„Das kann ich nun nicht verstehen”, sagte ich verblüfft. „Ihre Frau hat doch Georg gewarnt, dass er nicht glücklich wird, wenn ich studiere. Nur deswegen hat Georg unsere Beziehung beendet.”
Daraufhin sah er mich verständnislos an und schüttelte ungläubig seinen Kopf.
„Der Georg hätte mal lieber bei dir bleiben sollen”, sprach er weiter. „Der hat vielleicht ein Pech mit dem nächsten Mädel gehabt. Sie bekam ja auch bald ein Kind von ihm. Ihre Eltern wohnen in einem großen Haus, und die jungen Leute hatten die Möglichkeit, sich das ganze Dachgeschoss auszubauen. Unsere Verwandten und Georgs Freunde haben alle mitgeholfen. Die Wohnung ist ganz toll geworden. Und stell dir mal vor, die Freundin hat noch während der Einzugsparty zu unserem Georg gesagt: `Du kannst jetzt eigentlich gehen. Ich liebe dich nicht. Mir war nur wichtig, dass die Wohnung ausgebaut wird, denn du möchtest doch sicher auch, dass dein Sohn ein schönes Zuhause hat. Es hat ja auch alles gut geklappt mit den vielen Helfern aus deiner Verwandtschaft.´ Das hat ihn tief getroffen.”
Und tschüss ...
Die Berufsausbildung als Bauzeichnerin hatte ich hinter mir und gut abgeschlossen. Nun begann mein Studium.
Mein Vater hatte es nicht zum Bauingenieur geschafft, die letzten Prüfungen waren wohl zu schwer. Also erwartete er kompromisslos von mir, seinen Traum zu vollenden.
Nie wurde ich gefragt, welche Vorstellungen ich von meiner Zukunft habe. Mein kurzes Aufbegehren, dass ich gern einen Beruf erlernt hätte, bei dem ich mit Kindern zu tun hätte, eventuell mit dem Ziel Kinderheimleiterin, wurde gleich abgewürgt.
„Du willst dich wohl mit fremden Kindern rumärgern? Und Wochenend- und Schichtdienst hast du auch noch.”
Ich stellte mir das jedoch schön vor. Als Leiterin eines Kinderheimes hätte ich mich um Kinder, die auch nicht geliebt wurden und die niemand haben wollte, aufopferungsvoll kümmern können. Ich hätte alles dafür getan, dass sie sich wohl und nicht im Stich gelassen fühlen, denn ich weiß, wie weh es tut, nicht gewollt und nie gut genug zu sein.
„Du wirst Bauingenieur. Basta!”, lautete die Anweisung meines Vaters.
Seit frühester Kindheit hatte ich gelernt, dass es keinen Sinn hat, meinen Eltern zu widersprechen. Also gab ich meinen Berufswunsch auf und studierte pflichtbewusst Hochbau.
Bald merkte ich, dass mir die ganze Sache keinen Spaß macht, denn mindestens die Hälfte der Studienfächer interessierte mich überhaupt nicht.
Windlasten – entweder der Wind bläst oder er bläst eben nicht. Das ist mir doch egal.
Und was mache ich im Sommer mit den Schneelasten?
Dank meiner schnellen Auffassungsgabe und der Freundschaft zu einer Studienkollegin, mit der ich schon in der Berufsschule ganz gut auskam, habe ich mich durch das Studium geboxt, ohne auch nur einmal durch eine Prüfung zu rasseln. Ätsch!
Aber für mein Leben hat mir das nichts gebracht.
Was hätte bei meinem Potenzial alles aus mir werden können? Bei richtiger Förderung und mit etwas Verständnis hätte mir die Welt offen gestanden.
Aber da hätten meine Eltern mir ja mal zuhören und von ihren verbohrten Vorstellungen abweichen müssen.
Jeden Tag ging ich ungern zum Studium und später auf Arbeit und hoffte auf eine Änderung, die erst nach zehn Jahren mit der politischen Wende kommen sollte.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.