“, fragte Shirley.
„Sag mal, habt ihr den Tag der offenen Tür, oder wie?“, ergänzte Marcel und versuchte damit die gespenstige Stimmung etwas zu heben.
„Das gefällt mir ganz und gar nicht“, entgegnete Faith besorgt.
„Das ist nicht nur schlecht, das kann auch gefährlich sein.“
„Vielleicht ist etwas passiert“, vermutete Shirley besorgt und sprach damit den Zustand aus, über den die anderen im Stillen dachten.
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