Eine Träne kullerte über mein Gesicht. Vor gut einer Woche hatten wir gemeinsam drei kleine Wohnungen besichtigt. Peter lebte mit einem Kumpel zusammen in einem winzigen Apartment der Studios, ich selbst hatte ebenfalls zwei Mitbewohnerinnen. Es war schwer, nach den Drehtagen in gemütlicher Zweisamkeit zu entspannen, wenn ständig andere Menschen um einen herumturnten. Wir hatten zwar beide unsere eigenen Zimmer, aber das war trotzdem etwas völlig anderes, als eine eigene Wohnung.
In North Hollywood glaubten wir, vor einer Woche die passenden vier Wände für unsere gemeinsame Zukunft gefunden zu haben: ein ruhig gelegenes Häuschen in einer Seitenstraße. Von außen hatte es keinen wirklich guten Eindruck hinterlassen. Wir wollten schon resigniert weiterzufahren, aber im letzten Moment hatten wir uns doch dazu entschieden, die Wohnung zu besichtigen. Und wir waren nicht enttäuscht worden. Die Zimmer waren klein, aber hell und frisch renoviert. Ich war total begeistert von der Wohnung gewesen, aber da wir noch zwei weitere Besichtigungstermine vereinbart hatten, war es noch zu keinem Mietvertrag gekommen. Innerlich hatte ich mich aber schon auf diese Wohnung fixiert und richtete sie in Gedanken schon gemütlich ein. Ich träumte bereits davon, im Sommer auf dem kleinen Balkon zusammen mit Peter zu frühstücken, doch diese Träume waren wie Seifenblasen zerplatzt. Wenn ich den Menschen, die mir am meisten bedeuteten, doch nur sagen konnte, dass es mir gut ging und dass mir nichts geschehen war. Noch nicht…
Ich hörte das Schließgeräusch der Tür und ging mit schnellen Schritten zu meinem Bett zurück. Die Tür wurde aufgestoßen. Ich kniff die Augen zusammen, als das Licht in den Raum einfiel. Die scheinbare Ruhe, die ich in den letzten Minuten zu spüren geglaubt hatte, war wieder verschwunden. Angst und Unsicherheit legten sich wieder wie ein dichter Schleier um mich. Das Zittern meines Körpers nahm zu, als der Mann den Raum betrat und auf mich zukam. Meine Augen ruhten auf dem schnurlosen Telefon in seiner Hand und ich atmete tief durch.
Sergeant Haggerty packte gerade seine Sachen zusammen, als es an der Haustür klingelte. »Das wird meine Ablösung sein.«
Er öffnete die Tür und begrüßte seinen Kollegen. Sie gingen zusammen zurück ins Wohnzimmer und er machte Sergeant Lowry mit der Familie bekannt.
»Der Sergeant wird die nächste Schicht bei Ihnen bleiben. Sobald der Kidnapper sich meldet, wird er alles Nötige in die Wege leiten.«
Er nahm seine Aktentasche auf und gab John Simms die Hand. »Wir werden alles daransetzen, um Ihre Tochter unversehrt zu Ihnen zurückzubringen. Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr Mut machen, aber leider sind uns zur Zeit die Hände gebunden.«
John Simms schüttelte ihm die Hand. »Danke, Sergeant. Ich weiß Ihre Anteilnahme zu schätzen. Ich hoffe ...«
Der Satz wurde durch das Klingeln des Telefons abrupt beendet.
Für wenige Sekunden erfüllte eine lähmende Stille den Raum und alle starrten gebannt auf den kleinen Beistelltisch. Sergeant Lowry stürmte als erster hinüber und setzte sich den Kopfhörer auf. Er schaltete mit routinierten Handbewegungen an den Knöpfen seiner Anlage herum und gab John Simms ein Zeichen. Sergeant Haggerty setzte sich über eine eigens eingerichtete Leitung mit dem Abhörspezialisten im Revier in Verbindung. John Simms legte seine Hand auf den Hörer und atmete tief durch. Er schloss für einen Moment die Augen, dann hob er ab.
»Hallo? ... Oh, Susan, du bist es.« Er sah die beiden Polizisten an und schüttelte den Kopf.
Tim Lowry stoppte die Aufnahme, während Sergeant Haggerty auf dem Revier Entwarnung gab.
»Susan, es tut mir leid, aber wir können im Moment nicht reden. Wir erwarten einen ganz dringenden Anruf. Können wir dich später zurückrufen? ... Danke, Susan. Bis dann.«
Er legte den Hörer langsam auf die Gabel. Auf seiner Stirn hatten sich feine Schweißperlen gebildet.
»Nur eine Bekannte von uns.« Seine Stimme klang leise und verzweifelt.
Pamela Simms ging mit hastigen Schritten auf ihn zu und nahm ihn in den Arm, während Peter Warren abwesend eine Wand anstarrte. Die Anspannung, die auf allen Anwesenden lastete, fiel nur langsam wieder etwas ab.
Sergeant Haggerty startete einen zweiten Versuch, sich zu verabschieden. »Mr. und Mrs. Simms, ich wünsche Ihnen, dass Ihre Tochter bald wieder bei Ihnen ist.« Er drehte sich langsam um und klopfte Peter Warren dabei wortlos auf die Schultern.
»Danke Sergeant, wir ...«
Ruckartig flogen alle Köpfe zur Seite. Das Klingeln des Telefons schien so laut zu sein, dass jeder erwartete, der Hörer würde im nächsten Moment von der Gabel springen.
John Simms stürmte auf den Tisch zu und streckte seine Hand aus.
»Moment«, rief Tim Lowry energisch und hantierte an seinen Geräten. Dann nickte er dem besorgten Vater zu und dieser griff nach dem Hörer.
»Hallo?... Darling, wie geht es dir? Wir machen uns solche Sorgen. Hat er dir etwas getan?...«
Sergeant Haggerty sprach leise in den Hörer, der ihn mit seinem Revier verband: »Treffer, macht das Schwein ausfindig.«
John Simms setzte sich in den Sessel neben dem kleinen Beistelltisch.
»Was will der Mann von dir? Darling, ich ...« Er brach den Satz ab, sein Gesicht schien zu einer Maske zu erstarren.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie von meiner Tochter?...«
Hilfesuchend starrte er zu den beiden Polizisten hinüber. Tom Haggerty deutete auf seine Armbanduhr, um John Simms zu verstehen zu geben, er solle versuchen, das Gespräch möglichst in die Länge zu ziehen.
»Hören Sie, meine Tochter hat doch niemandem etwas getan. Warum ... was meinen Sie? Ich ... ich verstehe nicht ...«
John Simms tupfte sich den Schweiß ab, der über seine Stirn lief.
»Ja,... ja, ... ich ... ich verstehe immer noch nicht ... was meinen Sie? Herrgott, wovon reden Sie? Wenn Sie mich haben wollen, dann lassen Sie meine Tochter frei und nehmen Sie mich dafür. Das Mädchen hat doch nichts getan.«
John Simms rutschte nervös auf dem Sessel hin und her. »Ein ..., was? Sie sind ja verrückt. Was soll ich denn gestehen? ... Dass ich womit durchkomme? ...«
Der Familienvater musste mehrmals tief schlucken. Sein Gesicht versteinerte sich zu einer gequälten Fratze. Als er weitersprach klang seine Stimme leiser und zittriger.
»Was ... was reden Sie denn da? Sie sind ja wahnsinnig ...« Sein Gesicht zitterte, als er den Hörer mit unruhiger Hand fester gegen sein Ohr presste.
»Ich ... ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden. Sie ... sie sind ja vollkommen verrückt. ... Warten Sie ..., hallo? Hallo?«
Er ließ den Hörer langsam sinken und starrte die Polizisten verzweifelt an.
»Er ... er hat einfach aufgelegt. Ich ...; bitte helfen Sie mir ...«
Kapitel 15 (Steve Delaney)
»Er hat sich gemeldet.« Marc Turner stürmte in mein Büro, als ich gerade über mehreren Akten brütete.
»Wer hat sich gemeldet?« Die Frage kam mit einem desinteressierten Unterton und ohne aufzusehen.
»Der Entführer von Heather Simms.«
Mein Kopf schnellte hoch. Die Akten waren von einer Sekunde zur anderen aus meinem Bewusstsein verschwunden. »Wann?«
»Gerade eben. Unsere Jungs sind schon bei der Arbeit.«
Ich stand auf und kam mit schnellen Schritten um den Schreibtisch herum. »Was ist mit der Fangschaltung? Konnten wir das Gespräch zurückverfolgen?«
Marc Turner kratzte sich am Kinn. »Ja, Steve, aber ...«
»Kein ‘aber’ . Von wo kam der Anruf?«
»Wir haben ihn zu einem Versicherungsgebäude in Downtown zurückverfolgt.«
Ich stürmte zur Tür hinaus und Marc folgte mir. »Habt ihr sofort einen Wagen losgeschickt?«
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